»Nein«, musste ich ihm zustimmen. »Das war sie auch nicht. Vielleicht haben irgendwelche Kinder es aus Spa? hingemalt.«

Liz konnte ihren Blick nicht von der an die Wand gemalten Frau losen. »Toller Spa?«, gab sie von sich. »Wen stellt das dar?«

»Ich wei? nicht, wir haben es erst gestern entdeckt. Es muss seit Urzeiten von dem Efeu verdeckt gewesen sein.«

Liz naherte sich dem Wandgemalde. »Wie bosartig diese Frau blickt«, flusterte sie.

Ich schaute sie an. »Wieso sagst du das?«

»Keine Ahnung. Sieh sie dir doch an, sie ist so bosartig! Und dieses entsetzliche Rattending da um ihre Schultern!«

Wir betrachteten das Gemalde und gingen im Kreis durch die Kapelle, weil wir keine Ahnung hatten, was wir machen sollten. Irgendein unwirkliches Phanomen bedrohte uns, das uns im Grunde uberhaupt nichts anging. Ich wusste, dass es fur uns alle am besten gewesen ware, unsere Sachen zu packen und mich von den Maklern vor Gericht zerren zu lassen, damit sie das Geld einklagen konnten, das sie mir im Voraus gegeben hatten. Die Tarrants hatten offensichtlich erkannt, dass das Fortyfoot House verflucht war oder dass zumindest irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Sie hatten mich nicht einfach mit der Renovierung beauftragen, sondern mich warnen sollen, dass hier Leute verschwanden, dass Leute wahnsinnig geworden waren und dass hier Leute ihr Leben verloren hatten.

Zum Teufel mit ihnen, dachte ich. Ich haue ab.

In dem Moment rief Danny: »Sie ist da, Daddy! Sie ist da! Sweet Emmeline ist da!«

Er stand an dem Fenster der Kapelle und zeigte hinuber in den Garten. Ich lief zu ihm und stellte mich neben ihn.

Er hatte Recht. Das kleine Madchen in dem langen weiten Kleid lief durch den Garten, nahe der Sonnenuhr. Das Madchen naherte sich dem Haus, die Kuchentur offnete sich wie aus eigener Kraft. Es war zu weit entfernt, als das ich hatte Einzelheiten hatte erkennen konnen, doch ich konnte schworen, dass ich etwas Dunkles, Haariges von der Tur forteilen sah, als sich Sweet Emmeline naherte. Vielleicht hatte ich mich aber auch geirrt, vielleicht war es nur Sweet Emmelines Schatten gewesen. Doch Danny stand da und starrte mit offenem Mund aus dem Fenster, und ich wusste, dass er mehr gesehen hatte, als jeder Siebenjahrige sehen sollte.

»Jetzt reicht's«, sagte ich zu Liz. »Wir reisen ab. Tut mir Leid, tut mir wirklich Leid. Aber ich wei? nicht, was hier los ist, und ich will es auch gar nicht wissen. Glaubst du, dass du irgendwo unterkommst?«

»Ich schatze schon. Ich werde mich umhoren. Aber was werdet ihr machen?«

»Zuruck nach Brighton vermutlich. Ich habe Freunde, bei denen wir eine Weile bleiben konnen. Ich gebe dir meine Adresse.«

»Ich dachte, der Polizeibeamte wollte nicht, dass du die Insel verlasst.«

»Sein Problem. Ich reise ab. Kann ich dich ein Stuck mitnehmen? Wie lange brauchst du, um zu packen?«

Wir verlie?en den Friedhof und lie?en das Tor hinter uns offen stehen. Wir uberquerten den Bach und gingen zuruck zum Haus. Die Wolken zogen sich zusammen, und wenn ihre Schatten uber die Spitzen des Dachs und die Schlafzimmerfenster hinwegglitten, wirkte das Haus fast so, als verziehe es missbilligend das Gesicht. Ich spurte, wie mein Herz immer heftiger zu schlagen begann, je naher wir dem Haus kamen. Es verstromte eine solch bosartige Atmosphare, dass ich kaum noch rational denken konnte. Ich wollte nur unsere Kleidung in den Koffer werfen, in den Wagen steigen und so viel Abstand zwischen das Fortyfoot House und uns bringen, wie es nur moglich war.

Danny zogerte und sah hinuber zum Meer. »Der Strand hat mir gefallen«, sagte er traurig.

Ich legte meine Hande auf seine Schultern. »Ich wei?. Mir auch. Aber wir mussen fort von hier, ich mag diese Gerausche nicht. Und ich mag keine Madchen mit Wurmern im Haar.«

»Was ist mit dem Mann passiert, der Ratten fangt?«, fragte Danny.

»Er hat sich oben auf dem Speicher verletzt. Das ist noch ein Grund, warum ich abreisen mochte. Ich will nicht, dass dir oder Liz oder mir etwas zusto?t.«

»Kann ich meine Krebse mitnehmen?«, wollte Danny wissen. Er hatte ein halbes Dutzend kleiner gruner Taschenkrebse in einem Eimer gesammelt, der vor der Kuchentur stand.

»Nein, leider nicht. Wir werden bei Mike und Yolanda wohnen, da ist kein Platz fur Krebse. Warum bringst du sie nicht zuruck zum Strand und veranstaltest ein Wettrennen, welcher von ihnen zuerst das Meer erreicht?«

»Darf ich wenigstens zwei mitnehmen?«

»Nein, die paaren sich und dann hast du tausende von ihnen.«

»Einen? Bitte!«

»Nein, er wurde sich einsam fuhlen.«

Widerstrebend nahm Danny den Eimer und marschierte in Richtung Strand davon. Mir war es lieber, wenn er nicht im Haus war, wahrend wir packten. Ich hatte in letzter Zeit so haufig Koffer gepackt, dass es zu einem festen Bestandteil meines fehlgeschlagenen Lebens geworden war. Wenn man erst einmal mit dem Packen angefangen hat, findet man kein Ende mehr.

In der Kuche nahm Liz meine Hand. »Das war's dann wohl mit unserem idyllischen gemeinsamen Sommer«, sagte sie mit einem traurigen Lacheln.

»Es tut mir Leid, aber ich kann es nicht zulassen, dass Danny oder du verletzt werden oder dass irgendetwas noch Schlimmeres geschieht.«

Sie sah sich um. »Was, glaubst du, stimmt mit diesem Haus nicht?«

»Ich wei? es wirklich nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass ich das wirklich erfahren will. Jedenfalls nicht im Moment.«

»Vielleicht solltest du mit einem Priester reden. Du wei?t schon, einem Exorzisten oder so etwas.«

»Ich glaube, das wurde nichts bringen. Ich habe allmahlich das Gefuhl, dass dieses gesamte Haus mit einer ganz bestimmten Absicht errichtet wurde. Es ist nicht ganz hier, aber auch nicht ganz woanders.«

»Willst du noch ein Bier, wahrend wir packen?«, fragte Liz, woraufhin ich nickte.

»Ich hatte dich wirklich lieben konnen«, sagte sie ehrlich. »Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort.«

Ich warf ihr einen ironischen Blick zu. »Vor allem an einem anderen Ort.«

Wir tranken unser Bier aus, als es an der Tur klingelte. Wir erschraken beide.

»Himmel, ich bin ja zu Tode erschrocken!«, japste Liz.

»Ich glaube, dass weder Brown Jenkin noch Mr. Zylinder sich die Muhe machen und klingeln wurden«, sagte ich und ging zur Tur.

Es war der Rentokil-Mann aus Ryde. Ein hitzkopfiger junger Mann mit Kurzhaarfrisur und Ohrring. Er trug einen glanzenden blauen Nylonoverall und Doc-Marten's-Stiefel. »Mr. Williams? Rentokil, ich bin hier wegen Ihrer Ratte.«

»Oh, Gott, das hatte ich ganz vergessen. Entschuldigung, aber es gab ein Problem.«

»Aha?«, sagte der junge Mann unbeeindruckt.

»Die Ratte ... na ja, heute konnen Sie wegen der Ratte nichts unternehmen. Es gab einen Unfall im Haus, die Polizei war hier.«

»Aha? Tja, aber Sie wissen ja, dass wir auf jeden Fall die Anfahrt berechnen.«

»Das geht in Ordnung, schicken Sie die Rechnung.«

»Dann mussen Sie hier unterschreiben.« Er trat in den Flur und holte ein Auftragsformular hervor, um eine Bestatigung zu erhalten, dass er mir einen Besuch abgestattet hatte.'

Er reichte mir einen Kugelschreiber mit angeknabberter Spitze, und ich unterschrieb.

»Was war denn das fur ein Unfall?«, fragte er und riss das oberste Blatt des Formulars ab, um es dann zusammenzufalten. »Irgendwas mit Ihrem Wagen?«

Ich sah ihn verstandnislos an. »Mit meinem Wagen? Nein, damit hatte es nichts zu tun.«

Вы читаете Die Opferung
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×