»Oh«, sagte er. »Ich dachte nur, weil er so ramponiert aussieht.«

»Was meinen Sie mit ramponiert?«

»Der Audi da drau?en, in der Einfahrt.«

Ich hatte keine Ahnung, was er meinte.

»Ja«, sagte ich. »Das ist mein Wagen. Zugegeben, er ist nicht im Bestzustand ...«

Er lachte in einem unangenehmen Stakkato wie ein Hooligan. »Das konnen Sie laut sagen.«

Ich schob ihn zur Seite und ging zur Vordertur. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Mein Wagen war ringsum verbeult, alle Scheiben waren eingeschlagen, die Reifen waren platt, die vordere Sto?stange war abgerissen worden. In der Nahe stand Vera Martin, Harry Martins Witwe, die offenbar auf mich wartete. Sie trug einen schwarzen Pullover, dazu ein einfaches graues Kleid. Neben ihr stand ein kleiner stiernackiger junger Mann mit schwarzem oligen Haar. Er trug eine grune Tweedjacke, und in der Hand hielt er einen Vorschlaghammer.

Zuerst wunderte ich mich, dass ich davon nichts gehort hatte, aber dann wurde mir klar, dass es ein weiter Weg bis zur Kapelle war. Zudem kam der Wind von See und trug das Rauschen der Brandung mit sich. Aber selbst falls ich etwas gehort hatte, ware ich nicht auf die Idee gekommen, dass jemand meinen Wagen demolierte.

Ich ging zu meinem Audi, hob die Sto?stange auf, lie? sie dann aber wieder fallen. Da gab es nichts zu reparieren, der Wagen war hinuber.

»Was um alles in der Welt soll das?«, wollte ich wissen.

»Nennen Sie es Rache, wenn Sie wollen«, sagte Vera Martin, die mit verschrankten Armen dastand.

»Rache? Fur was?«

»Fur Harry«, sagte der junge Mann zornig. »Fur ihn.«

»Wer ist das?«, fragte ich Vera.

»Keith Belcher, der jungste Sohn meiner Schwester Edie. Es war nicht seine Idee, sondern meine. Aber er hat sich freiwillig gemeldet.«

Ich ging um meinen Wagen herum, um den Schaden zu begutachten. Keith Belcher hatte verdammt gute Arbeit geleistet. Es gab keinen Quadratzentimeter Blech, der vor dem Hammer verschont geblieben war. Er hatte es sogar geschafft, eine Beule ins Lenkrad zu schlagen.

»Mrs. Martin, ich habe Ihren Mann nicht umgebracht. Es war ein Unfall, nichts anderes.«

»Im Fortyfoot House gibt es keine Unfalle«, gab sie zuruck.

»Es ist ein boser Ort fur bose Menschen. Sie und dieses Ratten-Ding, Sie beide haben sich das verdient. Ich hoffe, Sie werden glucklich.«

»Ja, hoffentlich werden Sie zusammen schei?glucklich«, warf Keith Belcher ein und legte den Griff seines Vorschlaghammers so in die Handflache, als wolle er mich auffordern, ihm das Werkzeug abzunehmen.

»Mrs. Martin, Sie verstehen nicht. Ich wollte ihn aufhalten, aber er lie? es sich nicht ausreden.«

»Ich habe Sie angefleht«, sagte sie, und mit einem Mal schossen ihr Tranen in die Augen. »Ich habe Sie wieder und wieder angefleht. Lassen Sie ihn nicht zu dem Ratten-Ding, habe ich Ihnen gesagt. Lassen Sie es nicht mal zu, wenn er es unbedingt will. Und jetzt? Er ist tot. Und alles nur Ihretwegen. Gott allein wei?, was ihm Schreckliches zugesto?en ist. Im Krankenhaus haben sie mich nicht mal zu ihm gelassen.«

Ich trat gegen einen der platten Reifen. »Tja ...«, sagte ich. »Sieht so aus, als hatten Sie erledigt, wozu Sie hergekommen sind.«

»Seien Sie blo? froh, dass es nur Ihr Auto war, nicht Ihr Kopf«, warf Keith ein.

»Daruber bin ich froh, das konnen Sie mir glauben.«

Ich sah ihnen nach, wie sie sich entfernten. Der Rentokil-Typ hatte die ganze Zeit uber neben seinem Van gestanden. Er grinste mich freundlich an und sagte: »Ich hoffe, Sie haben eine gute Werkstatt, Kumpel.« Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr ab. Am liebsten hatte ich ihm einen Ziegelslein hinterhergeworfen.

Liz kam nach drau?en und trat neben mich. »Und was machst du nun?«, fragte sie.

»Nichts. Was soll ich machen? Ich kann eine Werkstatt anrufen und horen, ob noch was zu retten ist.«

»Willst du immer noch abreisen?«

»So bald wie moglich. Aber heute klappt es ja wohl nicht. Sieh dir nur dieses Meisterwerk an. Er hat sogar das Armaturenbrett zertrummert.«

»Willst du nicht die Polizei anrufen?«

Ich schuttelte den Kopf. »Sie hat gerade ihren Mann verloren, ich will ihr nicht noch mehr Kummer bereiten.«

»Aber dein Wagen. Was ist mit der Versicherung?«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich gar keine Versicherung hatte. »Ich werde sagen, dass ich mich uberschlagen habe und dass niemand sonst darin verwickelt war.«

Liz sah zuruck zum Fortyfoot House. »Dann sieht es nach einerweiteren Nacht in der Herberge zum frohlichen Stohnen aus.«

»Du musst nicht bleiben, wenn du nicht mochtest.«

»Oh«, sagte sie nachdenklich. »Ich glaube doch, dass ich bleibe. Wir beide haben ja noch so etwas wie eine offene Rechnung, meinst du nicht auch?«

Ich sah ebenfalls zum Haus. Vielleicht hatte sie ja Recht, was die offene Rechnung anging. Ich dachte dabei nicht nur daran, mit ihr zu schlafen, sondern auch daran, dass es vielleicht gar kein Zufall war, der Danny und mich ins Fortyfoot House verschlagen hatte. Vielleicht war das unsere Bestimmung gewesen.

Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, an dem Danny und ich entscheiden mussten, wer wir waren und welches Leben wir fuhren wollten. Vielleicht war das auch der Zeitpunkt, an dem all diese seltsamen Gestalten, die rund um das Fortyfoot House auftauchten und wieder verschwanden, entscheiden mussten, in welche Realitat sie gehorten.

»Es konnte gefahrlich sein, hier zu bleiben«, sagte ich, doch Liz schien mich nicht zu horen. Sic hatte sich abgewandt und blickte hinuber zu den verfallenen Stallen, die von Efeu uberwuchert waren. Ihr Profi vor dem Hintergrund des Gartens war prazise und vollkommen. Ich hatte das Gefuhl, Liz sehr nah und doch sein lern zu sein - so, als wurde sie mein gesamtes Leben und alle meine Geheimnisse in ihrem Herzen bewahren.

Danny trat mit einem leeren Eimer nach drau?en. »Ich habe den Krebsen alle Beine abgemacht und sie ins Wasser geworfen«, verkundete er.

»Oh, Danny«, schimpfte ich. »Das ist widerlich! Und grausam!«

»Der Fischer hat mir gesagt, dass Krebse alles fressen, auch wenn es lebt. Der Fischer hat gesagt, dass die Krebse deine Fu?e und deine Ohren und alle weichen Stellen auffressen, wenn du zu lange am Strand liegst. Sie fressen zuerst immer die weichen Stellen.«

»Geh und wasch dir die Hande, es gibt bald Abendessen«, sagte ich ihm.

»Reisen wir nicht ab?«, fragte er, sah dann aber den Wagen. Sein Unterkiefer fiel nach unten, seine Augen weiteten sich.

»Was ist mit dem Auto passiert?«, fragte er fassungslos.

»Es hatte einen Streit mit einem Vorschlaghammer«, antwortete ich. »Darum bleiben wir.«

8. Ordensschwester oder Nonne

Als es fast schon zu dunkel war, um noch etwas erkennen zu konnen, kam ein riesiger Kerl in einem schmierigen braunen Overall zum Haus, um sich meinen Wagen anzusehen. Mit den Handen in den Taschen stand er da, betrachtete den Wagen, dann sagte er schlie?lich: »Ich geh Ihnen drei?ig Pfund fur den Schrotthaufen.«

»Ich mochte keine drei?ig Pfund haben, ich mochte, dass er wieder fahrt, sonst nichts. Er soll nicht wie neu aussehen, die Beulen kummern mich nicht. Aber wenn Sie was mit den Reifen, den Fenstern und dem Lenkrad machen konnen. Der Drehzahlmesser ist auch nicht wichtig, aber den Tacho brauche ich.«

Er schuttelte den Kopf so heftig hin und her, als hatte er Wasser im Ohr. »Lohnt sich nicht, Kumpel. Ist die Muhe nicht wert. Ein neuer ware besser. Das hier kostet Sie dreihundert Pfund. Mindestens. Und das nur fur die

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