zu Fall und trat ihm in sein spitzes Gesicht, bis ich den Halt verlor, weitersprang und das Madchen zu fassen bekam.

Es war wesentlich schwerer, als ich erwartet hatte. Ich verlor das Gleichgewicht und stolperte gegen die Vorhange, dann fiel ich zu Boden. Dieser Sturz rettete mir wahrscheinlich das Leben, denn der junge Mr. Billings holte mit seinem Stock aus, schlug nach mir und traf die Wand nur wenige Zentimeter uber meinem Kopf.

»Bleib, wo du bist!«, gellte Kezia Masons Stimme durch das Zimmer. Wahrend sie auf mich zukam, wehte ihr wei?es Kleid im Luftzug. Dennis Pickering schlug sich mit seinen Fausten gegen die Brust und schrie: »Gott, warum hast du mich verlassen? Warum nur?«

Kezia Mason zogerte, und im gleichen Moment bekam Pickering ihr Kleid zu fassen, wahrend er blindlings mit den Armen ruderte.

»Lass los, du Tolpel!«, brullte Kezia Mason ihn an. »Was willst du, das ich mit dir mache? Soll ich deine Pumpe zermatschen?«

»Du gottlose Kreatur!« Pickering holte nach ihr aus. Sein Gesicht sah schrecklich aus, grau, ausgezehrt, leere dunkelrote Augenhohlen und blutverschmierte Wangen. Aber er zerrte weiter an ihrem Kleid und robbte ihr auf den Knien nach, wahrend sie versuchte, sich von ihm loszurei?en.

»David!«, rief er. »David, bringen Sie sich in Sicherheit! Und retten Sie das kleine Madchen!«

»Gott steh mir bei, bist du nicht der heilige Martyrer?«, zog Kezia Mason ihn auf. »Jetzt lass mich los, Priester, bevor ich deine Eier losschicke, damit sie nach deinen Augen Ausschau halten!«

»Oh Herr«, schrie Pickering. »Oh Herr, lass das einen Albtraum sein!«

Mit diesen Worten erhob er sich und fiel gegen Kezia Mason, sodass beide den Halt verloren und zu Boden sturzten. Kezias Kleid riss vom Hals bis zum Saum auf, und als sie versuchte, wieder aufzustehen, und dabei Pickering ins Gesicht und gegen die Schultern trat, riss es immer weiter auf. In einem Wutanfall griff sie sich an den Kragen und riss das letzte Stuck Stoff durch, um sich von Pickering zu befreien und aufzuspringen. Der Reverend blieb auf dem Fu?boden liegen, umgeben von der wallenden durchsichtigen Baumwolle, wahrend er auf den Teppich schlug, um festzustellen, wohin sich Kezia zuruckgezogen hatte. Verzweifelt schuttelte er seinen augenlosen, blutuberstromten Kopf.

Kezia Mason strich sich ihr feuriges Haar aus dem Gesicht. Sie trug jetzt nichts weiter als eine au?ergewohnliche Anordnung aus Bandagen, Knoten und bestickten Schals, die kreuz und quer uber ihre Bruste gebunden waren und so stramm ins Fleisch druckten, dass es vollig blutleer schien. Die Bandagen waren so fest um ihren erschreckend dunnen Korper gebunden, dass ihre Rippen hervortraten, wahrend die Binden um ihren Bauch mit Metallstucken und dunklen Haarbuscheln und mit Dingen gespickt waren, die wie getrocknete Pilze aussahen, die aber genauso gut menschliche Ohren hatten sein konnen. Zwischen ihren dunnen wei?en Schenkeln trug sie nur einen gedrehten Schal, der tief ihre flachen Pobacken und ihr Schamhaar in zwei rote Flammenzungen zerteilte.

Sie versetzte Pickering einen weiteren Tritt, dann wandte sie sich wieder mir zu, wahrend ich versuchte, mich mit dem kleinen Madchen in Richtung Tur zu bewegen. Sie war vom Zorn entstellt. Ihre Augen starrten mich wie wahnsinnig an, ihre Mundwinkel waren vor Hass tief nach unten gezogen.

»Du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast, Trottel«, sagte sie verachtlich. »Du spielst mit den Zeiten, mit der Angst und mit deinem eigenen Leben.«

Das kleine Madchen in meinen Armen begann zu zappeln und zu wimmern. Offensichtlich verstand es nicht, dass ich es retten wollte. Fur das Kind war ich nur ein weiterer brullender, larmender Erwachsener, und einen Moment lang dachte ich, es konnte sich aus meinem Griff winden. »Nicht!«, rief ich.

In diesem Augenblick sturzte sich ein hasserfullter Dennis Pickering auf Kezia Mason. »Hexe!«, brullte er sie an. »Ich wei?, was du bist! Eine Hexe! Die Braut des Satans!«

»Narr!«, schrie Kezia zuruck. »Glaubst du, deinesgleichen konnte meinesgleichen einfach so beschimpfen? Du bekommst den Teufelsdaumen, du fetter Priester!«

Mit einer rasend schnellen Bewegung sprang Brown Jenkin uber das Sofa und bewegte sich dann uber den Teppich bis zu Pickering. Er packte ihn an seinem Hemd und riss den Stoff auf, um die haarlose Brust und den rundlichen wei?en Bauch des Reverend freizulegen.

»Oh Gott, beschutze mich!«, schrie Pickering auf.

»Dieu-dieu sauve-mou«, affte Brown Jenkin ihn nach.

»Lass ihn in Ruhe!«, rief ich mit hoher Stimme.

Doch Brown Jenkin offnete lustern und begeistert den Gurtel von Pickerings Hose. Dann holte er ohne Zogern mit seinem rechten Arm aus und bohrte alle funf Klauen so tief in das weiche Fleisch des Unterbauchs, dass Pickering laut schrie: »Nein! Oh Gott, nein!« Er versuchte, Brown Jenkins Hand abzuschutteln, doch der holte erneut aus und schnitt ihm in Wange und Brust, wobei er eine Arterie zerfetzte. Das Blut spritzte durch das ganze Zimmer, ein regelrechter Wolkenbruch aus Blut, der sich uber den Teppich und das Sofa ergoss und gegen die Fenster prasselte. Ich bekam einige Spritzer ins Gesicht, die mich unter anderen Umstanden an einen warmen Sommerregen erinnert hatten.

»Blut und Tranen!«, rief Brown Jenkin. »Je sais qui my Redeemer liveth!«

»Der Teufelsdaumen!«, sagte Kezia Mason triumphierend. »Es wird blutig werden!«

Brown Jenkin erhob sich in eine halb stehende, halb kauernde Haltung. Er legte eine Klauenhand auf Pickerings Schulter, um Halt zu finden, dann zog er die andere Hand nach oben und offnete den Bauch des Vikars mit funf parallelen Schnitten. Pickering schrie weiter, wahrend er den Kopf in unertraglichem Schmerz schuttelte. Brown Jenkin zischte ihn an: »Was ist los, Pfarrer? Pourquoi-pourquoi crie-toi?«

Mit Genuss drehte er seine blutige Klaue und zog die Innereien hervor, die zuvor von der Bauchdecke an ihrem Platz gehalten worden waren. Die Organe glitten mit einem plotzlichen Ruck aus der Bauchhohle. Hei?e, blutige, gelbliche Innereien, ein blutroter Magen, der sich weiter zusammenzog, eine dunkellila Leber und ein ganzer Berg von dampfenden schwammigen Dingen, die ich nicht erkennen konnte. Das Schlimmste war der intensive Geruch von Blut und menschlichen Innereien. Meine Kehle zog sich zusammen, wahrend sich das Madchen plotzlich an mich klammerte.

Mit einem Mal horte Pickering auf zu schreien. Er griff nach unten und tastete seinen Bauch ab, unfahig zu verstehen, was mit ihm geschehen war. Seine Finger umschlossen seine eigenen Eingeweide. Einen schrecklichen Augenblick lang musste ich an diese afrikanischen Medizinmanner denken, die aus den Eingeweiden menschlicher Opfer die Zukunft voraussagten. Dennis Pickering musste in dem gleichen Augenblick seine Zukunft erkannt haben. Eigentlich war er schon tot. Er warf den Kopf nach hinten und stie? einen Schrei der Verzweiflung und Furcht aus, den ich so noch nie in meinem Leben gehort hatte.

»Halt die Klappe, Pfaffe!«, brullte Kezia Mason.

Brown Jenkins schmaler Kopf schoss nach vorne und biss Pickering in den Mund, um den Schrei auf der Stelle zu ersticken. Eine Sekunde lang sah es so aus, als tauschten Dennis und Brown Jenkin einen abscheulichen Kuss aus. Dann aber schuttelte Brown Jenkin seinen Kopf wie wild und riss dem Reverend Lippen, Wangen und einen Gro?teil seiner Zahne und des Zahnfleischs fort. Ich konnte seinen blutverschmierten Kiefer sehen, aus dem noch Zahne herausragten.

Brown Jenkin wollte ihn erneut bei?en, als der junge Mr. Billings rief: »Genug! Um Gottes willen, tote ihn, dann ist es endlich voruber!«

Kezia Mason drehte sich um und sah ihn feindselig an. »Was hast du gegen ein wenig Blut, Mr. Langweiler?«

Dennis Pickering sturzte zur Seite und lag zuckend auf dem Teppich, wahrend sein Kopf zur Halfte von einem der Sessel verdeckt wurde.

»Tote ihn doch, um Gottes willen«, wiederholte der junge Mr. Billings und trat vor. Aber Brown Jenkin wischte sich sein blutverschmiertes Gesicht mit einem verschmutzten Taschentuch ab, ohne etwas zu unternehmen.

In diesem Augenblick beschloss ich, die Flucht zu ergreifen.

Ich wusste, dass sich Kezia in den nachsten Sekunden wieder mir zuwenden wurde. Und wenn das der Fall war, war ein Entkommen fur mich vollig unmoglich.

Ich legte das Madchen so uber meine Schulter, wie Feuerwehrleute das machen, und rannte zur Tur, um nach dem Griff zu fassen, bevor Kezia ihn wieder mit einem Fluch belegen konnte.

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