»Bitte, Daddy«, bettelte Danny und lie? mir keine andere Wahl, als schulterzuckend einzuwilligen.

Ich warf Liz rasch einen prufenden Blick zu, ob ihr Gesicht irgendetwas Bosartiges, Zufriedenes oder Gieriges erkennen lie?, doch sie sah aus wie immer, und fur einen Moment fuhlte ich mich schuldig, dass ich an ihr zweifelte. Nur die Schlussel sprachen einen andere Sprache.

Als Detective Sergeant Miller ankam, sah er ungeduldig und gerotet aus. Am Nachmittag war es fast unertraglich hei? geworden. »Sind Sie so weit?«, fragte er und blickte auf seine Armbanduhr, als hatte ich gerade etwas Impertinentes gesagt.

»Ja. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich wei?, dass das sehr an den Haaren herbeigezogen klingt.«

Er ging um seinen Wagen und offnete die Tur. »An den Haaren herbeigezogen? Das trifft es nicht mal annahernd. Vollig verruckt, das klingt besser. Sie lassen sich von diesem Haus ins Bockshorn jagen. Nachstes Mal rufen Sie mich an und erzahlen mir, Sie hatten Satan personlich gesehen.«

»Das glaube ich nicht«, antwortete ich und versuchte, ganz neutral zu klingen, wahrend er zurucksetzte und um Pickerings Renault herumfuhr.

»Ist der Reverend noch nicht gekommen, um seinen Wagen abzuholen?«

»Er hatte den Schlussel verloren«, antwortete ich. »Er wollte nach Hause gehen und den Ersatzschlussel holen. Aber bislang habe ich ihn nicht wieder gesehen.«

»Sonderbar«, sagte Miller. »Er braucht seinen Wagen fur seine Runde.«

»Vielleicht hat er den Wagen seiner Frau genommen.«

»Der ist in der Werkstatt. Sie hatte letzte Woche einen Unfall auf dem Parkplatz in Ventnor.«

»Wurde jemand verletzt?«

Miller schuttelte den Kopf. »Mrs. Pickering selbst ware beinahe verletzt worden. Sie hat einen Einkaufswagen gerammt und die Einkaufe fur eine ganze Woche platt gefahren.«

Ich drehte mich um, wahrend wir Fortyfoot House hinter uns lie?en. Liz und Danny standen auf der Veranda und winkten uns nach. Aber da winkte noch jemand. Hinter einem Fenster der Schlafraume oben unter dem Dach glaubte ich, Charity zu sehen. Ihr Gesicht hatte den Ausdruck von Angst und Verzweiflung. Und sie winkte nicht zum, Abschied, sondern um. Hilfe! Um Himmels willen!

»Halten Sie an!«, rief ich.

»Was?«, fragte Miller, der gerade auf die Stra?e gefahren war.

»Halten Sie bitte an! Ein Stuck zuruck ... das reicht. Ich muss etwas sehen.«

Ungeduldig tat Miller, worum ich ihn bat. Ich starrte zu dem Fenster, an dem ich Charity gesehen hatte, aber jetzt war von ihr nichts mehr zu sehen.

»Schon gut«, sagte ich schlie?lich. »Vielleicht haben Sie Recht, vielleicht lasse ich mich von dem Haus wirklich ins Bockshorn jagen.«

»Es wurde mich nicht uberraschen«, meinte Miller und fuhr erneut los.

»Wie horte sich Mrs. Pickering an, als sie bei Ihnen anrief?«, fragte ich.

»Ich glaube, sie klang ganz normal. Um ehrlich zu sein, habe ich darauf nicht wirklich geachtet.«

»Hat sie Ihnen gesagt, was ihr Mann die ganze Nacht getrieben hat?«

Miller bremste ab, da die Hauptstra?e unseren Weg kreuzte. »Wenn ein Ehemann die ganze Nacht uber nicht zu Hause ist - und vor allem, wenn es ein Vikar ist -, dann stellen wir nicht so viele unangenehme Fragen. Ist nicht unser Job.«

Nachdem er auf die Hauptstra?e eingebogen war, sagte er: »Ihnen ist doch klar, dass wir uns vollkommen zum Narren machen konnen.«

»Ich glaube das nicht«, erwiderte ich. »Ich versuche, mir einzureden, dass Pickering nicht wie Brown Jenkin aussah, aber es war einfach so. Nur fur den Bruchteil einer Sekunde. Die Zahne, die Haare, alles. Kein Zweifel.«

Miller trat mit aller Kraft auf die Bremse und lenkte den Wagen an den Stra?enrand. Der Lastwagen hinter ihm hupte wie wild, wahrend Miller sein Fenster herunterkurbelte und schrie: »Du mich auch!«

Dann wandte er sich wieder mir zu. »Sie glauben wirklich, dass es nicht Reverend Pickering war?«

Ich nickte, wahrend mein Mund trocken wurde. Vielleicht hatte ich Miller doch nicht so sehr auf meiner Seite, wie ich gedacht hatte. »Wie gesagt, es war nur fur den Bruchteil einer Sekunde. Wenn ich in dem Moment gezwinkert hatte, ware es schon wieder voruber gewesen.«

»Und wenn er die Tur offnet und vollig normal ist?«

»Keine Ahnung. Wir sollten einfach nachsehen, ob Mrs. Pickering in Ordnung ist.«

Miller uberlegte einen Moment lang, dann lie? er den Wagen wieder an und fadelte sich ohne zu blinken in den flie?enden Verkehr ein, was erneut zu einem Hupkonzert und wusten Beschimpfungen fuhrte.

Wir erreichten das Vikariat, und Miller fuhr in die Einfahrt. Dort stand nur ein altes in Schwarz lackiertes Fahrrad, das gegen die Veranda gelehnt war. Die Katze der Pickerings hatte es sich auf dem Sattel bequem gemacht und beobachtete uns aus den Augenwinkeln, wahrend wir zur Tur gingen und klingelten. Niemand reagierte, also klingelte ich nochmals. Ich konnte das Echo der Klingel im Flur horen.

»Sie konnte jetzt naturlich einkaufen«, sagte Miller. »Und der Reverend kann uberall sein. Er macht Krankenhausbesuche, sieht nach den alten Leuten und so weiter.«

Ich dachte, dass ich als alter Mensch ganz bestimmt nicht von Brown Jenkin besucht werden wollte. Miller beugte sich vor und offnete die Briefklappe, spahte hindurch in den Flur und rief: »Hallo? Mrs. Pickering? Jemand zu Hause?«

Wieder keine Antwort. Miller sah weiter durch den Schlitz, dann richtete er sich auf, um aus seiner Jackentasche ein kleines schwarzes Ledermappchen zu holen. Er offnete es, und zum Vorschein kam ein Dietrich. »Das isl nicht immer so einfach, wie es im Fernsehen aussieht«, sagte er. »Vielleicht mussen wir die Tur doch noch eintreten.«

»Wieso?«, fragte ich. »Es ist doch niemand zu Hause.«

»Das wei? ich noch nicht«, erwiderte er duster. »Sehen Sie mal durch den Briefschlitz, und dann sagen Sie mir, was Sie da sehen. Auf der linken Seite, in der Nahe der offenen Tur. Auf dem Boden/«

Ich versuchte, etwas zu erkennen. Der polierte Parkettboden schien mit einem Muster uberzogen zu sein, oder vielleicht hatte jemand eine dunkle glanzende Farbe fallen lassen. Ich konnte es nicht erkennen, also richtete ich mich wieder auf und zuckte mit dem Schultern. »Nein?«, fragte Miller. »Sie wissen nicht, was das ist? Vielleicht haben Sie in letzter Zeit noch nicht genug davon gesehen. Es ist Blut.«

»Oh Jesus«, sagte ich leise.

»Genau. Oh Jesus. Und Sie, mein Freund, werden so einiges erklaren mussen. Zum Beispiel, wie es kommt, dass Sie ein so unglaubliches Talent besitzen, die Leichen gerade erst verstorbener Menschen zu entdecken. Das entwickelt sich allmahlich zu einer Poirot-Geschichte. Oh Schei?e, dieses Schloss ist ja fast Houdini-sicher.«

Nach einigen weiteren Versuchen vernahmen wir aber dann doch noch ein erfreuliches Klicken, und dann ging die Tur auf. Sofort roch ich einen sonderbaren, markanten Geruch, eine Mischung aus etwas Su?em und Zerfall. Es war ein Haus, in dem sich etwas Totes befand.

»Sie konnen hier warten, wenn Sie wollen«, schlug Miller vor, ohne mich anzusehen. »Allerdings nur, wenn Sie mir versprechen, dass Sie nicht abhauen.«

»Nein, ich komme mit Ihnen. Ich will sehen, was hier passiert ist. Ich muss es sehen.«

Wir gingen langsam durch den Flur und naherten uns der Stelle, die ich fur einen Schatten oder einen Schal auf dem Boden gehalten hatte. Jetzt bestand kein Zweifel mehr daran, dass es sich um Blut handelte. Eine gro?e dunkelrote Pfutze, auf der sich bereits Fliegen tummelten.

»Hier ist jemand abgeschlachtet worden, und das sehr grundlich«, sagte Miller mit tonloser Stimme. Er ging wie eine Ballerina auf Zehenspitzen in den Salon, um nicht in die Blutlache zu treten. Dann stand er lange Zeit einfach nur da und war so stumm, dass ich mich ernsthaft zu fragen begann, ob er vergessen habe, wo er sich befand, oder ob er moglicherweise im Stehen eingeschlafen sei.

»Sergeant?«, fragte ich.

Miller erwachte aus seiner Trance, hob die linke Hand und machte eine fast nicht wahrnehmbare Geste. »Sie kommen besser her und sehen sich das an«, sagte er. »Immerhin konnten Sie das veranstaltet haben. Ich

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