eine Welt, die beinahe im allerletzten Augenblick in den Weltraum hinausdrangte. Der uralte Einstein hatte dargelegt, da? niemand die Lichtgeschwindigkeit uberschreiten konne; seine Physik galt sogar heute noch, verfeinert und bis zum Au?ersten ausgearbeitet. Aber es gab Wege, Einsteins Physik zu umgehen, indem man sich aus dem vierdimensionalen Universum hinausversetzte, wo sie galten.

Die Menschenwesen versto?en mit gro?er Begeisterung gegen Gesetze, selbst gegen die der Natur.

Und sie verstie?en gegen Einsteins Gesetz — umgingen es zumindest —, so da? Objekte langsamer in Bewegung sein konnten als Licht und trotzdem mit mehrtausendfacher Lichtgeschwindigkeit voranzukommen vermochten. Die Ausdehnung im Weltraum ging sehr schnell vor sich. In der Nahe gab es keinerlei erdahnliche Planeten, aber innerhalb von funf Jahren hatten Erkundungsschiffe in Richtung Galaxiskern mehrere entdeckt, die man mit Hilfe einfallsreicher Planetargestaltung bewohnbar machen konnte. Die Rohstoffe dazu kamen von Raumschutt und Asteroiden.

Die Menschen nahmen ihre Ideologien mit; Utopier und Dystopier versuchten, ihr uberlegenes System auf Welten vorzufuhren, wo es keinen verderblichen Wettbewerb gab. Kloning, genetische Manipulation in planetarischem Ma?stab, gesellschaftliche Eingriffe noch gro?erer Art, all das schuf eine Reihe von Welten — bald nach Hunderten zahlend —, wo die Utopier vorherrschten. Jede war uberzeugt davon, das ideale System gefunden zu haben, jede entschlossen, der ganzen Rasse zur Perfektion zu verhelfen.

Die Erde konnte die Kontrolle nicht aufrechterhalten. Ausgelaugt, zum Uberleben nur fahig in der Abhangigkeit von den Kolonien, behielt sie ihre Macht allein durch militarische Oberherrschaft. Die neuen Kolonien entwickelten jedoch eigene Industrien mit eigenen Rohstoffen und schufen insgeheim ihre eigenen Militarmaschinerien mit dem ausgebildeten Personal dazu. Letzten Endes war es leicht. Die meisten Kolonien begruben ihre ideologischen Streitaxte, um koloniale Freiheit zu erlangen, und taten sich zusammen, um zunachst die Streitkrafte der Erde und dann die Erde selbst anzugreifen. Das Ausma? der Schaden — ganze Welten zerstrahlt — entsetzte sogar die hartesten Parteifuhrer, aber es hatte den Anschein, da? sie im Sieg dazu verurteilt waren, untereinander Krieg zu fuhren.

Als Fanatiker sich eben dazu anschickten, drangen jedoch klugere Kopfe durch, und der Kom-Bund — der Rat der Welt-Kommune — wurde gegrundet. Die gro?en Waffen wurden in die Waffenkammer verbannt, der Rat allein kontrollierte und bewachte sie, und jede Technologie, die diese Kontrolle gefahrden mochte, wurde von allen Patentregister-Computeranlagen automatisch an die selbsttatigen Fabriken der Waffenkammer gemeldet oder zerstort. Jeder Planet konnte sein eigenes Gesellschaftssystem errichten, da besa? der Rat keine Macht, aber kein Planet konnte sich mit Gewalt auf andere Planeten ausdehnen.

Im Verlauf der interstellaren Forschungsfluge stie? man auf einen Mikroorganismus, der mit einigen sonst harmlosen, synthetischen Nahrungsmitteln zusammenwirkte, um im Gehirn eine grauenhafte Mutation hervorzurufen; die Denkfahigkeit eines Menschen verminderte sich langsam, bis er zu einer hirnlosen Pflanze wurde, die sich nicht einmal selbst zu ernahren vermochte. Das einzige bekannte Gegenmittel war eine schwammartige Lebensform vom Heimatplaneten des Mikroorganismus. Es enthielt ein hemmendes Mittel, das die besten Computer und besten Medizinergehirne nicht hatten nachschaffen konnen.

Die Welt wurde naturlich gesperrt und von automatischen Posten bewacht, so da? niemand hingelangen konnte. Alle Kulturen des Mikroorganismus wurden vernichtet, und man glaubte, das Problem gelost zu haben. Vom Organismus und dem Schwamm aus der Zeit der fruhen Forschungen fiel jedoch etwas in die Hande der Unterwelt-Elite auf einer Reihe von Kom-Welten, und diese benutzten das Material sofort dazu, um die Ziele ihrer interplanetarischen Organisation zu fordern. Das Syndikat machte fuhrende Personlichkeiten suchtig und besa? allein das Mittel zur Verzogerung des Verfalls, so da? es immer mehr Kom-Welten beherrschte.

Auf der von genetischer Manipulation beherrschten Kommunalwelt New Harmony hatte der Fuhrer des Syndikats gelebt, ein Mann namens Antor Trelig — der perfekte Eroberer, ein Mann mit hohem Intellekt und korperlich in idealer Verfassung, aber vollig ohne Moral, Skrupel oder andere ungunstige Hemmnisse. Mit der Zeit hatten er und sein Verbrechersyndikat eine Welt nach der anderen unter ihre Kontrolle gebracht, mit dem Ziel, zuletzt eine Mehrheit des Rates zu beherrschen. Von seinem luxuriosen und wohlbewachten Planetoiden Neu Pompeii aus war der selbsternannte Kaiser eines neuen Romischen Reiches bestrebt gewesen, buchstablich alles unter seine Kontrolle zu bringen.

Davon war, wie Tortoi Kai feststellte, in den Geschichtsbuchern nichts zu finden. Die Kriege, die Waffenkammer, ja — aber der Schwamm wurde nur als fremde Amok-Seuche erwahnt, deren Heilung vor ungefahr siebenhundertfunfzig Jahren ermoglicht worden war; ein billiges und leicht zu verteilendes Heilmittel hatte dem Schwamm den Weg von Pocken, Kinderlahmung, Krebs und anderen damaligen Krankheiten gewiesen.

Kai vertiefte sich immer mehr in die Unterlagen. Trelig hatte, wie sie entdeckte, die Forschungsarbeit eines unbekannten Wissenschaftlers namens Gilgram Zinder bemerkt. Dieser Dr. Zinder hatte auf irgendeine Weise eine ungeheure Entdeckung gemacht, eine von solcher Macht, da? Trelig glaubte, damit binnen Monaten die absolute Herrschaft uber den Rat erringen zu konnen. Er entfuhrte Zinders junge Tochter Nikki und erpre?te Zinder, seine Arbeit bei einem Institut aufzugeben und nach Neu Pompeii zu gehen, um dort seine Forschungen fortzusetzen. Einige widerspenstige Ratsmitglieder waren zu einer Vorfuhrung eingeladen worden; ganz wenige waren selbst gekommen, andere hatten Vertreter oder Beobachter geschickt. Drei Tage danach waren nicht nur sie, sondern auch Trelig mitsamt dem ganzen Planetoiden verschwunden. Niemand kehrte je wieder zuruck.

Tortoi Kai setzte das aus Tausenden von Einzelheiten zusammen. Das Experiment, die gro?e Vorfuhrung, war also auf irgendeine Weise mi?gluckt — aber wie? Und warum? Und was hatte die Vorfuhrung zeigen sollen?

Sie verlangte vom Computer eine laienhafte Darstellung der Theorien Dr. Zinders.

Zinder hatte, so teilte der Computer mit, bei keinem der naturwissenschaftlichen Gesetze an das Absolute geglaubt. Alle Materie, alle Energie sei nach seiner Ansicht ein unnaturlicher Zustand, durch eine Reihe mathematischer Gleichungen am Dasein erhalten. Der Naturzustand des Universums sei etwas Ruhendes, ein konstanter und gleichma?ig verteilter ›Ather‹ oder einzelner Typ von Energie. Die Materie und Energie, die wir kennen, waren hervorgerufen von der Verwandlung dieser einen Urenergie in die Formen, die den uns bekannten Gesetzen gehorchen.

Da? das Universum Grenzen besitze, galt in der Physik als anerkannt; es sei aus der ungeheuren Explosion eines ›wei?en Lochs‹ entstanden, das sich aus keinem bekannten Grund von einem Alternativ-Universum in das unsere geoffnet hatte. Zinder glaubte, da? die durch dieses wei?e Loch spruhende Materie und Energie auf irgendeine Weise die Urenergie des Ruhezustands, den Ather unseres eigenen Universums, verwandelt und den Keim fur das All, wie wir es kennen, geschaffen hatte. Im allgemeinen stimmte Zinders Theorie mit denen seiner meisten Kollegen uberein, abgesehen von der Natur des Athers, der Urenergie, fur die es keinen Nachweis gab. Starke Teleskope, die uber den Rand des Universums hinausblicken konnten, hatten buchstablich nichts registriert. Au?erdem, so argumentierten die Wissenschaftler, mu?ten wir, wenn dieses Universum von Natur her im Ruhezustand sei, wie Zinder behauptete, jetzt, fast funfzehn Milliarden Jahre danach, Anzeichen fur die Ruckkehr zum Ruhezustand wahrnehmen. Unser Universum sei nichts gewesen, eine Leere, bis sich das wei?e Loch geoffnet habe.

Seltsamerweise gab Zinder zu, da? es Anzeichen fur eine Ruckkehr zum Ruhezustand geben mu?te; die Tatsache, da? man keine feststellen konnte, uberzeugte ihn nicht davon, im Irrtum zu sein. Materie und Energie, einmal erschaffen, seien laut Zinder durch die Auferlegung von Naturgesetzen von au?erhalb auf irgendeine Weise eingefroren worden. Diese Gesetze seien auferlegt und durchgesetzt worden und hatten unser Universum daran gehindert, das Eindringen des wei?en Lochs, wie es sonst moglich gewesen ware, ›wegzudrangen‹. Welche Kraft konne die unterstellten Gesetze auferlegen und erzwingen? hatten seine Kritiker spottisch gefragt. Ob er meine, da? es einen allmachtigen Gott gabe, der den Durchbruch hervorgerufen und solche Gesetze aufgestellt hatte? Metaphysik! hohnten sie.

In der Tat glaubte Zinder an einen solchen Gott und hielt sich fur fahig, derjenige zu werden, der die Existenz eines solchen Wesens wissenschaftlich beweisen mochte. Von Zeit zu Zeit mu?ten andere wei?e Locher durchgebrochen sein; es gab physische Beweise dafur, da? das noch der Fall war. Sie wurden zum Abklingen gebracht. Weshalb nicht der Urknall der Schopfung?

Obschon ein hochbegabter Wissenschaftler, war Zinder auch ein praktischer Mensch. Wenn die Wissenschaft ihm das Weitermachen nicht erlauben wollte, vielleicht wurde es die Metaphysik tun. Finanziert von einer religiosen Stiftung, die er personlich widerlich fand, hatte er sein Labor auf Makiva errichtet und einen auf

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