»Da haben wir’s!«schrie Billie.

* * *

Die Unterlagen waren eindeutig. Dreizehn Jahre nach dem Verschwinden tauchten Zinders Computer und der Planetoid, in den er eingebaut worden war, an ihren damaligen Koordinaten wieder auf. Die Kom-Polizei erhielt einen Hilferuf von einer Fahrrakete, und alles, was man erfuhr, ging sofort uber den Schreibtisch der damaligen Prasidentin Alaina. Ein Blick, und sie war sofort dorthin geeilt.

Das Schiff hatte drei fremde Wesen von unbekanntem Typ und elf unfa?bar schone Frauen enthalten. Abgesehen von Haar- und Augenfarbe sahen alle Frauen genau gleich aus. Aber neun von ihnen besa?en gro?e, anmutige Pferdeschweife.

»Die Olympierinnen!«rief Tortoi Kai.

Von den fremden Wesen war eines ein blauhautiges, auf dessen menschlichem Rumpf ein gehornter Teufelskopf sa?, ersterer ruhend auf Ziegenbockbeinen; das zweite Wesen glich zwei Spiegeleiern, die umherglitten und aus den orangeroten Sacken auf dem Leib Scheinfu?chen nach Wunsch hervorbrachten. Das dritte, nur undeutlich wahrnehmbar, schien ein Energiewesen von bla?lichem Rot zu sein. Es glich einer Kutte, in der man niemanden erkennen konnte.

Und Prasidentin Alaina erhielt Antworten. Bei der Vorfuhrung legte Zinder im letzten Augenblick Trelig herein, indem er ein nach seinen Theorien entwickeltes Feld zuschaltete, das Neu Pompeii aus der Wirklichkeit ri?. Unerwartet wurde der Planetoid jedoch wie ein Magnet angezogen, um einen fremden Planeten — die Schacht- Welt — zu umrunden. Diese Welt bestand aus sechseckigen Biospharen, von denen jede ihre eigene, vorherrschende Lebensform enthielt. Der Computer dieser Welt verwandelte jeden, der auf ihre Oberflache gelangte, in eines der vorherrschenden Wesen — wie es nach seinen Angaben dem blauen Satyr geschehen war, zusammen mit Trelig, Treligs Assistenten Ben Yulin, den Zinders (Vater und Tochter) und Mavra Tschang, die Alainas personliche Vertreterin gewesen war. Nach Jahren, in denen sie auf der Oberflache der Schacht-Welt festgesessen hatten, waren Tschang und der blaue Satyr Renard, Ben Yulin, Nikki Zinder und einige andere nach Neu Pompeii zuruckgelangt, wo Yulin das Kommando uber den Computer ubernahm. Yulin formte danach die meisten Leute auf Neu Pompeii in, wie er meinte, schone Liebessklaven um. Auf Kosten von Tschangs Leben gelang es Tschangs Gruppe, Yulin zu toten und seinen Einflu? auf die verwandelten Frauen zu brechen, um anschlie?end zur Weltengemeinschaft zu fluchten. Das Heilmittel gegen den Schwamm war ein letztes Vermachtnis von Zinders Computer gewesen.

»Zinder hatte also von Anfang an recht«, stie? Billie hervor. »Es gab irgendwo eine Singularitat, erbaut von den Markoviern, die sich an die Regeln hielt! Die Schacht-Welt! Ein Laboratorium fur die Gotter!«

Tortoi Kai nickte ernsthaft.

»Er hatte vollig recht. Alles deutete darauf hin, da? die drei fremden Wesen ein Raumschiff stahlen, davonflogen und spurlos verschwanden — das Schiff wurde spater geborgen. Auf irgendeine Weise waren sie auf ihre Heimatwelt zuruckgekehrt. Die anderen grundeten mit Alainas Hilfe Olympus. Elf Superfrauen. Unfa?bar!«Sie uberlegte. »Elf Superfrauen? Wie haben sie sich fortgepflanzt — durch Kloning?«

»Oder Yulin hat sie befruchtet, und einige brachten mannliche Wesen zur Welt«, meinte Billie achselzuckend. »Kein Wunder, da? sie ihre Grunderinnen die Ersten Mutter nennen!«

»Das erklart auch ihre sonderbare Religion, wenigstens zum Teil«, betonte Kai. »Sie haben einen Teil der Wahrheit — aber so, wie ihn Jahrhunderte der Isolierung des Erzahlens und Wiedererzahlens verzerren mussen. Jedenfalls alles bis auf die Sache mit Nathan Brazil, die ganz gewi? eine spatere Zutat ist.«

Der Vorgesetzte nickte.

»Ja, wenn Zinders Auffassung als richtig bewiesen wurde, und die Olympierinnen scheinen dafur lebendiger Beweis zu sein, konnte man einen Gott leicht akzeptieren — sie suchten einfach nach einem und fanden ihn. Wenn wir Nathan Brazil in die Computer eingeben, werden wir den Zusammenhang bestimmt finden.«Er verstummte plotzlich und starrte Kai an. Sie runzelte die Stirn. »Was ist? Das ist der Beweis dafur, da? Zinder recht hatte! Ich glaube, das bedeutet das Ende der Bedrohung durch die Dreel.«

Sie nickte dumpf.

»Ja, gewi?. Aber was dann. Diese Art von Macht — vor aller Augen, in den Handen des Kom-Bundes. Was entfesseln wir in uns, nachdem die Dreel besiegt sind? Denken Sie daran — die Kom- Polizei hat Neu Pompeii und seinen Computer vernichtet, und alle Unterlagen wurden sorgfaltig versteckt. Damals hatte man Angst vor solcher Macht. Haben sie keine? Nach den Aufzeichnungen uber Neu Pompeii konstruierte Zinder ein schusselformiges Gerat, um einen ganzen Planeten binnen Sekunden umzuwandeln — genau nach Wunsch! Erschreckt Sie das nicht?«

Er nickte.

»Doch, aber die Dreel auch. Nachher… nun, Sie und ich werden die Geschichte davon schreiben und beobachten, wie der nachste Akt verlauft, wie immer. Es ist zu spat, unsere Wiederentdeckung zu vergessen. Gilgrams Vermachtnis ist im Guten wie im Schlechten wieder da. Es ist real, es ist hier, und es wird nicht wieder begraben werden.«

Laboratorien der Kom-Polizei, Suba

»Achtung!«

Die Techniker liefen zu den Abschirmungen. Zu den Worten des Aufsehers ertonten Summgerausche, und besorgte Uberwachungsbeamte vergewisserten sich, da? alle aus der Gefahrenzone verschwunden waren.

Sie beobachteten die Experimentierkammer uber gro?e Bildschirme. Sie hatten es mit etwas zu tun, das sie nicht im mindesten verstanden, und gedachten, kein Risiko einzugehen. Die Abschirmung im Raum reichte aus, um eine thermonukleare Explosion nicht hinausdringen zu lassen; die Kommandozentrale verfugte sogar uber eigene, stark abgeschirmte, unabhangige Lebenssysteme. Selbst wenn der Rest des Planetoiden zerstort wurde, mochten sie uberleben.

Im Inneren der Kammer befand sich eine gro?e, gering konkave Metallscheibe, aus deren Mittelpunkt eine kleine Stange ragte. Die Scheibe zielte auf eine zweite, die keinen Vorsprung aufwies, aber in der Mitte etwas abgeflacht war. Genau in der Mitte der unteren Scheibe stand ein Plastikbecher, der genau vier Zehntel Liter destilliertes Wasser enthielt. Das war alles.

Die Manner im Kommandozentrum verfielen in krampfahnliche Starre, als die Techniker sich uber ihre Konsolen beugten.

»Energiezufuhr!«befahl der Projektleiter. »Achtung — los!«

Eine Taste wurde gedruckt. Im Inneren der Versuchskammer schimmerte die obere Scheibe ein wenig und warf sonderbar violettes Licht auf die untere Scheibe mit dem Becher. Nun wurde man erfahren, ob dieser Versuch im Gegensatz zu den Tausenden vorher gelingen wurde. Bisher hatten sie das Wasser nicht einmal zum Kochen bringen konnen.

Einmal begriffen, lie? das Problem sich einfach darstellen. Um zu leisten, was laut Zinder erreicht werden konnte, erreicht worden war, mu?te ein Computer einen Stoff nicht nur analysieren, sondern auch seine grundlegenden mathematischen Beziehungen herausfinden, Zinders Formel anwenden, um sie mit seinem gro?eren Universum in Einklang zu bringen, und genau jene Folge von Gleichungen isolieren, die den bewu?ten Stoff vollkommen beschreiben — in diesem Fall Wasser, und zwar nicht Wasser allgemein, sondern eine ganz bestimmte Art von Wasser. Man hatte es nicht nur mit den Grundlagen von Chemie und Physik zu tun, sondern auch mit der Zeit. Sobald man das Signal mit Ruckkopplung ausstattete, sollte der Stoff au?er in der Erinnerung des Computers einfach aufhoren zu existieren. Fuhrte man das Signal dem Zinder- Energiestrom wieder zu, sollte der Stoff wiederhergestellt werden. Oder man konnte die Gleichung umschreiben und etwa H2O2 hervorbringen — mit ein wenig Einfallskraft und einem ausreichend verfeinerten Computer waren die alten Traume der Alchimisten zu verwirklichen.

Und so waren bald alle verfugbaren Computer des Kom-Gebietes zu einem Netz zusammengeschlossen, das einem gemeinsamen Ziel entgegenstrebte. Und als Zinders violetter Strahl herabzuckte, wurde der Becherinhalt

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