vollig neuen, von ihm selbst entwickelten Prinzipien beruhenden, selbsttatigen Riesencomputer gebaut, mit dem einzigen Ziel, die Urenergie ausfindig zu machen, zu entdecken, warum man sie nicht sehen oder messen konnte, und wenn moglich, hinter die aufgestellten Gleichungen fur jene Dinge zu kommen, die wir als wirklich betrachten — sie zu erkennen und letztlich umzuschreiben.

Tortoi Kai brauchte keine Naturwissenschaftlerin zu sein, um die Konsequenzen zu begreifen. Angenommen, einmal nur angenommen, da? Zinder recht gehabt hatte? Wenn ein Ding bis zum nten Grad analysiert werden konnte, so da? es sich als Ganzes auf die Mathematik seines Daseins zuruckfuhren lie?, und wenn dann genug Kraft angewendet wurde, um diese Mathematik auch nur ganz gering zu verandern…

Man ware selbst ein Gott. Man wurde nach Wunsch hervorbringen konnen, was und wen man brauchte. Mit der Verwandlung jeder Art von Materie und Energie in beliebig anderes konnte man alles, was man wollte, haben und brauchte es nur zu verlangen. Alles.

Kai erinnerte sich plotzlich an die Markovier. Eine uber die ganze Galaxis verbreitete Rasse von Wesen, vor so langer Zeit entstanden, da? sie die erste Intelligenz gewesen sein mu?ten, die sich nach der Schopfungsexplosion entwickelt hatte. Sie hatten peinvolle Formationen auf seit Milliarden Jahren toten Welten hinterlassen, dagegen keinerlei kleinere, kunstlich hergestellte Gegenstande. Und unter jedem ihrer Planeten befand sich eine kunstliche Schicht, bis zu zwei Kilometer dick, ein ratselhafter, quasi organischer Computer, Zweck unbekannt.

Wenn Zinder recht hatte, dann mochten die Markovier keinerlei kunstlich hergestellte Gegenstande gebraucht haben — ihre Nahrung, ihre Kunst, ihre Einrichtung, alles, was sie wollten, brauchten sie sich nur zu wunschen. Vielleicht gab ihnen der Computer alles, was sie begehrten.

Die Unterlagen deuteten an, da? Zinder das fur die Losung des markovischen Ratsels hielt. Er hatte sogar behauptet, unsere eigenen Welten waren von einer den Markoviern zuzuschreibenden Singularitat erzeugt worden, einer Singularitat von vollig anderer Form als jener im Inneren schwarzer und wei?er Locher. Der Ort, wo die Regeln aufgestellt — und durchgesetzt wurden. Eine sekundare Singularitat als Nachahmung der gro?eren, welche die Markovier am Dasein erhielt.

Aber die Markovier waren langst tot. Zinder glaubte, sie waren so weit gelangt, da? sie in dem Gott aufgingen, der ihr eigenes Universum geschaffen habe. Sie waren selbst Gotter geworden und seien aufgefahren, um sich ihrem Vater zuzugesellen.

Richtig oder nicht, Zinders Theorien erklarten vieles. Auf jeden Fall hatte Antor Trelig, der Mochtegern- Herrscher uber die Galaxis, Zinder geglaubt.

Aber irgend etwas war danebengegangen.

Binnen Stunden nach Tortoi Kais Entdeckungen befa?ten sich die Wissenschaftlerteams mit dem Problem. Obwohl sie Zinders metaphysischen Theorien au?erordentlich skeptisch gegenuberstanden, bewunderten sie doch seine Beherrschung exotischer, esoterischer Wissenschaften, sein offenkundiges Genie, und sie erkannten wie Kai, da? Trelig geglaubt hatte, es werde funktionieren. Jemand hoch oben war demnach uberzeugt gewesen, da? es funktioniert hatte, weshalb Zinders leider unvollstandige Aufzeichnungen — ja, sogar die Tatsache, da? es ihn gegeben hatte — im Geheimbereich hatten verschwinden mussen.

Die von Tortoi Kai aufmerksam gemachten Wissenschaftler besa?en Zinders Theorien und seine Mathematik, aber nicht seinen Computer — dessen Grundlagen er auf irgendeine Weise vor allen hatte geheimhalten konnen — und nicht die Ergebnisse irgendeines seiner Experimente.

Tortoi Kai gab sich nicht zufrieden. Trotz der Lobesspruche, mit denen man sie uberhaufte, ging sie mit ihren Sorgen zu ihrem Vorgesetzten Warn Billie, einem freundlichen, erkahlenden, alten Herrn, der aufmerksam zuhorte.

»Mir gefallt das Ausma? nicht, in dem diese Informationen begraben waren, Billie. Das ist viel zu uberlegt geschehen, von jemand, der genau wu?te, wie man selbst Ermittler mit guten Computern tauscht.«

»Aber ein Mann wie Trelig hatte sich diese Muhe doch ganz naturlicherweise gemacht«, wandte Billie ein.

»Nein, nicht Trelig«, erwiderte sie. »Nach allem, was ich erkennen kann, war er so fanatisch, da? es, hatte er die Hand im Spiel, keine einzige Informationsspur in den Archiven gabe. Nein, jemand anderer, jemand von hohem Einflu?, wollte, da? die Aufzeichnungen aufbewahrt werden. Sie erschienen ihm wichtig genug, aber auch so gefahrlich, da? er die Information derart tief vergrub, da? die meisten Leute niemals darauf gesto?en waren. Der Computer weigert sich, es mit dem ubrigen in Verbindung zu bringen. Um auf die Informationen zu kommen, mu? man genau die richtigen Fragen stellen. Ich habe an eine Kom-Polizei-Verbindung gedacht und die Archive fur zehn Jahre danach mit allen vorhandenen Namen durchsucht, aber nichts gefunden.«

»Und mehr als zehn Jahre?«meinte Billie zogernd.

»Was fur einen Zweck sollte das haben?«

»Versuchen wir es doch«, schlug ihr Vorgesetzter vor. »Nach Ihren Ergebnissen ist deutlich erkennbar, da? man unklaren Dingen nachspuren mu?. Aber wie kann es die geben? Wir haben alles, was eingetragen wurde — aber nur bis hin zum Experiment! Also mu? danach etwas geschehen sein. Warum eine offentlich bekannte Theorie und ein nachweisbar todliches Scheitern uberhaupt vertuschen? Warum, au?er das Experiment ist eben nicht gescheitert!«

»Aber… das ist unmoglich!«stie? Kai hervor. »Wir wissen —«

»Nur die Halfte«, erganzte er. »Also, gehen wir an die Konsole und stellen wir fest, welche Faktoren wir fur die Datenkorrelation verwenden konnten.«Billie ging in sein Buro und setzte sich vor den Konsolen-Bildschirm. Kai blieb neben ihm stehen.

»Also«, sagte er. »Freie Assoziation.«

»Antor Trelig… Schwamm… New Prompeii… New Harmony… Gil Zinder… Nikki Zinder…«Sie ratterten eines der Schlusselworte nach dem anderen herunter, und sie erschienen der Reihe nach auf dem Bildschirm. Dann nannte Billie die Namen aller Ratsmitglieder und ihrer Vertreter, die zu Treligs Vorfuhrung eingeladen worden waren. Er bat um Korrelation mit spateren Prasidiumsposten und anderen Stellungen.

Die Korrelationen nahmen nur Sekunden in Anspruch, aber der Ausdruck lief noch nach Minuten aus der Konsole. Bis zum fruhen Morgen des nachsten Tages hatten sie nach einer schlaflosen Nacht einige interessante Ratsel und ein paar neue Spuren gefunden.

»Da — dieses Ratsmitglied Alaina«, sagte er zu ihr. »Sie war, als Trelig seine Vorfuhrung gab, Ministerin fur die Kom-Polizei im Prasidium. Sie schickte nur ihre Assistentin. Ein Gluck fur sie — spater wurde sie Ratsprasidentin! Und hier?«Sein Blick glitt uber elf Meter Gedrucktes. »Da! Sie war es, die der Welt etwa dreizehn Jahre spater das Heilmittel gegen den Schwamm bekanntmachte. Heilung der Schwamm-Sucht! Das Syndikat zerschlagen. Und Trelig, mit dem sie dreizehn Jahre vorher zu tun hatte, war Chef des Schwamm-Syndikats — wie sie in ihrer Stellung wissen mu?te. Und welche beiden Posten waren besser dafur geeignet, etwas zu vertuschen?«

Tortoi Kai stand schon an der Konsole und lie? sich Antwort auf die Frage nach der Forschung zu der Droge ›Schwamm‹ geben.

In den dreizehn Jahren zwischen Antor Treligs Verschwinden und Prasidentin Alainas Bekanntgabe des Schwamm-Durchbruchs hatte es keinerlei Forschung auf diesem Gebiet gegeben.

»Wo ist das Heilmittel entwickelt worden?«fragte Kai den Computer.

UNBEKANNT, erwiderte die Maschine.

»Wer hat es entwickelt?«

COMPUTER.

»Wessen Computer?«

ZINDERS COMPUTER.

»In welchem Jahr?«

UNBEKANNT.

»In welchem Jahr hat der Computer es Ratsmitglied Alaina gegeben?«

1250.

Sie horte, wie Billie hinter ihr tief einatmete. So war das also. Gil Zinders Computer hatte der machtigen Frau das Heilmittel etwa dreizehn Jahre nach dem Datum gegeben, zu dem der Computer angeblich zerstort worden war.

»Wo befindet sich Zinders Computer heute?«fragte Kai.

ZERSTORT DURCH AKTION KOM-POLIZEI 1250, SIEHE KOM-POLIZEI-UNTERLAGEN FUR 2.9.1250.

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