Licht wurde ausgeloscht —
Alle Wissenschaftler innerhalb der Einsatzgruppe hielten den Atem an.
Ein Blinken, das ganz kurz den Eindruck eines Fotonegativs erweckte, dann gab es nichts mehr, nicht einmal mehr Vernichtungsgerate.
Das Loch dagegen horte nicht auf, sich in alle Richtungen auszudehnen und alles zu verschlingen, was ihm in den Weg kam. Das Dreel-Mutterschiff wurde erfa?t, als das Loch knapp ein Lichtjahr ma?; innerhalb von funf Tagen verschlang das Loch zwei Sterne und die dazugehorigen Planetensysteme. Und es wuchs weiter. In seinem Mittelpunkt war — nichts.
Gramanch, ein Planet in der Galaxis M51
Die blauwei?e Weite von Gramanch dehnte sich unter der Fahrrakete, die zu einem kleinen und nicht sehr eindrucksvollen Mond hinaufstieg. Gramanch besa? mehrere Monde, die meisten nicht mehr als Kratergestein und luftleere Odnisse, keiner mit einem gro?eren Umfang als dreitausend Kilometer. Das Ziel der Fahrrakete war kleiner, unterschied sich von den anderen aber darin, da? es sich um einen fur seine Besitzer klimatisierten Privatmond handelte, an dem kaum etwas naturlich war. Man behauptete, sie hatten einen Steroiden eingefangen, ihn wie ein altes Raumschiff renoviert, einen Antrieb hinzugefugt und ihn in eine Umlaufbahn gebracht. Ganz gewi? gab es ihn noch kein volles Jahr.
Bei der Annaherung vermochte man die Unterschiede leicht festzustellen. Eine Halbkugel wurde geschutzt von einer Art Energieschild, die ihr das Aussehen von ein wenig glanzlosem Kunststoff verlieh; darunter gab es Anzeichen fur Grunwachstum und Wolken.
Die andere Halbkugel war schwerer zu erkennen, aber als die Fahrrakete naher kam, konnte man die Oberflache sehen. Sie war genarbt, aber nicht wie andere Monde mit Kratern ubersat. Lediglich eine riesige, konkave Scheibe, deren metallene Rippen im Sonnenlicht glanzten, deutete darauf hin, da? das der Bereich des Raumantriebs sein mu?te.
Die Gramanch waren eine raumfahrende Rasse; sie breiteten sich aus und hatten das ohne Konflikte zu tun vermocht, auch wenn es beim Zusammentreffen mit einigen der nicht-menschlichen Raumfahrerrassen einige unbehagliche Augenblicke gegeben hatte. Die Bewohner von Gramanch waren klein, kaum einen Meter gro?, umwickelt von langem Zobelpelz, aus dem Gesichter wie Mini-Lowen oder Pekinesenhundchen guckten. Sie waren insoweit ungewohnlich, als sie auf allen vieren gingen, sich aber auf die Hinterbeine stellten, wenn sie ihre dunnen, zarten Affenfinger mit opponierendem Daumen gebrauchen wollten. Sie glichen unglaublich dickpelzigen Kanguruhs mit dicken Schenkeln und geringelten Pelzschwanzen.
Das Schiff dockte an, und die Passagiere kamen sich leichter vor als bisher. Der Unterschied war so gro?, da? ihr Gang federnd wurde, aber nicht so stark, da? dies unbehaglich war.
Ihre Gastgeberin, ein auffalliges, weibliches Wesen, deren flammend orangeroter Pelz grau und wei? gefleckt war, begru?te sie, als sie ausstiegen.
»Willkommen, willkommen auf Nautilus«, sagte sie freundlich. »Ich bin Sri Khat, Ihre Gastgeberin und die Direktorin dieser Anlage. Bitte, sorgen Sie sich nicht um Ihr Gepack; es wird zu Ihren Zimmern gebracht. Wenn Sie mir folgen wollen.«
Sie trabten glucklich hinter ihr her, insgesamt vierunddrei?ig an der Zahl, und betrachteten die seltsame, kleine Welt au?erhalb des winzigen Terminals.
Sie war grun und wunderschon. Uberall wuchs Gras, und sie konnten auf der linken Seite Waldchen von fremdartigen Baumen sehen. Auch die Gebaude wirkten fremd, aber angenehm und keineswegs protzig. Fremdartige Vogel huschten durch eine ungewohnlich belebende und angenehme Luft; Blumen, vertraute und fremde, wuchsen uberall; hier und dort liefen kleine Tiere umher. Man kam an herrlichen, gepflegten Garten und Springbrunnen mit kristallklarem Wasser vorbei. Inmitten dieser Idylle blieb die Hoste? stehen, drehte sich um, setzte sich auf und sah die Leute an.
»Ich hei?e Sie auf Nautilus noch einmal willkommen«, wiederholte sie. »Diese Welt, das einzige bekannte Produkt der Zusammenarbeit von privaten Interessen fremder Wesen, ist zu Ihrer Bequemlichkeit und Freude da, ein Ferienort ohne Belastung und Angste. Kommen und gehen Sie, wie es Ihnen genehm ist, wandern Sie in unseren Feldern und Waldern, fischen Sie in unseren Flussen und Bachen — springen Sie in einen Brunnen, wenn Sie wollen.«
Man lachte leise daruber, wie ublich, und sie setzte ihren Vortrag fort.
»Geschafte und Laden sind nur fur Ihre Einkaufe da; keine Steuerbeamten werden Ihre Mu?e storen. Wir haben Gesundheitsprogramme, Sportanlagen, Restaurants, Klubs und Aufenthaltsraume, sogar ein Spielkasino. Alles auf Nautilus soll Ihnen helfen zu genie?en, wofur Sie bezahlt haben und hier noch bezahlen werden. In jedem Gastezimmer finden Sie Landkarten.«
Eine Pelzhand hob sich. Sie nickte.
»Was ist ›Nautilus‹?«fragte ein Gramanch. »Dieses Wort habe ich noch nie gehort.«
Sri Khat lachelte.
»Nautilus ist naturlich ein Fremdwort«, sagte sie. »In den Legenden einer langst untergegangenen, fremden Rasse hie? so ein beruhmtes Piratenschiff.«
Daruber lachten sie wieder. Der Satz war doppelsinnig. Wenn sie hier abreisten, wurden ihre Brieftaschen viel dunner sein.
Wieder meldete sich jemand zu Wort.
»Wir haben Geruchte gehort, da? Sie Wunder wirken konnen — das Altern aufhalten, sogar die schwersten Krankheiten heilen. Ist das wahr?«
»Es trifft zu, da? wir bestimmte Heilmethoden anwenden konnen«, bestatigte die Hoste?. »Wie Sie vielleicht wissen, nehmen wir taglich eine gro?e Zahl schwerkranker Personen zur Behandlung in unseren Spezial-Stationen auf und verlangen nichts dafur. Unsere Erfolgsquote bei Todkranken ist sehr hoch.
Das gefiel ihnen. Und gut furs Geschaft war es auch.
»Durfen wir sehen, wo das geschieht?«fragte jemand.
»Leider nein, und zwar aus verschiedenen Grunden. Erstens ist der Raum hier begrenzt — die medizinische Arbeit wird im Inneren dieser Welt verrichtet, weit von hier. Zweitens konnen wir die Umwelt nicht steril halten, wenn standig Besucher hindurchlaufen. Und drittens: Was wurden Sie sagen, wenn Sie todkrank waren und sich in Ihrem Krankenbett als Touristenattraktion bestaunen lassen mu?ten?«
Das ging ihnen ein.
Bald danach gingen sie zu ihren Zimmern, richteten sich ein und lie?en sich zur ersten Feinschmeckermahlzeit nieder.
Sri Khat sa? in ihrem Buro und ging die Passagierliste durch. Eine gute Gruppe. Drei Konzernprasidenten, zwei aus der Schwerindustrie mit wichtigen politischen Beziehungen, dazu ein Vizepremier. Sehr gut.
Das war ein heikles Geschaft, aber es brachte viel ein. Die Gramanch hatten sich friedlich ausgedehnt, aber das ging zu Ende. Sie vermehrten sich zu rasch, verbrauchten zuviel, ihre neun Kolonien waren uberfullt — und sie hatten das Zahlen nicht verlernt. Manche der fremden Rassen in ihrem Raumsektor waren ihnen zahlenma?ig funf zu eins oder gar zehn zu eins uberlegen. Die Gramanch waren ihnen allen technologisch uberlegen, das stand fest, aber sie konkurrierten mit anderen Rassen um dieselben Planetentypen und fanden nur sehr wenige. In den fuhrenden Kreisen machte sich eine Haltung des Ausdehnens um jeden Preis breit, etwas, das zu Aggression und Eroberungsgeist fuhren mu?te. Die Gramanch weigerten sich, ihre Bevolkerung zu beschranken, weil andere Rassen kopfstarker waren, dabei konnten sie die Bevolkerungsexplosion, die ihr Wahn hervorrief, nicht bewaltigen.
Das war diesmal die Mission von Nautilus: Ein exklusiver Ferienort mit gro?artigem Ruf, erworben durch kostenlose Wunderheilungen und Mundreklame, zog die reichsten und machtigsten Leute an. Diese Leute galt es umzustimmen, dann mochte eine katastrophale Zukunft vielleicht vermieden werden.