Leben sein sollte, es vorgezogen hat, den Hilferuf nicht zu beantworten. Warum das? Bei dem damaligen Vorfall hatte er einen Gro?teil seiner Erinnerung verloren. Das oder etwas ahnlich Schadigendes konnte ihm auch jetzt zugesto?en sein. Dann ist es sogar noch wichtiger, da? wir ihn finden. Als er das letztemal im Schacht war, stellte er ihn so ein, da? er sich fur keinen au?er ihm selbst offnet.«
Marquoz seufzte.
»Dann ist ja alles klar. Fangen wir an.«
Die Hohepriesterin wirkte erstaunt, aber auch erfreut.
»Wir werden viel Hilfe brauchen«, betonte Mavra Tschang. »Er wird sich gut versteckt haben. Selbst wenn es uns gelingen sollte, ihn auszugraben, kommt er vielleicht dahinter und vergrabt sich noch tiefer — falls sein Verschwinden in der Tat Absicht ist und nicht ein Anzeichen fur etwas Unheilvolleres. Wir konnen uns nicht an die Regierung wenden — dort besitzt er offenbar gro?en Einflu?. Also die Gemeinde.«
Yua war hingerissen.
»Wir werden naturlich alle Hilfsmittel fur die Suche einsetzen. Ich werde veranlassen —«
»
»Aber Sie konnen nicht nach Olympus!«wandte Yua ein. »Es ist verboten — und Sie konnten dort ohnehin nicht uberleben. Sie haben dafur nicht die physische Anpassungsfahigkeit!«
Mavra lachelte.
»Doch. Marquoz, wurden Sie und Zigeuner von der Plattform treten und sich dort hinstellen, wo wir waren, als das Essen serviert wurde?«
»Mit Vergnugen!«sagte Zigeuner und entfernte sich von der Plattform moglichst weit. Auch Marquoz war nicht begierig darauf, sich der Prufung durch den Computer mehr als notig auszusetzen.
»Obie, du wei?t, was du zu tun hast«, sagte Mavra.
»Richtig, Mavra«, antwortete der Computer freundlich. Der Parabolspiegel drehte sich heraus. Yua stand auf und wollte etwas sagen, vielleicht protestieren, aber es war schon zu spat. Die Gestalten, der Tisch, die Stuhle — alles wurde von dem violetten Glanz eingehullt und verschwand. Die Plattform war leer.
»Also, was…?«begann Zigeuner, aber Marquoz hob eine kleine, grune Hand.
Und da waren sie. Zwei Gestalten tauchten auf, ohne das Mobiliar.
Vor ihnen standen
»Yua, Sie werden mich zum Tempel bringen. Wir nehmen ein gewohnliches Raumschiff; ich mochte keinen Verdacht erregen«, sagte eine der Erscheinungen.
Die zweite Yua drehte sich um und kniete vor der Sprecherin nieder.
»O ja, Herrin«, sagte sie leise. »Ihr braucht nur zu befehlen, und ich mu? gehorchen.«
»Erinnere mich daran, da? ich ja nicht auf die Plattform steige, ja?«sagte Marquoz beilaufig zu Zigeuner.
Zigeuner nickte zerstreut.
»Das Ding ist mir einfach zu schnell«, meinte er trocken.
Olympus
Olympus lag weitab der Hauptverkehrswege. Der Planet war bei der Erforschung durch die Erde sogar schon ziemlich fruh entdeckt worden und hatte als grandioses Umgestaltungs-Experiment enden konnen, nur ermoglichte derselbe Raumantrieb, der es dem Menschen erlaubte, den Planeten zu erreichen, auch die beinahe gleichzeitige Entdeckung einer Anzahl attraktiverer und weniger kostspieliger Planeten praktisch unmittelbar hintereinander.
Der Planet besa? einen Aquatorumfang von ungefahr 32000 km, ein wenig kleiner als die alte Erde, und von der Sonne weiter abgelegen, also kalter. Die normale Lufttemperatur betrug demnach an einem Sommertag etwa 3° C, im Winter minus 18°. Geologisch gesehen, war Olympus sehr aktiv. Vulkane, gro?er als alles, was man auf der alten Erde je gesehen hatte, spien hei?e Gase und geschmolzenes Magma in die Runde; fast auf der ganzen Welt waren Erdbeben etwas Alltagliches, obschon schwere selten vorkamen. Zu alledem war die Atmosphare mit Sauerstoff und vielen anderen Gasen uberladen. Die Luft roch ahnlich wie in der Umgebung einer gro?en chemischen Fabrik, gleichgultig, wo man sich aufhalten mochte, und obwohl es haufig regnete, stellte der chemische Gehalt des Regens ein Gemisch von schwachen Sauren dar, bei weitem starker als jeder Niederschlag in und um Industriegebiete auf erdahnlicheren Welten. Die gewohnten Materialien verschlissen hier rasch; die Regenfalle sengten und reizten entblo?te Menschenhaut, und die Zusatzstoffe in der Luft waren stark genug vertreten, um eine kunstliche Atemzufuhr zu erfordern. Die Welt hatte ein gut angepa?tes, uppiges Pflanzenleben ebenso entwickelt wie kleinere Insekten und Meeresgeschopfe, aber nichts besonders Kompliziertes. Die Umwelt war immer noch zu feindselig dafur.
Die Ersten Mutter, von Ratin Alaina finanziert, hatten Olympus billig erworben. Ben Yulin hatte sich zwar idealisierte Liebessklaven gewunscht, sie jedoch zu Superfrauen gemacht, die ungeheure Extreme zu ertragen vermochten. Der Techniker war Obie gewesen, und er hatte gute Arbeit geleistet. Die Ersten Mutter stellten fest, da? sie auf Olympus muhelos leben konnten; ihr Metabolismus gestattete ihnen, praktisch alles Organische zu sich zu nehmen.
Ursprunglich waren die Lebensbedingungen auf Olympus primitiv gewesen; Hauser, mit Laserstrahlern aus dem Fels herausgehauen, waren die ersten Unterkunfte, und eine Generation lang bestand die ganze Bevolkerung aus einem kleinen Stamm von Wilden, die als nackte Jager-Sammler in einer Kultur von beinahe steinzeitartigem Zuschnitt lebten. Sie besa?en aber zwei Vorteile: ein gro?es, Zinsen tragendes Konto bei der Kom-Bank und standige Verbindung mit dem Kom-Bund und seinen Hilfsmitteln.
Nach einigen Monaten entdeckten alle Kom-Mutter, da? sie schwanger waren. Bis auf zwei waren alle Kinder, die zur Welt kamen, weiblich. Erst dann wurde ihnen klar, da? sie in der Tat eine neue Rasse grunden konnten.
Man bediente sich der Klon-Technik auf anderen Welten, um fur eine gro?e und standige Zufuhr von Frauen zu sorgen, die zur Reifezeit ungefahr im selben Alter sein wurden wie die beiden Manner.
Die Madchen wurden in dem Glauben aufgezogen, es sei ihre Pflicht, Kinder zu bekommen, solange und sooft sie dazu imstande seien, und die Bevolkerung vermehrte sich sehr rasch. Die Olympierinnen konnten schlie?lich sogar auf das Kloning verzichten und so die von au?en kommenden Interessen abweisen, die zu beanspruchen dabei notig gewesen war. Nun, uber siebenhundert Jahre spater, betrug die Bevolkerung von Olympus weit uber drei?ig Millionen und wuchs immer noch, obschon die Geburtenrate Jahrhunderte vorher eingeschrankt worden war.
Und alle Frauen sahen bis auf Haar- und Augenfarbe gleich aus, mit einem zusatzlichen Unterschied. Von den Ersten Muttern hatte Yulin zwei geschaffen, bevor er den dekorativen Pferdeschweif hinzufugte. Nach sieben Jahrhunderten entbehrten zehn Prozent der Bevolkerung den Schweif. Sie waren die Athenen. Die geschweifte Mehrheit hie? die Aphroditen (gesprochen ›Afrodeits‹). Sie nannten ihre Rasse die Pallas, obwohl jedermann au?erhalb ihrer Kultur sie nach ihrem Planeten als Olympier bezeichnete.
Mavra Tschang naherte sich, als eine Pallas getarnt, zusammen mit Yua, die durch Obie zu ihrer Dienerin gemacht worden war, in einem olympischen Schiff dem Planeten, nachdem sie von einem konventionellen Frachter umgestiegen waren. Da die Ersten Mutter die Naivitat und Verwundbarkeit ihres Fruhzustandes erkannt hatten, war von ihnen der Zugang zu Olympus streng beschrankt worden. Im Laufe der Jahrhunderte hatte man die Regeln in Stein gemei?elt und immer strenger ausgelegt. Nur Olympier durften auf den Planeten. Selbst die Raumfrachter mu?ten Olympiern gehoren und von solchen betrieben werden.
Obwohl der Planet jetzt modern und zivilisiert war, brachte er wenig Verkaufliches hervor. Die alten Bankguthaben waren jedoch in den Frachtbetrieb gesteckt worden, der auch fur Kom-Welten tatig wurde. Es war zwar nur wenig bekannt, aber tuchtige Olympierinnen konnten als Kuriere, als Wachen, als private Schiffskapitane gemietet werden. Sie waren ihren Arbeitgebern absolut treu, vollig unbestechlich, und als Superfrauen keine leichten Gegnerinnen. Auch der Tempel investierte in gro?em Umfang in Kom-Unternehmen; das kurzliche Wachstum hatte ihm immensen Reichtum eingebracht.