»Wir konnten nicht viel tun, wenn ich nicht hergehen und den ganzen Planeten ummodeln soll«, antwortete der Computer. »Au?erdem befassen wir uns jetzt mit der praktischen Vernichtung des ganzen Kom-Bundes und vielleicht der gesamten Wirklichkeit. Lassen Sie Olympus und seine Gesellschaft sein; was spielt das fur eine Rolle?«

Darauf gab es nun wirklich keine Antwort, und Mavra lie? das Thema auf sich beruhen.

Wie lange soll ich hierbleiben? fragte sie mehr sich selbst als Obie.

Der Computer antwortete trotzdem.

»Ungefahr eine Stunde — geben Sie dem Burschen die Erinnerung an ein gluckliches Zusammensein, und versetzen Sie ihn in Schlaf! Ich gebe Ihnen Bescheid, wann es Zeit ist, zu gehen.«

Sie tat es und war bei den hypnotischen Erinnerungen, die sie einpragte, besonders einfallsreich. Bald schlief er glucklich, ein Kissen wie einen Teddybar umarmend, und lachelte.

Sie verbrachte die restliche Zeit mit der Planung neuer Schritte zusammen mit Obie.

»Gehen Sie zum Muttertempel«, schlug er vor. »Wir mussen mit der obersten Sprosse der politischen Leiter sprechen, wer immer das sein mag. Es deutet manches daraufhin, da? eine bestimmte Person alles entscheidet. Stellen Sie fest, wer das ist. Ich komme auf jeden Fall mit.«

Die Stunde verging langsam.

* * *

Yua strahlte; sie schien geraume Zeit, nachdem sie den Geburtstempel verlassen hatten, wie betaubt zu sein. Sie fuhren mit einer Tram zum Muttertempel, dessen Turme in der Ferne zu sehen waren.

»Wem erstatten Sie Bericht?«fragte Mavra.

»Der Oberin«, antwortete Yua. »Sie ist eine Athene«, fugte sie ein wenig angewidert hinzu.

»Aber wer erhalt ihren Bericht? Ich meine, wer hat hier das Sagen?«

»Zuletzt wohl die Heilige Mutter«, gab Yua zuruck. »Ich habe sie nie gesehen.«

»Aber sie ist im Muttertempel?«

»So hei?t es.«

Der Muttertempel war eindrucksvoll; obwohl nicht hoher als die anderen Gebaude, war er erbaut wie eine mittelalterliche Burg aus schimmerndem Metall mit einer Vielzahl an Turmen und Zinnen. Nachts wurde er von bunten Scheinwerfern angestrahlt, aber selbst mittags wirkte er imposant.

Man stieg eine unendlich lange Steintreppe hinauf; das Gebaude selbst war verankert und ruhte am Urgestein der Berge rings um die Stadt.

Auf der rechten Seite konnten Mavra und Yua den Pilgerpfad sehen, der zur Statte der ersten Siedlung fuhrte. Der Weg schien nicht allzuweit zu sein, und Mavra schlug vor, den Besuch zu unternehmen, bevor sie den eigentlichen Tempel betraten. Die Olympier mochten Obies Kinder sein, aber die dominierenden Ersten Mutter waren Mavra Tschangs Gro?eltern gewesen.

Der gut instand gehaltene Steig war gesaumt von Schildern, Schaustucken und bildlichen Darstellungen, welche die Grundungsgeschichte von Olympus erzahlten.

Die fruhen Hutten waren in der Tat primitiv; Mavra vermutete, da? sie nicht so einfach hatten sein mussen. Die Schlichtheit war offenbar ein bewu?t unternommener Versuch gewesen, den Aufbau einer neuen Rasse und Kultur von Grund auf durchzusetzen, mit moglichst wenig Versuchung durch die Kom-Welten. Die Ersten Mutter hatten sofort erkannt, da? sie nur die Gestalt wunderschoner, menschlicher Frauen trugen, da? sie innerlich, biologisch und in anderer Hinsicht, eine fremde Rasse waren und in der damals vollig menschlichen Kom-Umwelt als Mi?geburten betrachtet werden wurden. Aber in einer Hinsicht hatten sie sich getauscht; geistig waren sie uber die Menschheit hinausgewachsen, und das trugen sie mit sich.

Uber ihnen, in Stein gehauen und vergoldet, standen die Namen der elf Ersten Mutter. Die meisten waren Mavra nicht vertraut, weil sie Fluchtlinge von Neu Pompeii gewesen waren, aber da standen auch Kally ›Wuju‹ Tonge und Vistaru, ihre Gro?eltern, neben Dr. Zinders Tochter Nikki und Nikkis Tochter Mavra. Und nach den elf Namen kam noch ein weiterer, abgesetzt und dick mit Gold umrandet.

MAVRA TSCHANG TONGE stand da.

»Na, hol mich der Teufel«, sagte Mavra halblaut. »Hol mich der Teufel, wenn mir nicht ganz seltsam zumute wird.«

Yua sah sie erstaunt an.

»Aber das seid Ihr, nicht wahr?«achzte sie. »Darauf bin ich einfach nicht gekommen!«

»Bringen wir das hinter uns«, sagte Mavra knapp. Sie ging den Weg hinunter, und Yua folgte ihr. Au?erlich wirkte Mavra wieder vollig sachlich.

Obie? Wo bist du jetzt?

»In diesem System gibt es viel Raumschutt«, antwortete der Computer sofort. »Ich bin gut getarnt, aber in Reichweite.«

Hast du mich geortet? Sie stieg die lange Treppe zu den Turen des Muttertempels hinauf. »Ich bin eingepeilt«, versicherte Obie. »Sagen Sie mir nur Bescheid, wenn Sie etwas brauchen.«

Olympierinnen stiegen die Treppe hinauf und hinab und gingen bei den gro?en Toren hinaus und hinein. Die meisten waren geschweifte Aphrodites, eine oder zwei aber schweiflose Athenen, in Tempelgewander gekleidet.

Das Innere des Muttertempels hatte mehr Ahnlichkeit mit dem Aufenthaltsraum eines Raumflughafens als mit einem religiosen Zentrum; von der Decke eines gro?en Saales hing in der Mitte ein kompliziertes Modell der Schacht-Welt, und auf den Mosaikfliesen an Boden und Wanden waren zahllose, fremde Wesen dargestellt. Viele Eingange und Korridore fuhrten vom Saal hinaus, vor jedem stand ein Empfangstisch, besetzt mit einer Priesterin.

Yua ging fast durch den ganzen Saal, bevor sie an einen der Tische trat, sich mit gekreuzten Armen verbeugte und die dort sitzende Aphrodite begru?te.

»Yua von Mendat zu Ihrer Heiligkeit«, sagte sie.

Die Empfangspriesterin nickte kurz und blickte auf eine Liste.

»Sie sind fruh zuruck, Hohepriesterin. Wir haben nichts von Ihrer Ruckkehr erfahren.«

»Ich erstatte nur Ihrer Heiligkeit Bericht uber Besprechungen mit der Kom-Regierung«, sagte Yua ein wenig eisig. »Sie wird mich empfangen.«

Die Priesterin zog ein wenig die Schultern hoch.

»Ich sage Ihrer Heiligkeit, da? Sie hier sind.«Sie sah Mavra an. »Ja?«

»Die Schwester gehort zu mir«, sagte Yua schnell, »und hat mit dem Bericht zu tun. Ich ubernehme die volle Verantwortung.«

Die Priesterin zog die Brauen ein wenig hoch und tastete Yuas Code ein. Nach wenigen Sekunden leuchtete ein grunes Licht auf.

»Ihr konnt eintreten«, sagte sie. »Empfangsraum Drei rechts.«

Als sie sich dem betreffenden Raum naherten, glitt die Tur automatisch zur Seite. Im Inneren gab es zwei Steinbanke ohne Ruckenlehnen fast in der Mitte des Raumes, und einen kleinen Stuhl aus Kunststoff fur die menschliche Gestalt, ein wenig erhoht, den Banken gegenuber. Au?er diesen Mobelstucken gab es nur einen kleinen Tisch neben dem Stuhl.

Mavra und Yua sa?en kaum, als hinter ihnen die Tur aufging. Sie standen auf und drehten sich um, als eine Olympierin in einem scharlachroten, bodenlangen Gewand zum Stuhl ging und sich darauf niederlie?, damit beweisend, da? sie keinen Schweif besa?. Unter dem Arm trug sie Akten, die sie auf den Tisch legte.

»Hallo, Yua«, sagte sie. »Und wer ist das?«

»Ich bin eine Spionin«, sagte Mavra, bevor Yua antworten konnte. »Ich bin Mavra Tschang.«

Die Athene wirkte ein wenig verblufft.

»Was soll das hei?en?«fauchte sie. »Sind Sie verruckt?«

Obie? Hast du sie?

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