»Kein Problem, Mavra.«

Ein violettes Leuchten umgab die Athene. Sie schien aufzufunkeln, dann erlosch das Licht plotzlich.

Die Athene stand auf, lachelte die beiden an, verbeugte sich mit auf der Brust gekreuzten Armen und fragte leise:»Wie kann ich zu Diensten sein?«

Yua war starr vor Staunen. Da sie von Mavras Verbindung mit Obie nichts wu?te, nahm sie das als weiteren Beweis dafur, einer Gottin gegenuberzustehen.

»Wer fuhrt das Kommando uber Olympus?«fragte Mavra.

»Naturlich die Heilige Mutter«, erwiderte die Athene.

»Sie hat hier die eigentliche, absolute Macht?«

»Gewi?. Wir gehorchen alle der Heiligen Mutter.«

»Ist sie hier im Tempel?«

»Immer.«

»Ich wunsche so rasch wie moglich eine Audienz. Konnen Sie dafur sorgen?«

»O ja, gewi?, obwohl das keineswegs angemessen ist. Aber ich brauche einen Grund, den ich ihr nennen kann.«

Daran hatte sie bereits gedacht.

»Sagen Sie ihr, da? Mavra Tschang Tonge von den Toten zuruckgekehrt ist, um Nathan Brazil zu finden!«

Die Athene kam bald zuruck.

»Bitte, folgt mir!«

Sie gingen zu einem Lift. Mavra sah an den Knopfen, da? es zehn Stockwerke gab — vermutlich funf uber und funf unter dem Grund. Die Athene betatigte keinen; die Tur schlo? sich, und der Lift setzte sich von selbst in Bewegung. Die Etagenknopfe flammten auf, bis sie den untersten erreichten — und sie fuhren noch an die drei?ig Meter tiefer hinab.

Die Tur glitt zur Seite und gab den Blick auf eine trub beleuchtete Kammer frei. Sie war rund, die Wande bestanden aus Kunststoff.

»Kehrt zur Oberflache zuruck und wartet auf weitere Anweisungen«, sagte Mavra zu den beiden Olympierinnen. Sie verbeugten sich und gehorchten.

Plotzlich schien im Raum Licht aufzuflammen.

»Sie beschie?en Sie mit Hypnosedrogen«, ertonte plotzlich Obies Stimme. »Ich neutralisiere sie.«

Das war eigentlich naheliegend, dachte Mavra. Als Fuhrerin mu?te man Eindruck schinden.

Dann kam die Stimme, unglaublich alt, unfa?bar mude und vollig nicht-menschlich.

»Wer und was bist du?«fragte sie.

»Computerverstarkte Gedankenwellen, erste Stufe«, teilte Obie mit. »Das gehort nicht zur Darbietung. Dafur ist es zu komplex.«Er schien verwirrt zu sein, was Mavra gar nicht gefiel.

»Ich bin Mavra Tschang«, erklarte sie der Stimme.

»Mavra Tschang ist tot«, erwiderte diese. »Mavra Tschang ist seit mehr als sieben Jahrhunderten tot.«

»Mavra Tschang ist nicht gestorben«, erklarte sie der unsichtbaren Person. »Niemand kann Mavra Tschang toten.«

»Du bist wahnsinnig, mein Kind. Erlebe den Geist deiner Heiligen Mutter!«

Plotzlich spurte sie Qual, ungeheure Kopfschmerzen und ein Sengen im ganzen Nervensystem. Mavra sturzte in Agonie zu Boden. Sie konnte spuren, wie die andere, die Prasenz, langsam eindrang, ihren Geist uberwaltigte.

Obie, der ebenfalls uberrascht worden war, reagierte nun schnell, ergriff Gegenma?nahmen und zwang die fremdartige Prasenz hinaus. Es war kein andauernder Kampf; als Obie die Art des geistigen Uberfalls analysiert hatte, konterte er auf der Stelle. Mavra war frei und blieb erschopft am Boden liegen. Schlie?lich stand sie langsam auf und schaute sich um.

»Siehst du?«schrie sie. »Reden wir miteinander oder soll ich nun in deinen Geist eindringen?«Zorn war stets ein gutes Anregungsmittel. »Wer wagt es, in Mavra Tschang einzudringen?«

Obie spendete Beifall.

»Brav, Madchen! Ganz ruhig, dann bringe ich Sie wieder in Ihre ehemalige Gestalt! Da werden die schon erschrecken!«

Sie wu?te, da? Obie in sie hineingriff, da? sie von dem violetten Licht eingehullt wurde, aber die Umstulpung ging sehr rasch vor sich und wurde ihr nicht deutlich bewu?t. Sie wu?te aber, da? ihre geschmeidige, schwarzgekleidete, menschliche Form von der oder den unsichtbaren anderen gesehen wurde. Wenn sie historische Unterlagen besa?en, wu?ten sie jetzt, wen sie vor sich hatten.

Sie konnte die Verbluffung in der fremden Stimme-Nichtstimme horen, als sie achzte:»Sie sind wirklich Mavra Tschang!«

»Die bin ich«, sagte sie. »Und wer bist du?«

Die Stimme schwieg kurze Zeit, dann sagte sie:»Ich bin Nikki Zinder.«

Nun war Mavra selbst vollig entgeistert.

»Augenblick mal! Ich wei?, da? es mich noch gibt — aber das ist einfach nicht moglich.«Ein Computer, vermutete sie. Ein Computer, darauf programmiert, sich fur Nikki zu halten. Eine Maschine, die sich fur eine langst gestorbene Person halt.

Wie geht man mit einer solchen Maschine um?

»Neu Pompeii ist zerstort worden«, sagte die Stimme. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Obie wurde vernichtet. Die historischen Aufzeichnungen bestatigen das. Sie konnen nicht Mavra Tschang sein.«

»Obie lebt. Ich bin geblieben. Wir haben nur den Eindruck erweckt, wir waren vernichtet worden. Du kennst Obies Krafte, du wei?t, da? er das kann, da? ich also auch noch am Leben sein kann. Du hast Nikki Zinders Erinnerungen — du mu?t wissen, da? es so sein kann.«

Es blieb kurze Zeit still.

»Sie reden so, als ware ich nicht die, die ich bin«, sagte die Stimme dann. »Ich sage Ihnen, da? ich Nikki Zinder bin. Ich bin am Leben geblieben und jetzt dieser Maschine verbunden. Aber ich bin keine Maschine. Mein Geist und meine Seele leben, werden durch sie erhalten und verstarkt.«

»Aber warum? Warum Sie, Nikki?«sagte Mavra. »Warum nicht die anderen?«

»Die anderen sind wie ich alt geworden. Als feststand, da? sie sterben wurden, als Touri wirklich starb, versammelten sie sich und trafen ihre Entscheidung. Sie wollten ein markovisches Tor finden, sie wollten auf die Schacht-Welt zuruckgehen und wiedergeboren werden. Sie gingen alle, und soviel ich wei?, hatten sie Erfolg, meine Tochter eingeschlossen.«

»Aber nicht Sie?«

»Ich nicht. Wir hatten erst vor knapp zwei Jahrhunderten angefangen. Die Bevolkerung naherte sich gerade erst der Lebensfahigkeit. Die Pallas brauchten Fuhrung, um die richtige Gesellschaft aufzubauen, eine Fuhrung, die nur wir von den Ersten Muttern ihnen geben konnten. Wir besa?en die erforderliche Technologie. Ich schlug vor, da? man uns Erste Mutter am Leben erhielt, kybernetisch mit Computern verbunden, die uns unbegrenzt bewahren konnten. Die anderen weigerten sich, aber sie konnten mich nicht zwingen, sie zu begleiten. Seither bin ich geblieben; ich habe Wachstum und Entwicklung meines Volkes gesteuert und sie durch die Grundung der Gemeinde gefuhrt. Die Gro?e, die Sie heute sehen, ist mein Werk.«

Obie?

»Ich furchte, es ist wahr, Mavra. Es ware mir anders lieber. Das erklart die abseitige Kultur. Gehirn und Seele konnen so erhalten werden, wie sie sagt, aber die Hirnzellen regenerieren sich nicht. Sie mu? senil sein, Mavra — senil, vermutlich wahnsinnig, und trotzdem ubt sie alleinige Herrschaft uber ein Volk aus, das nichts ahnt. Spielen Sie lieber mit.«

Mavra wahlte ihre Worte mit Bedacht.

»Horen Sie, Nikki. Ihr eigenes Volk mu? es Ihnen gesagt haben. Der Kom-Bund ist zum Untergang verurteilt, alles ist zum Untergang verdammt, durch dumme Leute, die die Forschungen Ihres Vaters mi?braucht haben. Wir mussen dem Einhalt gebieten, und das kann nur geschehen, wenn der Schacht der Seelen selbst repariert wird. Das kann nur Nathan Brazil tun, also arbeiten wir fur eine gemeinsame Sache, Ihr und wir. Wir haben die Kom-

Вы читаете Ruckkehr auf die Sechseck-Welt
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату