Olympierinnen. »Wir wissen nicht, ob er jetzt nicht eine Falle wittert.«
»Daran zweifle ich ernsthaft, aber erkundigen wird er sich auf jeden Fall. Es gibt wirklich eine Tagung in Hsuir, und mehr kann er ohnehin nicht prufen, weil das auf der anderen Seite der Welt liegt. Dann wird er den Namen der Firma eingeben, um zu sehen, ob eine Rufnummer eingetragen ist, was ja zutrifft. Dann konnte er noch heute abend oder morgen fruh heruberschleichen, um festzustellen, ob das wirklich ein Lagerhaus ist. Er wird uns finden, samt dem alten Schild.«
»Und wenn Sie irgendwo einen Fehler gemacht haben?«setzte die Athene nach.
Mavra lachte leise, griff in ihre Jacke und zog ein kleines Funkgerat heraus. Sie schaltete es ein. Ein rotes Lampchen gluhte auf.
»Halka? Was macht unser Mann?«fragte sie.
»Vor einer Stunde war er im Hafen fertig, Mavra«, tonte es aus dem Gerat. »Er ging sofort mit einer gro?en Reisetasche zum ›Pioneer‹. Zimmer viernullvier A. Er ist seitdem nicht fortgegangen und hat keinen Besuch erhalten.«
Sie sah die Olympierin mit einem frostigen Lacheln an.
»Zufrieden? Wir lassen ihn nicht mehr aus den Augen. Borsa wird in Kurze sogar seine Telefonleitung angezapft haben. Er steckt in unserer Tasche.«
Die Athene blieb skeptisch.
»Wenn er wirklich Nathan Brazil ist, frage ich mich…«
»Na,
Hotel ›Pioneer‹, Zimmer 404 A
Der Mann, der sich Kapitan David Korf nannte, betrat sein Zimmer, sperrte die Tur ab und untersuchte den Raum sofort nach Wanzen. Danach lie? er sich zufrieden auf dem bequemen Bett nieder und versuchte nachzudenken.
Jemand war ihm auf die Schliche gekommen, soviel stand fest. Jemand, der viel uber ihn wu?te, der die Falle mit einem Koder ausgestattet hatte, der ihm unwiderstehlich erscheinen mu?te. Sie hatten nur einen einzigen Fehler gemacht, namlich in den Schatten, was sehr, sehr gut war — aber es ist schwer, ein erfahrenes, fremdes Wesen in einer Stadt zu verfolgen, wenn man vier Beine hat und gro? ist, zumal spatabends, wenn nicht mehr viele Leute unterwegs sind. Hufe klappern, und wenn man noch so vorsichtig geht. Funfhundert Kilo Korpergewicht lassen sich nicht leicht im Schatten verbergen.
Korf blickte auf das Telefon am Bett. Es gab mehrere Leute, die er anrufen konnte, sogar die Polizei. Nein, die Polizei wurde nur ein paar von den Beschattern festnehmen und ihm nicht verraten, wer oder wie oder warum. Leute, die so gut vorbereitet waren, wurden keine Gehilfen einsetzen, die leicht auszuquetschen waren.
Trotz seiner Neugier lockte der Gedanke an Flucht, aber leicht wurde sie nicht fallen. Auf einer Welt, die fast ausschlie?lich von Zentauren bewohnt war, mu?te ein Mensch auffallen. Den Raumflughafen, den einzigen hier, wurde man naturlich im Griff haben. Naturlich gab es selbst dann noch Moglichkeiten, aber wie sollte es weitergehen? Er hatte keine Lust, ewig im Weltraum herumzugondeln.
Er seufzte. Nein, Davonlaufen barg zu viele Risiken, zu viele Wenns und Abers. Er wurde sich den Leuten stellen mussen. Das war ihm ohnehin lieber, weil er seine Neugier befriedigen wollte.
Er gedachte aber nicht unvorbereitet in eine Falle zu tappen. Er blickte wieder auf das Telefon und dachte an die wenigen Menschen hier, die er anrufen konnte, und hatte sich beinahe schon entschlossen, als er den Gedanken wieder verwarf. Nicht hier. Eine offentliche Sprechzelle, ganz wahllos ausgesucht. Au?erdem mu?te er die Beobachter ein wenig beobachten, um zu sehen, womit er es zu tun hatte.
Er uberlegte, dann griff er nach dem Apparat und tippte den Namen der Reederei Durkh ein. Sofort erschien eine Nummer auf der Leuchtanzeige. Er wunderte sich nicht im geringsten. Das Unternehmen mochte sogar echt sein. In dieser Richtung konnte er sich Ermittlungen schenken.
Aber wer steckte dahinter? Gewi? nicht die Sekte. Vielleicht Soldner, angeworben von der Religionsgemeinschaft — aber welche? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, da? die Gemeinde genug tuchtige Leute hatte, um so etwas auszufuhren. Aber wenn nicht sie, wer dann? Wer besa? die Verbindungen, nicht nur, ihn aufzuspuren, sondern bis Meouit zu verfolgen, diese kleine Welt im Nirgendwo, und mit Rhone-Agenten — und dem Madchen zur Stelle zu sein!
Sie beunruhigte ihn am meisten. Kosmetische Chirurgie? Neoform? Egal, es gab keine Moglichkeit, wie sie das in der kurzen Zeit hatten bewaltigen konnen.
Schlimmer noch — wer konnte wissen, wie sie ausgesehen hatte? Nur Leute auf der Schacht-Welt konnten das wissen, und es war so lange her. Au?erdem waren sie alle tot, alle au?er diesem Halunken Ortega, vielleicht — aber selbst er konnte seinen Einflu? nicht uber die Schacht-Welt hinaus geltend machen. Das Ganze ergab keinen Sinn. Nur sehr wenige Leute kehrten jemals von der Schacht-Welt zuruck, und ihr Verbleib war bekannt — jedenfalls der von allen, die gewu?t haben mochten, wie sie damals ausgesehen hatte.
Hier handelte es sich also um etwas Neues, etwas im Ansatz sehr Gefahrliches. Der Ri? im Raum-Zeit- Kontinuum, den diese Idioten verursacht hatten — mochte er sonderbare Nebenwirkungen erzeugen? Er war seit Generationen nicht mehr auf der Schacht-Welt gewesen; hatte jemand den Ri? ausgenutzt, um in diesen Raum zuruck- oder hindurchzukommen? War es moglich, da? dort jemand leben mochte?
Nichts ergibt Sinn, sagte er sich. Es bot sich nur eine Losung an. Er stand auf, stemmte den Koffer aufs Bett und offnete ihn vorsichtig. Er zog den schweren Mantel mit der dicken Polsterung aus, streifte die unbequemen, hohen Stiefel ab, entfernte mit einem chemischen Mittel aus dem Koffer den langen Bart. Langsam beseitigte er Rabbi David Korf vollig, die buschigen, wei?en Brauen, die Falten um die Augen, alles. Er trat ans Fenster und schaute hinaus. Nicht sehr hoch oben, gewi? nicht unmoglich. Aber ein senkrechter Absturz; es wurde schwierig sein hinunterzugelangen. Und kalt war es drau?en auch. Es schneite stark.
Und unten was? Der Schnee nutzt naturlich, aber eine Gruppe, die Wujus Erscheinung kannten, wurde mit jeder seiner Korperzellen vertraut sein. Es wurde eine gute Maske sein mussen, eine seiner besten, die selbst den erfahrensten Beschatter tauschte. Er hatte eine solche. Er verwendete sie nicht gern, aber sie wirkte; bei vorgetauschten Todesfallen hatte er sie ein- oder zweimal benutzt.
Er ging zu seinem Koffer zuruck, der seine Masken enthielt.
Viel von ›Korfs‹ Haar war ebenfalls falsch, aber darunter trug Brazil sein eigenes, dichtes, schwarzes Haar. Er schnitt es mit einer Schere kurz und rasierte einen gro?en Teil seines Korpers. Dann Theatersalbe, um die naturlichen Falten zu glatten und die Haut dunkler zu machen. Er arbeitete mit einem Schauspieler-Schminkkasten und verwandelte sich in jemand, der sehr wenig Ahnlichkeit mit ihm hatte. Die Romernase konnte er naturlich nicht verbergen, aber ein wenig glatten und die Nasenflugel verbreitern, so da? sie ganz anders aussah. Schlie?lich die Perucke, fur die er uber zwei Jahrhunderte zuvor ein Vermogen bezahlt hatte, und die Kleidung. Er war ein sehr kleiner Mann, was hier half.
Nach uber einer Stunde sorgfaltiger Arbeit betrachtete er sich im Spiegel. Perfekt. Fur das kalte Winterwetter drau?en besa? er jedoch keinen passenden dicken Mantel; er wurde eine Weile sehr frieren und sich unbehaglich fuhlen.
Obwohl das seine beste Maske war, hatte er sie nie gemocht, aber die Herausforderung machte ihm Spa?. Wenn man lange genug an vertrauten Orten ist, braucht man eine Methode, um fortzukommen, ein anderer zu sein, mit Leuten zu reden, bei denen man sich eigentlich nicht blicken lassen darf — und Leuten auszuweichen, die einen sprechen wollen, wie jetzt.
Er mu?te sich maskieren, damit er der Beschreibung in den falschen Papieren entsprach, die er dabeihatte. Auf den meisten Planeten reichten sie aus, um ihn hinein- und hinauszuschleusen, ohne da? ein zweiter Blick auf ihn fiel, aber im einzigen Zugangshafen dieses Planeten gab es keine Unterlagen uber seine Ankunft. Auf einer gro?eren menschlichen Welt; hier wurde es zu Nachforschungen fuhren.
Er betrachtete sich ein letztesmal, dann ging er zum Fenster. Sah verdammt kalt aus, da drau?en! Er schob das Fenster leise hoch. Die eisige Luft fegte herein. Er kehrte noch einmal um und programmierte Rhone-Musik, die nach einer Viertelstunde abschalten wurde. Dann bat er den Empfang telefonisch, ihn am nachsten Morgen zu