wecken.

Er griff nach einem kleinen Topfchen, rieb klare Salbe auf seine Handflachen, atmete tief ein, schob sich zum Fenster hinaus und benutzte mit Hilfe der Salbe seine Hande als Saugnapfe, um die drei?ig Meter Backsteinwand zum Durchgang hinunterzuklettern. Am Boden fand er den Hinterausgang, lie? sich ein wenig auftauen, rollte die Salbe von den Handen und schlenderte durch den Korridor zur Halle.

Es wurde schon spat, aber wie er vermutet hatte, war der Aufenthaltsraum fur Menschen noch voll. Die meisten entspannten sich bei Lustdrogen oder Getranken, bei Tanz.

Es gab einen Garderobenraum, der unbewacht war. Wer wurde sich hier die Muhe machen, einen Mantel fur Menschen zu stehlen? Er ging hinein, suchte sich einen aus, der fur Maske und Korper gleicherma?en pa?te, zog ihn an, ging in die Halle zuruck, nickte am Empfang und trat in das Winterwetter hinaus. Als keine Alarmlichter aufflammten, keine Schreie hinter ihm aufgellten und keine sichtbaren Beschatter auftauchten, begann er, vor sich hinzupfeifen.

* * *

Die Sonne kam herauf. Fur die Mitglieder der Besatzung, die Lagerhaus und Hotel ›Pioneer‹ beobachtet hatten, war es eine stille, wenngleich kalte Nacht gewesen. Alle wurden beschworen, da? niemand sie bemerkt hatte und da?, was sie anging, Korf die Nacht ruhig durchgeschlafen hatte.

Einer der Rhone-Beschatter im Korridor neben Zimmer 404 A fuhr hoch, als er ein fernes Gerausch horte, und begriff, da? er eingenickt war. Er schaute den Flur hinunter, als der Lift, eine gro?e Kabine fur Zentauren, heraufkam und sich offnete. Eine Person stieg aus, eine junge und hubsche Frau, elegant angezogen, mit herausforderndem Gang. Sie strich lange, braune Haare zuruck, zog einen kleinen Block heraus, warf einen Blick darauf und achtete auf die Zimmernummern, bis sie 404 A erreichte. Die Aufpasser richteten sich auf. Sie klopfte an der Tur, schien Antwort zu erhalten, dann wurde herumgetastet und die Tur einen Spalt geoffnet. Sie zwangte sich hinein und schlo? die Tur rasch hinter sich.

»Hol mich der Teufel!«zischte eine Stimme im Ohr des Aufpassers. »Ich dachte, er ist ein Heiliger.«

»Da kann man sich tauschen«, sagte ein anderer witzelnd. »Das ist schon eher meine Art von Religion!«

Die Manner waren verblufft gewesen, hatten sie gesehen, da? Zimmer 404 A nur eine Person enthielt. Die Frau zog die Schuhe aus, nahm die Perucke und Korperpolster ab, entfernte aber nicht die ganze Maske. Es dammerte schon, und Nathan Brazil wollte etwas schlafen, bevor er wieder Rabbi Korf werden mu?te; er lie? sich auf das Bett fallen und schlief fast sofort ein. Er lachelte ein wenig bei dem Gedanken, da? seine Beschatter morgen, wenn er fort war, angesichts des Falles der verschwundenen Frau einen ordentlichen Schock davontragen wurden, falls sie im Zimmer nachsehen sollten.

Im Lagerhaus — Mittag

»Er ist vor etwa einer Stunde weggegangen«, sagte die Stimme aus dem Funkgerat. »Tolga und Drur sind bei ihm. Mit dem Madchen kennen wir uns aber noch nicht ganz aus.«

»Ich kann es mir denken«, sagte Mavra trocken und schaltete ab.

»Das Madchen war also Brazil?«

Sie nickte.

»Naturlich, Marquoz. Eigentlich ganz einfach, noch dazu bei seiner Erfahrung.«

»Aber wie ist er aus dem Zimmer hinausgekommen? Man hat ihn doch beobachtet.«

»Ich habe Millionen aus starker bewachten Gebauden gestohlen, und es gibt unzahlige Methoden«, erwiderte Mavra kopfschuttelnd. »Verdammt! Mein Gehirn ist ganz eingerostet! Ich habe mich zu sehr auf Obie verlassen! Und er hat uns auch noch eine lange Nase gedreht, indem er mit ein bi?chen Bauchrednerei und einer angelehnten Tur direkt zu seinem Zimmer ging.«

»Sie wissen, was das bedeutet«, sagte Marquoz sorgenvoll.

Sie nickte.

»Ja. Er kennt sich aus mit uns.«

»Und er hat nicht angerufen, was hei?t, da? er versuchen wird, das Weite zu suchen«, fugte der Chugach hinzu. »Ich glaube, wir sind in gro?en Schwierigkeiten, wenn wir ihn nicht sofort packen.«

Mavra uberlegte fieberhaft.

»Ich wei? nicht. Es ist heller Tag, und bisher haben wir ihn nur dort gesehen, wo viele Leute sind. Er konnte bei der Polizei eine Beschwerde vorbringen und sich auf sein Schiff zuruckbegleiten lassen.«

»Und was konnen wir tun, wenn er das wirklich macht?«fragte die Athene scharf.

»Obie rufen und das ganze, zweieinhalb Kilometer lange Ding entfuhren«, fauchte Mavra wutend. Sie war nicht zornig auf Brazil — diese Dinge stellten eher ihr Vertrauen in ihn und seine Legende wieder her — sondern auf sich selbst, weil sie so leichtglaubig gewesen war. Sie war einmal die gro?te Diebin im ganzen Kom-Gebiet gewesen, und es war argerlich, so hereingelegt zu werden.

Sie debattierten immer noch, als der elektronische Summer ertonte. Da sie alle durcheinanderschrien, dauerte es einen Augenblick, bis sie begriffen, dann verstummten sie schlagartig.

Das Telefon lautete.

Mavra blickte zu einem weiblichen Besatzungsmitglied in Rhone-Gestalt hinuber und nickte. Die Zentaurin ging achselzuckend zum Telefon, das am Boden lag. Wenigstens gab es auf Meouit keine Bildsprecher.

Beim funften Summlaut nahm die Frau ab und sagte:»Reederei Durkh.«

»Tut mir leid, ich verstehe die Sprache nicht«, ertonte eine vertraute, hohe Stimme. »Sprechen Sie Standard?«

»Selbstverstandlich, Sir«, sagte die Agentin im Ton einer geschulten Sekretarin. »Was konnen wir fur Sie tun?«

»Wir konnen mich mit Burgerin Tourifreet verbinden, wenn Sie so freundlich waren«, erwiderte der Anrufer. »David Korf am Apparat.«

»Ah — ach ja, Augenblick, Sir.«Die Rhone sah Mavra fragend an und druckte auf einen Knopf.

»Also?«sagte Mavra zu den anderen. »Was haltet ihr davon?«

»Ich wurde sagen, seine Neugier hat ihn uberwaltigt«, gab Marquoz zuruck. »Entweder das, oder sein nachtlicher Ausflug hatte den Zweck, ihm gunstigere Chancen zu verschaffen.«

»Aber was soll ich tun — wenn man das alles berucksichtigt?«

Der Chugach zog die Schultern hoch.

»Beim ursprunglichen Plan bleiben. Schlie?lich wollen wir mit ihm ja nur reden

Sie nickte und ging zum Telefon, druckte wieder auf den Knopf und sagte freundlich:»Tourifreet.«

»Ich wunsche Ihnen einen schonen Tag, Burgerin«, erwiderte Korfs Stimme liebenswurdig. »Sie wollten geschaftlich mit mir sprechen?«

»Nur Tourifreet, bitte«, sagte sie beilaufig. »Wir verzichten auf Titel. Ja, hm, ich habe meinen Vater angerufen und alle Einzelheiten geklart. Zwanzig Standard-Behalter, landwirtschaftliche Erzeugnisse.«

»Nicht gerade viel«, sagte er enttauscht.

»Ich verstehe nichts davon, aber wir haben nichts dagegen, wenn Sie daneben noch andere Fracht ubernehmen.«

»Zielhafen?«

Erstaunlich, wie er weiterspielt, dachte sie.

»Tugami — an der Grenze. Neue Route, ziemlich weit drau?en, aber interessant, sagt mein Vater.«

Sie konnte im Hintergrund Stimmen horen, wie in einem vollen Buro oder auf einem Marktplatz. Dann raschelte Papier, und er sagte:»Ah ja. Sehe schon. Ich habe in meinem Navigationslog nicht alle Grenzwelten. Ja, gut. Ich glaube, ich kann kleineres Rhone-Frachtgut fur die Fahrtunterbrechungen aufnehmen. Es eilt nicht?«

»Nicht, da? ich wu?te.«

»Dann ist es gut. Einigen wir uns auf die Bedingungen und unterschreiben heute die Papiere? Ich mochte

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