hierherzukommen, Boser, zumal in dieser Maske? Wie kannst du es wagen

Blitze zuckten durch die Kammer, Lichtbogen griffen nach dem Mann, der in der Mitte stand und gelassen seine Zigarette rauchte. Obschon hei? genug, alles Lebende zu verschmoren und sogar das Flie?en eines Wesens aus reiner Energie zu storen, stand er, wie von einer unsichtbaren Luftblase geschutzt, in der Mitte des tobenden Gewitters. Keiner der Blitze traf.

Als Nikki das begriff, schaltete sie die Stromsto?e ab und uberlegte, was sonst auf ihn wirken mochte. Es roch nach Ozon. »Es ist Zeit zu gehen, Nikki«, sagte er halblaut.

»Nein, Boser! Du wirst mich nicht ergreifen!«schrie sie.

Er lachelte.

»Es ist Zeit fur dich, Nikki. Hochste Zeit. Deine Welt geht zu Ende. Teile davon hatten nie entstehen durfen. Teile davon werden jetzt anderswo gebraucht.«Er schien Tranen in den Augen zu haben. »Es tut mir leid, Nikki. Du hast nicht das Leben gehabt, wie es sein sollte — aber keiner von uns kann sein Schicksal ganz steuern. Du bist in ein ungluckliches Schicksal hineingeboren worden. Vielleicht ware es besser gewesen, es hatte dich nicht gegeben. Vielleicht ware dann nichts von diesen Dingen geschehen, nichts davon notwendig gewesen. Aber es ist, Nikki. Es existiert. Du bist um dein Leben betrogen, und deine Zeit ist um. Du mu?t jetzt gehen.«Er sagte es traurig, mit so tiefer Aufrichtigkeit, da? sie fast in ihr seniles Gehirn drang.

»Du bist der Feind!«sagte sie beharrlich, nun aber von Angst erfa?t.

Er lachelte.

»Ich bin der Freund«, erwiderte er. »Sieh mich an, Nikki. Sag mir, was ich bin.«

»Du bist tot!«schrie sie gellend. »Tot! Tot! Tot!«

Ein Grollen wurde horbar, und das trube Licht in der Kammer erlosch vollends, bis auf ein Leuchten, das nicht von den Maschinen in den Wanden stammte, sondern von dem Mann selbst. Auch er durchlief eine Verwandlung. Plotzlich war er sehr gro?, mit Kutte und Kapuze, und im Inneren der schwarzen Kleidung konnte man seine Gestalt sehen, eine geisterhafte, grauenhafte Gestalt.

Ein Skelett. Ein Skelett, das sie ansah, mit augenlosen Hohlen tief durch die Wande und Maschinen in die verstarkte Zelle starrend, wo ihr Gehirn und ihr Nervensystem in eine halborganische Substanz gebettet waren, die sie ernahrte.

Ein Skelett, eine Zigarette zwischen fleischlosen Kiefern.

»Du bist der Tod!«kreischte sie. »Fort mit dir! Fort! Ich habe den Tod uberwunden!«

»Ich bin die Ruhe«, erwiderte er. »Ich bin gekommen, dich zu holen, Nikki.«

»Nein!«heulte sie auf, bis ins Innerste der Seele verstort. »Nein! Fort, sage ich! Nein!«

Computer muhten sich, die Unausgewogenheiten auszugleichen, Normalitat herbeizufuhren, aber tief in dem uralten Gehirn quoll etwas hoch, unbeherrschbar, und Gefa?e platzten. Zeiger zuckten, den Kampf kurz anzeigend, und sanken auf Null.

Entsetzte olympische Technikerinnen, durch die Alarmanlagen herbeigerufen, wu?ten schon in diesem Augenblick, da? die Heilige Mutter tot war. Trotzdem sturzten sie zu den Liften und versuchten, die Kammern zu erreichen. Schlie?lich dachte jemand an das Not-Umweg-System und nahm es in Betrieb. Aufzuge fuhren zu den Tempel-Etagen hinauf und fullten sich rasch mit Hohepriesterinnen. Dann sanken sie hinunter, nervos, unsicher, und sturmten durch die Turen in die Kammer der Heiligen Mutter.

Niemand war da. Niemand. Aber auf dem Boden in der Mitte des ovalen Raumes lagen die zertretenen Uberreste einer noch glimmenden Zigarette.

Nautilus — Das Innere

Mavra Tschangs Argwohn uber Zigeuners Widerstreben, mit Nathan Brazil zusammenzutreffen, erwies sich als unbegrundet. Der seltsame, dunkelhautige Mann kehrte einen halben Tag nach ihrer Ruckkunft von Meouit ebenfalls zuruck, wollte aber zu dem, was er im Weltraum gemacht hatte, nur sagen, er hatte das Bedurfnis verspurt, einmal kurze Zeit allein zu sein. Auf irgendeine Weise wirkte er ganz anders; er redete immer noch wie ein erfahrener Hochstapler daher und war au?erlich unverandert, aber tief innen war da etwas, das jeder spurte, der ihn kannte, ohne bestimmen zu konnen, was es war. Bis dahin war etwas Kindliches an Zigeuner gewesen; man furchtete ihn seiner Talente wegen nicht und konnte ihn seines koboldhaften Humors wegen gut leiden. Das schien nun alles verschwunden zu sein; nur das Gehaben und die Rolle blieben.

Sie versammelten sich alle im Kontrollraum und warteten. Sie wu?ten selbst nicht genau, worauf: Brazil, Zigeuner, Marquoz, Mavra Tschang in Zentaurinnengestalt, dazu interessanterweise Yua.

»Bereiten Sie sich auf den Fall vor«, warnte Obie. Mavra fragte sich immer wieder, weshalb der Computer sich die Muhe machte; es gab keinen Weg, sich auf den Sturz vorzubereiten. Es kam die Schwarze, das anhaltende Gefuhl des Fallens, dann wurde wieder alles normal.

Obie hatte sie in den Kontrollraum gebeten, damit sie Fernsehschirme von der gro?en Schussel betrachteten, dem riesigen Zinder-Strahler, der den Hauptteil der unteren Oberflache des Planetoiden ausmachte.

Sie sahen eine Welt, die vorwiegend blaugrun und wei? war, aber mit Flecken von roter, gelber und anderer Farbe. Yua erkannte sie sofort und sagte stockend:»Das ist Olympus!«

Das Bild des Planeten verschob sich ein wenig, zuerst in der einen, dann in der anderen Richtung, als Obie die gro?e Antenne drehte, bis der Planet sich genau in Bildschirmmitte befand. Er pa?te die Umlaufgeschwindigkeit der Planetenrotation an, so da? er zu ihm in derselben Position blieb.

»Wir brauchen die Olympier«, erklarte Obies Stimme. »Sie konnen mit einem Mindestma? an Veranderung zur Vernunft gebracht werden. Ich habe vor, das jetzt zu tun. Ich habe die gro?e Antenne selten benutzt, au?er, um durch Feldumkehrung an verschiedene Orte zu gelangen, diesesmal drangt aber die Zeit, und ich mu? sie einsetzen. Ich habe Olympus auch deshalb ausgewahlt, weil ich das Schema der Bewohner kenne und es nicht weiter studieren mu?. Schlie?lich habe ich die Rasse erschaffen. Ich —«Er verstummte mitten im Satz und schwieg fast eineinhalb Minuten lang. Was konnte vorgehen? fragten sich die anderen.

»Verzeihung«, meldete sich Obies Stimme wieder. »Ich habe gerade eine Vielzahl von Sendungen aus Olympus aufgefangen. Das einzige wirkliche Problem fur mich ist offenbar ohne mich beseitigt worden. Nikki Zinder ist tot.«

»Die Heilige Mutter?«stie? Yua hervor. »Aber das kann nicht sein!«

»Doch, eigentlich schon«, erwiderte der Computer. »Gehirnzellen verschlei?en, erleiden Defekte und sterben selbst unter den gunstigsten Umstanden — und das waren die besten, glauben Sie mir. Ein schwerer Gehirnschlag, offenbar. Keine Anzeichen fur eine Einwirkung Dritter — die Techniker sagen, aus irgendeinem Grund sei ihr eine Dichtung geplatzt —, nur hat man am Boden der Kammer eine Zigarette gefunden. Erstaunlich!«

Zigeuner lehnte sich zuruck, zundete sich eine Zigarette an und sog den Rauch tief in sich hinein.

»Kein Anzeichen fur gewaltsames Eindringen, niemand konnte hinein und hinaus«, fuhr der Computer fort. »Ich habe die medizinischen Daten analysiert. Verbluffend. Ich mochte schworen, da? sie zu Tode erschreckt worden ist!«

Mavra seufzte.

»Die arme Nikki. Sie tut mir so leid. Sie hat nie die Chance gehabt, ein richtiges Leben zu fuhren.«

»So ist es besser fur sie«, sagte Nathan Brazil zu ihrer Uberraschung. »Das Leben ist ohnedies eine Tragodie.«Er schien Nikkis Tod ernsthaft zu bedauern.

»Man halt Sie fur Gott«, murmelte sie und sah ihn an. »Gibt es ein Leben nach dem Tod, wo sie Gluck finden konnte?«

Zu ihrer Verwunderung antwortete er.

»Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich wei? es nicht, weil ich diesem Leben nicht entkommen kann«, sagte er leise. »Die Mathematik la?t eine solche Moglichkeit zu, aber — wer wei?? Die Hinweise sind widerspruchlich. Ubrigens spielt das keine Rolle — selbst das wurde ausgeloscht werden, wenn dieser Sektor verschwindet.«

Das war zu bedruckend, und niemand wollte sich damit befassen.

»Auf den Schirmen werden sie nicht viel sehen«, erklarte Obie. »Ich programmiere die Olympier um. Nathan Brazil ist gefunden worden und hat das Sagen, und er stellt ihnen neue Aufgaben. Sie werden seine Befehle

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