Zeit verging. Yua schlug vor, man moge sich ausruhen, aber die anderen lehnten ab, sogar Zigeuner.

»Ich wei? nicht, wie Ihr denkt«, sagte Marquoz zu der Runde, »aber ich bleibe hier, bis die Holle gefriert. »Ich mu? wissen, wie das ausgeht.«Er warf einen Blick auf Mavra. »Wissen Sie, wenn Obie wirklich etwas zusto?t, bleiben Sie von jetzt an eine Rhone-Frau.«

Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.

»Es spielt keine Rolle«, sagte sie schlie?lich. »Wenn Obie uns nicht zur Schacht-Welt bringen kann, mussen wir ohnehin durch ein Markovier-Tor hinein. Das hei?t, wir mussen durch den Schacht und werden auf jeden Fall in andere Wesen verwandelt. Und diesmal werden wir fur den Rest unseres Lebens bleiben, was er uns zudiktiert.«

Der Gedanke hatte etwas Ernuchterndes an sich.

Zigeuner lachte leise.

»Ja, Marquoz, und du wirst in einen Menschen verwandelt.«

»Gott behute!«sagte der kleine Drache naserumpfend. »Die Chancen stehen eins zu siebenhundertachtzig, glaube ich. Verla? dich nicht drauf. Vergi? nicht — du konntest ein Chugach werden.«

»Ach du liebe Gute!«sagte Zigeuner mit gespieltem Entsetzen. »Immerhin waren dann die Zigaretten leicht anzuzunden. Oder gibt es auf dieser Schacht-Welt keine?«

Yua wandte sich Mavra zu, die mit ihrem Pferdeleib alle anderen uberragte.

»Sie sind schon dortgewesen«, sagte sie. »Wie ist es da?«

Mavra lachelte trub.

»Eigentlich wie uberall. Stellt euch einen Planeten vor, der aus vielen kleinen Planeten besteht — genau funfzehnhundertsechzig Stuck; am Aquator der Schacht-Welt ist jeder ungefahr sechshundertfunfzehn Kilometer breit — nach den Polen hin verschiebt sich das ein wenig. Jeder hat die Form eines Sechsecks — die Markovier hatten eine Macke, was die Sechs betrifft. Jeder mit seinen eigenen Pflanzen, Insekten, was man will, und alle mit verschiedenen dominierenden Rassen. Alle, die auf Kohlenstoff aufgebaut sind, befinden sich sudlich des Aquators — insgesamt siebenhundertachtzig. Die nordlich des Aquators beruhen nicht auf Kohlenstoff. Dort ist alles moglich.«

»Und man kann zwischen ihnen wechseln?«

Mavra nickte.

»Das ist wie eine unsichtbare, ungreifbare Wand. Auf der einen Seite kann es eiskalt, auf der anderen gluhend hei? sein. Aber Flusse, Bergketten und alles mogliche lauft ohne Rucksicht auf Grenzen hindurch. Hort sich an wie eine Welt aus lauter Kasten, aber das ist nicht der Fall — die Kusten sind unregelma?ig; Erosion, Ablagerungen und vulkanische Krafte wirken dort wie anderswo. Jedes Sechseck ist ein kunstliches Gebiet, fur die von den Markoviern bestimmte Lebensform okologisch ideal. Mutma?lich war jedes ein kleines Labor. Markovische Techniker dachten sich die Welten aus, richteten sie ein und verfolgten die Entwicklung, um zu sehen, ob sie lebensfahig waren. Wetter, Klima, Atmosphare, alles fur eine bestimmte Kategorie von planetarischen Bedingungen optimal eingerichtet. Es gibt auch Behinderungen — in manchen Sechseck-Welten funktionieren keine Maschinen, wenn sie nicht von Muskelkraft betrieben werden, in anderen nur begrenzte Maschinerie wie Dampfmaschinen — und in manchen funktioniert alles, so wie hier. Diese Rangfolge der Technologien sollte wohl bestimmte Hilfsmittel — oder ihren Mangel — ausgleichen, die neue Rassen auf den zu besiedelnden Planeten vorfinden wurden. In manchen Fallen auch Magie — die Fahigkeit, einige Krafte durch den Schacht zu steuern. Kunstliche Magie, gewi?, aber nicht weniger wirklich, weil nur die eine Rasse sie anwenden kann. Es konnte auch andere Erschwernisse gegeben haben.«

»Man mochte glauben, da? sie kampfen wie die Wilden — oder sich blind vermehren«, meinte Marquoz.

»Der Schacht kontrolliert die Bevolkerung und halt sie fur jedes Sechseck bei ungefahr einer Million«, erklarte Mavra. »Wenn etwas auftritt — Krieg, Seuche, Naturkatastrophe —, das eine Gruppe dezimiert, dann vermehren sie sich wie die Kaninchen, bis der Verlust ausgeglichen ist. Was Kriege betrifft — nun, es hat kleinere Auseinandersetzungen gegeben. Die Menschen dort entwickelten eine hochtechnologische Zivilisation, der schlie?lich die Rohstoffe ausgingen, so da? sie die nicht-technologischen Ambreza nebenan angriffen. Die Ambreza fanden ein Gas einer fremden Rasse aus der nordlichen Halbkugel — allerdings sind alle Nordlander fremdartig, selbst nach den Ma?staben der Schacht-Welt — und jagten die Menschen damit ins Steinzeitalter zuruck, worauf sie mit ihnen die Sechsecke tauschten. Die Menschen sind primitiv und in Stammen zusammengeschlossen — das waren sie jedenfalls bei meinem letzten Aufenthalt — und werden von den Ambreza in diesem Zustand erhalten, die die Rohstoffe ihres fruheren Landes und die Technologie der menschlichen Vergangenheit genie?en. Ein wichtiges Exportgut ist Tabak, Zigeuner. Er kommt nicht uberall vor, ist aber bekannt und wird hoch geschatzt. Das kann aber ein teurer Genu? werden.«

»Es mu? doch aber auch gro?ere Kriege geben«, warf Marquoz ein. »Das hatte ich fur naturlich gehalten.«

»Vielleicht fur naturlich«, sagte Mavra, »aber ich wei? nur von zwei solchen Kriegen. Es gab einen beruhmten Eroberer, der Schwierigkeiten hatte, weil seine Hoch-Tech-Waffen in einer Mehrheit von Sechsecken nicht funktionierten — eine nicht wirksame Laserpistole ist eine schlechte Waffe gegen einen geubten Bogenschutzen — und manche Sechsecke waren so ungemutlich, da? seine Nachschublinien zu lang wurden und nicht aufrechterhalten werden konnten. Das war die gro?e Lehre — man kann die Schacht-Welt nicht erobern. Als Obie und ich das letztemal dort waren, brach ein Krieg aus, der darum ging, die Fahrrakete zu erlangen, die einige von uns hinuntergebracht hatte. Man wollte Obie erreichen und unter Kontrolle bringen. Auf der Schacht-Welt funktioniert Raumfahrt einfach nicht, wenn sie von Grund auf entwickelt wird, aber das war ein fertiges Raumfahrzeug. Der Krieg war blutig und brutal, regelte aber nichts, weil die Raumfahrtantriebe von einer Eremitenrasse zerstort wurden, die der Meinung anhing, niemand sollte sie haben.«

Marquoz nickte.

»Ich habe die Kom-Unterlagen gelesen.«

»Sie sagten, Sie waren dort notgelandet«, meinte Yua. »Das hei?t, da? Sie selbst die Verwandlung im Schacht der Seelen nie durchgemacht haben.«

»Richtig. Eine ganz bose Rasse mit dem Namen Olborn besa? Steine, die jedes andere Wesen — oder auch sie selbst — in Lasttiere von der Art kleiner Esel verwandeln konnten. Ich bekam die Behandlung halb zu spuren und verbrachte lange Jahre mit dem Gesicht nach unten, auf vier Beinen mit Hufen, ohne Hande, ohne auch nur den Blick heben zu konnen.«Ihre Augen funkelten zornig. »Man legte mich auf Eis, fur den Fall, da? man einen Piloten brauchte. Sie konnten es sich nicht leisten, mich durch den Schacht gehen zu lassen, weil sie keinen Einflu? darauf hatten, als was oder wo ich herauskommen wurde.«

»Wie?«fragte Marquoz.

»Ein Halunke namens Serge Ortega«, sagte sie gereizt. »Ein Riesenwesen mit Walro?kopf, sechs Armen und langem Schlangenkorper. Ehemals ein Mensch, wie es hei?t, und fruher Frachterkapitan. Er fand irgendeinen Weg, praktisch unsterblich zu sein, solange er in Zone bleibt, dem normalen Zugang zur Schacht-Welt. Vermutlich gibt es ihn immer noch.«Sie lachte trocken. »Wenn es einen Mann gibt, den ich immer noch wirklich hasse, dann ist es vermutlich Ortega. Ich habe mir geschworen, ihn eines Tages umzubringen, wie ich die Manner getotet habe, die meinen Ehemann ermordeten. Ortega hatte kein Recht mir das anzutun!«

Nach einer langen Pause sagte Zigeuner:»Ich hatte gedacht, Sie waren langst zur Schacht-Welt geflogen, um ihn aus dem Weg zu raumen.«

»Obie lie? es nicht zu«, antwortete sie. »Obie hatte keine Macht uber die Schacht-Welt und wollte mich nicht hinbringen, damit ich einfach eine alte Rechnung beglich. Ich habe das Gefuhl, da? er Ortega aus irgendeinem Grund immer gut leiden konnte. Ich wei? nicht. Ortega und ich waren jahrelang eng verbunden, ohne da? ich ihm einmal begegnet ware. Sonderbar.«

»Und dort gehen wir alle hin«, stie? Yua hervor. »Es klingt unfa?bar. Aufregend. Ich kann es kaum erwarten.«

»Genie?en Sie es, solange Sie konnen«, sagte Mavra scharf. »Die Schacht-Welt ist alles, nur nicht romantisch. Sie ist gefahrlich und todlich. Ich habe sie nie vermi?t.«

»Nun, trotzdem, ich —«begann Yua, aber in diesem Augenblick gab es ein scharfes, knisterndes Gerausch, als hatte in ihrer Nahe ein Blitz eingeschlagen. Sie zuckten alle zusammen und fuhren herum.

Nathan Brazil stand bleich und zitternd auf dem Podium. Er starrte ins Leere. Sie regten sich sekundenlang nicht und starrten ihn angstvoll an.

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