Es gab wenige solche Beispiele, dachte er traurig, wenige, aber immer das eine, immer zu einer Zeit, wenn man schworen mochte, von Gro?e sei nichts mehr zu spuren, der menschliche Geist sei erlahmt, alles sei verloren. Dies war ein solcher Augenblick, dachte er. Es mochte lange, sehr lange dauern, bis dergleichen wieder vorkam, aber zum erstenmal vermochte er zu glauben, da? es wieder vorkommen
Der Gedanke verbluffte ihn ebenso wie seine Fahigkeit, ihn nach so langer Zeit uberhaupt fassen zu konnen. Konnte es sein, da? auch seine eigene Flamme nicht erloschen war? dachte er.
Es erstaunte ihn auch, da? sie nur zu dritt waren. Er, Mavra und der Gedemondaner, den sie brauchten, um miteinander sprechen zu konnen. Er hatte es mehr Leuten angeboten, eigentlich jedem, der mitkommen wollte. Sie hatten es vorgezogen, am Pa? zu bleiben. Vielleicht sind sie die Klugeren, dachte er wehmutig. Ihnen war wenigstens die Wahl geblieben.
»Was wird geschehen, wenn wir… hineingehen?« fragte Mavra und blickte wieder auf die scheinbar undurchdringliche Wand.
»Um Mitternacht werden die Lichter fur diesen Bereich angehen«, erwiderte er. »Dann wird das Stuck um die Avenue verblassen, und man kann ins Innere treten. Dort werden weder Sie noch der Gedemondaner sich verwandeln, aber ich werde es tun. Die Anlage ist fur Markovier entworfen worden, wird mich also in einen solchen verwandeln. Sie sind ziemlich ha?lich und abschreckend, schlimmer als das meiste, was Sie bisher gesehen haben. Lassen Sie sich davon aber nicht beirren. Das werde immer noch ich sein. Danach fahren wir hinunter zum gro?en Kontrollraum, ich betatige mich am Sechseck-Welt-System, um es wieder einzuschalten und den Ruf einzuspeisen, dann stellen wir fest, wie gro? der Schaden ist.«
»Den Ruf?« wiederholte sie.
Er nickte.
»Ja. Die Bevolkerung in jedem Hex halbieren, die Tore vorbereiten und jene, die wir brauchen, zu den Dingen veranlassen, die getan werden mussen, sobald sie geschehen mussen. Sie werden sehen. Es ist nicht so kompliziert, wie es klingt.«
»Und was ist mit uns?« fragte sie. »Was geschieht mit uns?«
»Sie werden Markovier werden, Mavra«, sagte er. »Das ist aus mehreren Grunden notwendig, und nicht der kleinste davon ist der, da? der Schacht auf das markovische Gehirn eingestellt ist und man ein Markovier sein mu?, um zu begreifen, was er ist und leistet. Au?erdem bekommen Sie dann ein vollstandiges Bild davon, was
Er erwahnte den Gedemondaner naturlich nicht. Er hatte keine Ahnung, was er mit dem Wesen anfangen sollte, aber es wurde rasch beseitigt werden mussen oder im Weg sein. Eigentlich verdiente es eine Belohnung, aber er wu?te noch nicht recht, wie sie aussehen sollte. Die Moglichkeit, da? es einen Gedemondaner mit Zugang zum Schacht gab, erschien nicht gerade erfreulich.
Es war ganz dunkel geworden, und Mavra sagte mit einer Geste zu dem Gedemondaner, aber zu beiden:»Da! Man kann von hier die Sterne sehen.«
Die beiden anderen schauten hinauf, und in der weiten Lucke zwischen dem Ende der Klippen und der Aquatorbarriere waren die Spiralen und spektakularen Muster des Sechseck-Welt-Himmels deutlich sichtbar. Es war der eindrucksvollste Himmel aller bewohnbaren Planeten, den Brazil je gekannt hatte, erfullt von riesigen Nebeln und leuchtenden Gasen. Der Gedemondaner blickte aber nicht lange hinauf; er kannte das schon zu gut.
Niemand besa? eine Uhr oder konnte angeben, wieviel Zeit verging; sie wurden einfach warten mussen, bis das Licht endlich aufflammte.
Ach was, dachte er. Ebensogut konnte er den Gedemondaner gleich fragen.
»Sprecher? Was wunschen Sie sich? Was soll ich fur Sie und mit Ihnen machen?«
Der Gedemondaner zogerte nicht.
»Fur mich selbst wunsche ich nichts, au?er zu meinem Volk zuruckgebracht zu werden«, erklarte er. »Fur mein Volk wunsche ich, da? du untersuchst, warum das Experiment, das hier gelungen war, drau?en scheiterte, und du das Notwendige veranla?t, damit beim nachstenmal wenigstens ertragliche Aussichten bestehen.«
Brazil nickte. Das horte sich plausibel an. Er machte sich aber Gedanken uber das Wesen, ob es wirklich ganz aufrichtig war. Sehr oft landete mehr als eine Rasse auf einem bestimmten Planeten, sobald ein Muster festgelegt war, manchmal durch Absicht, weil sie etwas beizusteuern haben mochte, ab und zu auch durch Zufall. Vollig exakt lief das Verfahren nicht ab. Den insektenartigen Ivrom etwa war es beim letztenmal gelungen, durch Zufall oder ihre eigene Einwirkung ein paar Brutwesen mit auf die Erde zu befordern, und sie waren zur Grundlage fur viele Legenden uber Feen, Kobolde und andere schalkhafte Geister geworden. Auch einige von anderen; auf der Alten Erde hatte es einmal eine Kolonie von Umiau gegeben, dort Meerjungfrauen genannt, der Theorie zufolge, da? vielleicht eine zweite Rasse in den Meeren leben konnte, wahrend die erste sich auf dem Land ausbreitete.
Die Rhone — Abkommlinge der Dillia-Zentauren — hatten schon fruh Raumfahrt entwickelt. Eine Forschungsgruppe war auf der Alten Erde abgesturzt, als ihre menschlichen Bewohner sie noch fur eine flache Scheibe auf dem Rucken einer Schildkrote oder dergleichen gehalten hatten, und es war ihnen gelungen, dort zu uberleben, verehrt sogar von manchen primitiven Menschen als Gotter oder gottahnliche Wesen. Fur die rohe Barbarei der Erde waren sie jedoch zu weise und zu friedlich; man hatte sie schlie?lich gejagt und ausgerottet. Er selbst hatte dafur gesorgt, da? ihre Uberreste zerstort wurden und bis auf die Legende davon, was der Mensch den gro?en Zentauren angetan hatte, nichts blieb. Aber als die Rhone, ins Ungluck geraten, den Weltraum zuerst verloren, dann wiedergewannen und die von Menschen bewohnten Bereiche erneut erforschten, hatten sie auf irgendeine Weise vom Schicksal der fruhen Forscher erfahren. Die Menschen waren in ihren kollektiven Alptraumen aufgetaucht, lange vor der dauerhaften Entdeckung, und das hatte sie von der Menschheit ferngehalten, obwohl sie zur praktischen Partnerschaft bereit gewesen waren.
Was die Gedemondaner anging, so gab es Legenden sowohl auf der Heimatwelt der Rhone wie auf der Alten Erde, von riesigen menschenartigen, geheimnisvollen Wesen, die sich im hochsten Gebirge und in der fernsten Eiswuste herumtrieben, wahrend der ganzen Geschichte den technologischen Menschen meidend, abgesehen von kurz erhaschten Blicken, Legenden, halb geglaubten Geschichten. Waren einige davon, die Yeti, die Sasquatch und andere, wirklich die weiterentwickelten Nachkommen von Gedemondanern, die aus irgendeinem Grund auf den falschen Planeten geraten waren? Er fragte sich das selbst.
Die Zeit schleppte sich hier am Aquator, an der Avenue muhsam dahin. Mehr als einmal hatte der eine oder andere von ihnen das Gefuhl, es
Das Warten war das Allerschlimmste, entschied Mavra.
Plotzlich sagte der Gedemondaner:»Ich spure, da? jemand in der Nahe ist.« Seine Stimme klang besorgt.
Brazil und Mavra schauten sich in der Dunkelheit um, konnten aber nichts Ungewohnliches sehen oder horen. In beiden lauerte die Angst, da? die bewaffnete Truppe sie im letzten Augenblick einholen wurde, da? Serge Ortega und seine Leute den Borgo-Pa? nicht lange genug hatten halten konnen.
Der Gedemondaner spurte ihre Angst.
»Nein. Nur drei. Sie scheinen rechts von uns zu sein. Es ist sehr merkwurdig. Sie scheinen im massiven Fels zu sein und schnell auf uns zuzukommen.«
Mavras Kopf zuckte hoch.
»Es sind die Dahbi!« sagte sie scharf. »Sie konnen das!«
»Ich habe den Kerl schon zum zweitenmal unterschatzt«, knurrte Brazil. »Wahrend Serge und seine Leute die Armee aufhalten, umgeht Sangh den Pa? auf die einzige Weise, zu der er imstande ist. Der Hinterhalt im Pa? hat ihm verraten, was er wissen wollte — da? wir hier sind. Wenigstens kann er auf diesem Weg keine Waffen mitnehmen.«
»Er braucht sie nicht«, gab sie zuruck. »Die Vorderbeine sind wie Schwerter, die Kiefer wie Schraubstocke. Und wir haben auch keine Waffen.« Sie schaute sich um. »Und konnen nirgends hin.«
»Au?er hinein«, sagte er seufzend. »Aber darauf durfen wir uns nicht verlassen.«
Der Gedemondaner drehte sich um und starrte auf eine Felswand, keine funfzehn Meter von ihnen entfernt.