er verdient hatte.«
»Und ein Gluck fur uns«, meinte sie. »Er hatte uns am Ende beinahe noch erwischt.«
»Nein«, sagte Brazil. »Er hatte schon verloren. Es war ihm nur noch nicht klar. So schwer das auch zu glauben sein mag, Mavra, es war fur die Barriere noch nicht an der Zeit, sich zu offnen. Es gab einen — nennen wir es Defekt. Einen passenden Defekt, als ich von einem Todfeind in die Enge getrieben worden war. Der Schacht sorgt fur die Seinen, Mavra, selbst wenn man es nicht will. Und hier im Inneren bin ich unverwundbar.«
Sie sah zu ihm auf, und er konnte ihren Widerwillen vor seiner Erscheinung fuhlen, einen Ekel vor dem grauenhaften Geruch, wie nach Verwesung.
»So haben die Markovier ausgesehen?« stie? sie hervor. »Die legendaren Gotter, die utopischen Herren der Schopfung? Ach du lieber Gott!«
Er lachte.
»Du hast genug fremdartige Formen auf dieser Welt und im Universum gesehen, um zu wissen, da? die Menschheit weder einzigartig noch das Modell fur die Schopfung gewesen ist. Die Markovier haben sich auf naturliche Weise entwickelt. Unter Bedingungen, die vollig andere waren als beim Menschen, ganz andere als bei den meisten Rassen unseres Universums. Was fur dich gra?lich ist, war fur sie sehr praktisch. Nach ihren Ma?staben bin ich hochgewachsen, dunkelhaarig und gutaussehend.«
»Es ware leichter, wenn Sie nicht so stinken wurden«, erklarte sie.
»Was soll ich tun?« fragte er und tauschte verletzten Stolz vor. »Also fangen wir an. Wenn du den Mut aufbringst, wirst du diesen Geruch als exotisches Parfum empfinden.«
»Das bezweifle ich«, murmelte sie, aber als er, die Tentakel als Beine benutzend, davonging, folgte sie ihm und staunte uber die Leichtigkeit und Sicherheit seiner Bewegungen.
»Die Markovier mogen zwar fremdartig aussehen, sogar absto?end, doch sie waren in mehr als nur geistiger Beziehung unsere Verwandten«, erklarte Brazil, als sie weitergingen. »Diese Lebensform atmete eine Atmosphare, die vertraglich ist mit dem, was du gewohnt bist. Die Zusammensetzung ist ein wenig anders, aber nicht so sehr, wie man erwarten wurde. Und die Zellstruktur, der ganze Organismus, beruht auf Kohlenstoff und funktioniert ganz ahnlich wie die anderen Kohlenstoff-Wesen, die wir so gut kennen. Er i?t, schlaft, geht sogar auf die Toilette wie ganz normale Leute, obwohl in diesem Stadium Schlaf nicht unabdingbar bist. Sie sind daruber hinausgewachsen und erlangten die Fahigkeit zu willkurlichen Stillegungen, was denselben Zweck erfullt. Jedenfalls waren sie uns biologisch so ahnlich, da? sie mit dem ubereinstimmten, was wir von anderen Lebensformen wissen. Sie versto?en gegen keine Gesetze.«
Er trat auf einen Gleitweg auf der anderen Seite einer einen Meter hohen Sperre. Als er sah, da? sie ihm gefolgt war, hieb er mit einem Greifarm auf die Sperre, und der Gleitweg setzte sich in Bewegung. Als sie davongetragen wurden, ging das Licht hinter ihnen aus, und die Lichter in ihrem Bereich und unmittelbar davor schalteten sich ein.
»Das ist der Gleitweg zum Schacht-Zugangstor«, sagte er. »Fruher wechselte jeden Tag an jeder Avenue eine Schichtbesatzung. Die Arbeiter und Techniker kamen herein, wie jetzt wir, und fuhren zu ihren Arbeitsplatzen hinunter. Gegen das Ende zu, als nur die Projektleiter ubrig waren, beschrankten sie den Zugang bei jeder Avenue auf Mitternacht, und jeweils auf kurze Zeit, vor allem dazu, da? die Grenz-Sechsecke mit ihrem eigenen Wachstum und ihrer Entwicklung fortfahren konnten. Die Zugange wurden spater nur auf die Projektleiter beschrankt, die sich den jeweiligen Rassen angeschlossen hatten, damit niemand hereinsturzen konnte, der es sich anders uberlegt hatte. Als ich das letztemal hier war, stellte ich sie darauf ein, da? sie nur auf mich reagierten, weil es theoretisch moglich war, da? jemand das Problem der Schlosser loste.«
Sie fuhren in unheimlicher Stille weiter, wahrend vor ihnen Lichter aufflammten und hinter ihnen die anderen erloschen. Der Gleitweg selbst leuchtete, so weit sie hinausblicken konnte, obwohl keine Lichtquelle erkennbar war. Sie bemerkte, da? der Gleitweg schneller wurde und sie jetzt nicht nur vorwarts, sondern auch hinabfuhren, in die Tiefen des Planeten hinein. Sie gelangten in eine schwach beleuchtete Kammer, und unter ihnen wurde ein von Licht umrandetes gro?es Sechseck sichtbar.
»Das ist das Zugangstor vom Schacht«, sagte er. »Eigentlich nur eines von sechs. Es kann dich hinfuhren, wohin du auf der Sechseck-Welt oder im Schacht willst. Wir gehen zum gro?en Kontrollraum und zu den Uberwachungsstationen. Ich mu? zuerst alles uberprufen und feststellen, ob alles wie geplant ablaufen wird, und dann naturlich klaren, wie stark der Schacht beschadigt ist. Vielleicht hat Obie sich geirrt, und wir brauchen nichts Drastisches zu tun.«
Er stieg vom Gleitweg, als er das Sechseck erreichte, und trat hinein. Sie zogerte kurz, dann folgte sie ihm. Alles Licht verschwand, und einen Augenblick lang glaubte sie zu fallen, dann war die ganze Welt plotzlich wieder von hellem Licht uberflutet, und sie stand abermals auf festem Boden.
Es war eine riesige Kammer, vielleicht einen Kilometer im Durchmesser weit, halbkreisformig, und die Decke wolbte sich hinauf und uber ihnen. Hunderte von Korridoren fuhrten in alle Richtungen. Das Tor befand sich in der Mitte der Kuppel, und Brazil trat rasch hinaus, gefolgt von Mavra, die nervos war, weil sie befurchtete, das Tor konnte sie an irgendeinen entlegenen Ort des Komplexes befordern, wo man sie nie mehr finden wurde.
Wande, Decke, sogar der Boden, alles schien aus winzigen, sechseckigen Kristallen aus poliertem wei?em Glimmer zu bestehen, die das Licht zuruckwarfen und wie Millionen Diamantensplitter glitzerten.
Brazil blieb stehen und zeigte mit einem Tentakel uber die Schulter zum Tor. Von Kraftfeldern gehalten, mitten zwischen Tor und Kuppeldach, schwebte ein riesiges Modell der Sechseck-Welt, das sich ganz langsam drehte. Es besa? eine Tag/Nacht-Grenze, war auf der einen Halbkugel dunkel, und schien aus demselben Material wie die Wande zu bestehen, obwohl die Sechsecke an dem Modell sehr gro? waren und es an den Polen dunkle Stellen und ein dunkles Band rund um den Aquator gab. Die Kugel war bedeckt von einer dunnen, durchsichtigen Schale, die ebenfalls in Abschnitte aufgeteilt zu sein schien. Die durchsichtigen Sechsecke pa?ten genau auf die darunterliegenden.
»Es sieht nicht so hubsch aus wie die echte Welt vom Weltraum aus«, meinte Mavra, »aber eindrucksvoll ist es doch.«
»Man sieht die kleinen Unterschiede in zuruckgespiegeltem Licht auf jedem Sechseck«, erklarte er. »Das ist markovische Schrift. Die Nummern gehen von 1 bis 1560, in einer Mathematik, die auf der Sechs beruht, versteht sich. Die Ziffern sind aber nicht in irgendeiner Reihenfolge angebracht, weil hier uber eine Million Rassen geschaffen wurden, und nur die letzte Gruppe, die letzten 1560, verblieben ist. Sobald eine Rasse gebilligt wurde, nahm man sie heraus, baute das Rechteck fur den neuen Versuch um und teilte eine neue Ziffer aus den geleerten Sechsecken zu. So kann Glathriel Nummer 41 sein und Ambreza, gleich daneben, 386. Ein bi?chen unubersichtlich, aber es spielte ja keine Rolle.«
»Sehr eindrucksvoll und dekorativ«, erklarte sie lobend.
Er lachte.
»Ach, das ist nicht nur Dekoration. Das ist das Gehirn, das die Sechseck-Welt betreibt. Das Arbeitsmodell fur den Schacht der Seelen. Eigentlich das Herz des Ganzen, weil es auch die Hauptenergiequelle fur den Schacht ist und die Grundgleichungen liefert, die notig sind, damit die Welt richtig funktionieren kann. In gewissem Sinn ist das ein gigantisches Computerprogramm. Es bezieht seine Energie aus einer Singularitat, die bis in ein Alternativ- Universum reicht. Wenn der Schacht nicht leicht zu reparieren ist, mussen wir ihn von dort ablosen. Das wird sich auf die Sechseck-Welt nicht auswirken, aber alle Programme im Schacht selbst loschen. Wenn wir den Anschlu? wiederherstellen, nimmt er alles auf, als handele es sich um vollig neue Daten. Da das langsam und stufenweise zugefuhrt wird, wartet das Programm, wenn es beschadigte Bereiche findet, und es setzen Notprogramme ein, um das zu reparieren oder zu ersetzen, was notig ist.«
»Sie konnen es nicht nur bei den beschadigten Stellen abschalten?«
»Nein. Das ware eine gute Idee und theoretisch vielleicht sogar ausfuhrbar, aber wir brauchten hier das gesamte Computerpersonal der Markovier, um das zu bewaltigen. Es wurde bedeuten, da? alles vollig neu programmiert werden mu? — also ein neues Programm zu schreiben ist. Das kann man bei der Sechseck-Welt tun, aber nicht bei dem gro?en Computer, weil sie nie geglaubt haben, das mu?te ein zweitesmal geschehen.«
»Wir werden also mehr oder weniger in der Zeit zuruckgehen, die Bedingungen wiederherstellen, die existiert haben, kurz bevor der gro?e Computer eingeschaltet wurde, und dann praktisch wiederholen, was sie getan haben«, sagte sie, um sich selbst Klarheit zu verschaffen.
»Richtig. Und die Eigenreparatur- und Korrektur-Schaltungen werden sich mit dem Schaden befassen. Sie sind eingebaut worden, weil niemand wu?te, ob wirklich alles hundertprozentig in Ordnung war, ob man nicht