trotz der schutzenden Rustung. Wir alle hielten uns mit unseren nutzlosen Handen die Ohren zu und taumelten hin und her, und dann fuhren wir alle zuruck, als die Welt selbst sich mitten im Lageraum spaltete - und Janitscharen Jane hereinstolperte. Sie warf sich durch den Spalt, ihr Tarnanzug angekokelt und schmutzig und stellenweise sogar noch qualmend. Explosionen und grelle Lichter und wutend erhobene Stimmen kamen aus dem Riss hinter ihr her und wurden plotzlich abgeschnitten, als der Riss sich mit einem Ruck schloss. Die Spannung in der Luft war sofort verschwunden und wir alle rusteten etwas verlegen ab, wahrend Janitscharen Jane zitternd und atemlos vor uns aufstand. Sie schluchzte heftig und sah aus, als hatte sie ihren Weg durch die Holle selbst gekampft, nur um zu uns zu gelangen. Sie hob ein zerschlagenes Gesicht, schnuffelte und unterdruckte ihre Tranen und sah mich triumphierend an. Dann setzte sie sich urplotzlich, als ware mit einem Mal alle Kraft aus ihren Beinen verschwunden.
»Okay!«, schrie ich und sah mich um. »Beruhigt euch alle wieder. Das ist kein Notfall. Ich wei?, wer das ist. Richtet eure Aufmerksamkeit darauf, den Verteidigungswall wieder aufzubauen und stellt sicher, dass ihr keiner gefolgt ist - wo zur Holle auch immer sie herkam.« Ich kniete neben Janitscharen Jane nieder. Sie zitterte jetzt heftig und atmete schwer. Ihre Augen konnten keinen Fokus halten. »Jane?«, fragte ich. »Ich bin's, Eddie. Bist du okay?«
Sie sah ziemlich schlimm aus. Ihr Kampfanzug war stellenweise verbrannt und mit Blut aus einem Dutzend hasslicher Wunden getrankt. Teile ihrer Kampfbewaffnung sahen halb geschmolzen aus. Ihr Gesicht wurde immer wieder schlaff, als wurden Schmerz, Anstrengung und Erschopfung sie uberwaltigen. Wenn das letzte bisschen Adrenalin in ihr sich abbaute, wurde sie zusammenbrechen, und das vollstandig. Ich musste die Antworten also aus ihr herauskriegen, solange ich noch konnte. Ich packte sie an den Schultern, zwang sie, mich anzusehen und nannte sie wieder beim Namen. Ihr Kopf schoss hoch, als hatte ich sie aus einem tiefen Schlaf geweckt.
»Eddie, ich hab es geschafft. Ich bin wieder da. Verdammt …«
»Ich habe den Zettel gefunden, den du mit einem Messer an deine Tur gepinnt hast«, sagte ich und bemuhte mich um einen leichten Ton. »Also, hast du fur uns eine richtig gro?e Kanone gefunden?«
»Die gro?te«, meinte Jane und versuchte sich vergeblich an einem Lacheln. »Erinnerst du dich, Eddie, dass ich dir vom letzten Damonenkrieg erzahlt habe, bei dem ich dabei war? Der eine, wo ein paar verdammte Idioten aus Versehen ein Tor zur Holle offneten und eine Armee von Damonen rauskam?«
»Ja«, sagte ich und mein Herz sank plotzlich. »Am Ende wurden die Dinge so schlimm, dass ihr eine Superwaffe benutzen musstet, um das ganze Universum zu zerstoren, damit die Damonen es nicht als Basis fur die Eroberung anderer Universen benutzen konnten. Ich erinnere mich. Ich hab immer noch Albtraume.«
»Das war's«, sagte Janitscharen Jane. »Die Superwaffe. Die letzte Moglichkeit. Das Klagliche Ende.«
Sie hielt mir die Handflache hin und zitterte dabei bemerkenswerterweise nicht. Die Waffe sah ziemlich unauffallig aus. Aber auf der anderen Seite sieht man es den wirklich Widerwartigen oft nicht an. Das Klagliche Ende war nichts weiter als eine flache Silberschachtel, langweilig und leblos, mit einem roten Knopf auf dem Deckel. Sie fullte kaum Janes Hand, aber dennoch … irgendetwas war dran. Je langer ich sie ansah, desto unbehaglicher fuhlte ich mich, als ob ein gro?es und gefahrliches Tier gerade den Raum betreten hatte. Ich betrachtete die Schachtel sorgfaltig und war klug genug, nicht einmal zu versuchen sie anzufassen. Der Waffenmeister war gekommen und sah mir schwer atmend vor Aufregung uber die Schulter.
»Das ist ja mal beeindruckend«, sagte er. »So hohe Handwerkskunst und Geschicklichkeit sieht man heutzutage selten. Wie viele raumliche Dimensionen hat es? Ich verzahle mich standig. Und die Energiesignaturen sprengen jede Skala. Du musst es mir geben, damit ich es in der Waffenmeisterei auseinandernehmen kann.«
»Nein, Onkel Jack«, sagte ich entschieden.
»Ach, komm schon, ich habe diesen richtig geilen Hyperhammer, den ich schon immer mal ausprobieren wollte -«
»Nein, Onkel Jack! Was ist blo? los mit dir? Jane, was genau ist das? Was macht es?«
»Es ist einfach zu bedienen«, sagte sie und ihre Stimme klang ton- und leblos. Ihre Augen fielen wieder zu und das letzte bisschen Kraft verlie? sie. »Einfach den Knopf drucken und - bumm.«
»Kein Turm mehr?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Gar nichts mehr«, erwiderte Jane und blinzelte wie eine Eule. »Kein Universum mehr. Und nein, es gibt keine Zeituhr. Das Klagliche Ende ist ein Alles-oder-Nichts-Ding. Was ich hier habe, ist das Original, der Prototyp. Wir haben eine etwas verbesserte Version verwendet, als wir den Damonenkrieg beendet haben. Was ich euch hier mitgebracht habe, ist technisch gesehen, nicht getestet. Aber es sollte funktionieren. Ich wusste nicht, warum es das nicht sollte.«
Sie lie? die Hand sinken, als wurde das schauerliche Ding auf ihrer Handflache schwerer werden. »Ich hab's gestohlen, aus dem Schwarzen Museum fur die Soldner des Multiversums. Ich hatte eine Menge Leute zu toten, um dir das zu bringen, Eddie. Einige von denen waren mal meine Freunde. Irgendwann. Aber jetzt habe ich das Buch geschlossen und alle Brucken hinter mir verbrannt. Ich kann nicht wieder zuruck. Also gib mir keinen Grund, das zu bedauern, Drood.«
»Wie funktioniert das?«, fragte ich, weil ich irgendetwas sagen musste.
»Als ob du das kapieren wurdest, selbst wenn ich's erklare«, sagte Janitscharen Jane, und da war wieder etwas von ihrer alten Kraft in ihrer Stimme zu horen. »Ich muss nicht wissen, wie Waffen funktionieren. Ich bin Solderin, keine Mechatronikerin. Aber mir wurde gesagt, dass es eine weitgehend konzeptionelle Waffe ist. Was wir hier haben, ist ein hyperraumlicher Schlussel, der die eigentliche Waffe aktiviert, die in einer andersdimensionalen Falte verborgen ist und nur darauf wartet, entfesselt zu werden. Wenn man den Knopf druckt, sendet die Schachtel die Zielkoordinaten an die Waffe und - bumm! Dann hat man den Salat. Oder eigentlich hat man ihn nicht. Ein Universum weniger, um das Gott sich sorgen muss. Das Klagliche Ende, fur alles und jeden.«
»Aber grundsatzlich ist es ein ungetesteter Prototyp«, sagte ich vorsichtig. »Also ist da eine kleine, aber nichtsdestotrotz definitive Chance, das es vielleicht nicht so richtig funktioniert? Als solche?«
»Es ist eine letzte Losung«, meinte Janitscharen Jane mude. »Wenn man absolut alles versucht hat, und die Hungrigen Gotter dennoch kommen, um alles, was lebt, zu verschlingen … Dann ist das Klagliche Ende die letzte Chance, alles zu rachen. Ein Weg, um die Bastarde mit in den Abgrund zu rei?en und sicherzugehen, dass kein anderes Universum die Schrecken erleiden muss, die wir erleiden mussten.«
Ihre Augen flatterten zu, als die Erschopfung sie endlich ubermannte. Ich nahm die glanzende Metallschachtel mit spitzen Fingern und lie? Jane wegbringen, damit sie sich ausruhen konnte. Wenn sie aufwachte, so hoffte ich, wurde alles vorbei sein - auf die eine oder andere Weise. Obwohl, wenn es wirklich schlecht lief, ware es naturlich eine Gnade, wenn sie nie wieder aufwachen wurde …
Ich hielt das Ende der Welt auf meiner Handflache. Es wog fast nichts. Der Waffenmeister betrachtete es fasziniert, machte aber keinen Versuch, es sich zu nehmen.
»Ich frage mich, wer es gemacht hat«, murmelte er sehnsuchtig.
»Waffenmeister!«, sagte die Matriarchin und die scharfe Autoritat in ihrer Stimme lie? ihn sofort herumfahren. Er ging schnell zu ihr hinuber und sie sah ihn mit einem kalten, unerbittlichen Blick an. »Waffenmeister, ich autorisiere dich hiermit, den Armageddon-Kodex zu offnen. Wir brauchen die Verbotenen Waffen. Bring den Sonnenzerstorer, den Zeithammer, den Gotzen-Overall und das Winterleid. Bereite sie fur die Benutzung vor.«
»Nein!«, sagte ich sofort und meine Stimme ubertonte die der Matriarchin so deutlich, dass jeder im Lageraum aufhorte, das zu tun, was er gerade tat und uns beide ansah. Ich ging zum Waffenmeister und der Matriarchin hinuber und vermied dabei jegliche Hast. Ich erwiderte Marthas kalten Blick direkt und blinzelte nicht einmal. »Noch nicht, Gro?mutter. Wir konnen die Verbotenen Waffen erst dann benutzen, wenn die Hungrigen Gotter in unserer Realitat sind, denn der Ausbruch von so gewaltigen Kraften wurde unsere Welt mit gro?er Sicherheit zerrei?en. Und wir hatten noch nicht einmal die Garantie, dass die Waffen den Hungrigen Gottern uberhaupt schaden. Wir heben uns den Armageddon-Kodex auf, bis alles andere versagt hat. Und ich bin noch lange nicht am Ende mit meinen Planen.«
»Das Klagliche Ende wurde das ganze Universum zerstoren und nicht nur diese Welt«, sagte die Matriarchin. Sie gab nicht einen Zentimeter nach.
»Vertrau mir«, sagte ich. »Ich habe nicht die Absicht, das Universum in die Luft zu jagen. Ich hab eine viel bessere Idee. Wenn ich bei dieser Mission falle, dann kommt es auf dich an. Aber furs Erste, vertrau mir - Gro?mutter.«