nasse Erde. So dicht daneben gab es keinen Zweifel daran, dass das Ding auf seine eigene, ekelhafte Weise lebte. Es lebte und es war wachsam. Es wusste, dass wir da waren. Und es machte sich nichts daraus. Es war vollstandig und es war aktiviert. Wir waren zu spat gekommen.

Es bildete sich bereits ein Portal, eine Offnung an einen anderen Ort. Ich konnte ihn weder sehen noch horen, ihn aber auf eine primitive, tiefe Art und Weise fuhlen: Wie ein gro?es Auge, dass mich beobachtete, wie eine Wunde in der Welt, wie ein Tor in die Holle. Wie kalter, heftiger Wind, der mich aus einer Richtung anblies, die ich nicht ausmachen konnte, und der mich bis auf die Seele frieren lie?. Langsam wurden mir auch Gerausche bewusst und ich glaube nicht, dass ich sie mit meinen Ohren horte. Es waren Stimmen; heulend, kreischend, lachend, verbunden mit Lauten von zerrei?endem Fleisch und gro?en Kriegsmaschinen, die bis in alle Ewigkeit aufeinanderstie?en. Alle Gerausche der Holle auf Erden.

Molly packte mich am Arm. Sie schuttelte mich kraftig und ich kam wieder zu mir. Harry, Roger und Giles und selbst Mr. Stich standen immer noch mit gro?en Augen da und starrten gebannt auf das sich formende Portal und auf die seltsamen Energien, die um den Turm herum wirbelten und fluktuierten.

»Wir mussen etwas tun!«, sagte Molly. »Das Tor offnet sich! Sie kommen!«

»Ich glaube, Jacob und Jay haben es wohl doch nicht geschafft«, murmelte ich wie betaubt.

»Eddie …!«

»Ich wei?!«, sagte ich. »Ich wei?.« Ich sah sie an. »Wie fuhlst du dich, Molly?«

»Ich bin immer noch ich«, sagte sie und erwiderte meinen Blick fest. »Aber ich wei? nicht, fur wie lange noch.«

»Dann los«, sagte ich. Ich griff in meine Jackentasche und holte Janitscharen Janes Waffe heraus, die fur die letzte Losung. Das Klagliche Ende. Es sah immer noch nach nichts Besonderem aus.

»Haben wir das Recht, unser ganzes Universum zu zerstoren, nur um die Hungrigen Gotter zu vernichten?«, fragte Molly.

»Verdammt, nein«, sagte Roger plotzlich. Er hatte seine Aufmerksamkeit vom Turm endlich abwenden konnen und sah auf das kleine Ding in meiner Hand. »Ist es das, was ich denke? Eddie, das kannst du nicht machen. Nicht, solange es noch eine Chance gibt. Irgendeine!«

Ich musste grinsen. »Ein Damon, der an die Hoffnung glaubt. Jetzt habe ich wirklich alles gesehen.«

»Ich glaube an ihn«, sagte Roger und sah Harry an. »Ich muss hoffen - dass wir es zusammen schaffen. Nicht einmal ein Damon ist automatisch fur alle Zeiten verdammt. Du musst die Welt retten, Eddie, damit wir einen Ort haben, an dem wir zusammen alt werden konnen.«

»Wenn die Hungrigen Gotter durchkommen, dann werden sie diese Welt mit allem darin zerstoren«, sagte Molly. »Und dann weitermachen, von Welt zu Welt, bis es nichts Lebendiges mehr gibt. Das ist es, was sie tun. Sie sind kosmische Parasiten.«

»Ich habe nicht die Absicht, dieses Universum zu zerstoren. Oder diese Welt«, sagte ich. »Hatte ich nie. Ich denke … ich warte, bis das Portal weit genug geoffnet ist. Dann werde ich durchgehen, in ihr Universum, in ihre Welt und es dann in die Luft jagen, bevor sie durchkommen konnen.«

»Das kannst du nicht allein tun«; sagte Molly sofort. »Du wirst meine magischen Krafte brauchen, nur um in ihrer Welt lange genug zu uberleben, um den Knopf zu drucken. Ich werde dich nicht allein sterben lassen.«

»Molly …«

»Welchen Grund hatte ich schon zu leben ohne dich?«, sagte Molly. »Welchen Grund soll ich haben, zu leben, so wie ich bin?«

»Und mich wirst du auch brauchen«, sagte Giles Todesjager. Er hielt Harry und Mr. Stich an den Armen und zog sie vom Turm weg. Beide schuttelten den Kopf und kamen wieder zu sich selbst. Giles sah mich ruhig an. »Du wirst mich brauchen, um zu uberleben und in einer Alien-Welt agieren zu konnen. Du bist das nicht gewohnt. Ich schon.«

»In Ordnung«, sagte Harry, blinzelte heftig und bemuhte sich, nicht in Richtung Turm zu sehen. »Roger und ich und Mr. Stich bleiben hier und uberwachen die Lage.«

»In der Tat«, sagte Mr. Stich. »Ich kenne meine Grenzen.« Er nickte mir kurz zu. »Du bist naturlich ein Drood und hast deshalb keine. Das wei? jeder.«

Ich sah Giles an. »Ich habe dich nicht uber Tausende von Jahren hierher gebracht, damit du fur etwas stirbst, das dich nichts angeht.«

Er zuckte leichthin mit den Achseln. »Ich bin ein Krieger. Ich kampfe. Und au?erdem, hier geht's neben der Rettung der Menschheit auch um Familie. Du hast mich ins Boot geholt und mir das Gefuhl gegeben, einer von Euch zu sein. Das kannte ich vorher nicht. Ich hatte nie wirklich eine Familie. Du hast mir den Wert von Pflicht und Ehre und Verantwortung gezeigt. Du hast mir gezeigt, was es wirklich hei?t, ein Mensch zu sein; ein Drood und ein Todesjager zu sein. Also kampfe ich und wenn es sein muss, sterbe ich auch fur das, was du mir gegeben hast. Alles fur die Familie.«

Roger wandte sich zum Turm um und funkelte ihn bose an. »Es wei?, dass wir etwas planen. Es hat eine Art Ruf ausgesandt, oder eine Warnung. Es hat irgendetwas beschworen.«

Wir fuhren herum, denn aus dem Inneren des Bunkers horten wir Bewegungen. Das Gerausch von Leichen, die sich erhoben und langsam schlurfenden Schritten … und ich wusste sofort, was das war. Alle Toten in Trumans Basis erhoben sich dank der Macht des Turms, herbeibefohlen, um ihn zu verteidigen, um ihn in Zeiten der Not zu verteidigen. Die Toten wurden gerufen, um die Lebenden zu zerschmettern. Ich grinste Harry an.

»Sieht aus, als kame es jetzt doch auf dich an. Bleib hier und halt diese Dinger in Schach, so lange du kannst. Nur fur den Fall, dass wir drei wiederkommen. Man wei? ja nie.«

»Ich werde hierbleiben und aushalten, bis du wiederkommst oder die Holle zufriert«, meinte Harry. »Kann sein, dass ich ein Bastard bin, aber ich bin auch ein Drood. Solange es noch ein Stuck Hoffnung gibt, warte ich hier auf deine Ruckkehr.«

Das Portal offnete sich rund um den Turm, und faltete sich dabei so vielfach auf wie eine monstrose au?erirdische Blume. Seine Form ergab uberhaupt keinen Sinn, aber ich konnte etwas dahinter und jenseits davon sehen. Etwas, das mit jeder Sekunde realer wurde. Ich ging in die ausbrechenden Energien hinein, mit Molly Metcalf an einer Seite und Giles Todesjager an der anderen.

Die Welt blieb hinter uns zuruck.

Kapitel Sechzehn

Hochspannung

Der andere Ort traf mich wie ein Hammer und lie? mich in die Knie gehen. Allein das Gewicht dieser Welt war viel mehr als ich aushalten konnte. Es war, als ware ich in einer Ghoulstadt, nur viel starker und viel schlimmer. Der Himmel leuchtete in einem grellen Licht, blendend hell, als ware das ganze Firmament eine einzige Sonne. Die Luft war mit Hunderten von Geruchen ubersattigt, so duftend und faulig und intensiv, dass sie darum zu kampfen schienen, in meinen Kopf zu kommen. Uberall Gerausche; scharf und schneidend, tief und beunruhigend durchdrangen sie mein Fleisch und hallten in meinen Knochen wider, als kratze jemand mit seinen Nageln uber meine Seele. Ich umarmte mich selbst, um mich davor zu bewahren, auseinanderzufallen. Ich schlug die Augen nieder, um mich vor dem wei?gluhenden Himmel zu schutzen, doch der Boden unter mir hob und wand sich, war mit uberkomplizierten Formen bedeckt, die Pflanzen hatten sein konnen oder Insekten oder etwas vollkommen anderes. Es gab so viele Details, dass meine Augen bei dem Versuch tranten, das alles zu verstehen. Alles in dieser neuen Welt quoll uber vor Leben, als waren selbst der Boden und die Steine lebendig und aufmerksam. Alles pulsierte mit einer beunruhigend aggressiven Lebendigkeit. Uberall war Bewegung um mich herum, schnell und flink, als wurde nichts je stillstehen, nicht einmal fur einen Moment.

Willkommen in der hoheren Dimension. Willkommen in einer besseren Welt. Willkommen in der Heimat der Hungrigen Gotter. Alles, was ich tun konnte, war, nicht zu kotzen.

Ich fuhlte und sah gleichzeitig, dass Molly neben mir ebenfalls in die Knie ging, zitternd und schaudernd aufgrund des Ubergangsschocks. Ich griff blind nach ihr und sie nach mir und wir klammerten uns fest aneinander, um uns zu trosten. Uberwaltigt von einer Welt, fur deren Sinneseindrucke wir nie richtig ausgerustet worden waren. In dieser hoheren Dimension war alles zu gro?, zu real, zu wahnsinnig kompliziert. Wir waren verloren gewesen, wenn da nicht Giles Todesjager gewesen ware. Genau wie er gesagt hatte, hatte ihm seine Erfahrung

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