gewesen, seit ich ihn in meiner Kindheit ausfindig gemacht hatte. (Weil ich wusste, dass ich das nicht sollte.)
Jetzt, wo er offiziell wieder ein Teil der Familie und erneut ins Herrenhaus gezogen war, hatte Jacob gewisse Anstrengungen unternommen, sich herauszuputzen. Er sah immer noch alter als der Tod selbst aus, das Gesicht voller Runzeln und die Glatze mit nur wenigen flatternden Haaren geschmuckt, aber er hatte sein Ektoplasma mit einem schicken Smoking veredelt, auch wenn der Stoff eher zu Marineblau als zu Schwarz tendierte und Jacob den Kragen standig verga?. Aber als seit Langem existierender Geist - oder zumindest als dickkopfige Weigerung, sich zur Ruhe zu legen - wurde er nur von seiner Konzentration zusammengehalten. Und seit einiger Zeit hatten seine Gedanken eine ausgepragte Neigung zum Schweifen gezeigt. Weshalb er mitunter plotzlich ein Hawaii-T-Shirt uber ausgebeulten Shorts und eine breite, rote Scharpe mit der Aufschrift
Jacob der Geist zerfiel, Leib und Seele, und er wusste es.
Der Seneschall starrte Jacob wutend an. Er missbilligte die Existenz des alten Gespensts, und er machte kein Hehl daraus.
»Warum suchst du dir nicht ein hubsches Grab und kommst zur Ruhe?«, fragte er bissig. »Du wei?t, dass du nicht hier sein solltest. Die Familienrichtlinien bezuglich Geistern sind unmissverstandlich: Jedes Gespenst, das hier aufkreuzt, wird fix wieder weggeschickt. Keine Ausnahmen! Ansonsten wurden uns die Dinger inzwischen bis zur Hufte reichen!«
»Ich bin davon ausgenommen«, erklarte Jacob bestimmt.
»Mit welcher Begrundung?«, verlangte der Seneschall zu wissen.
»Weil ich es so sage, und das solltest du verdammt noch mal nicht vergessen! Ich bin von allem ausgenommen, wonach mir gerade zumute ist, mit der Begrundung, dass ich jedem einen Arschtritt verpassen werde, der etwas anderes sagt. Tot zu sein ist sehr befreiend. Du solltest es mal versuchen, Seneschall - vorzugsweise bald.«
»Benimm dich, Jacob!«, forderte ich ihn auf. »Denk dran, ich habe immer noch die Telefonnummer des Exorzisten in der Kurzwahl!«
»Wir mussen uber die Anwesenheit der Hexe hier sprechen«, sagte Penny storrisch.
»Nein, mussen wir nicht«, erwiderte ich.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Molly. »Lasst uns uber deine Anwesenheit hier sprechen, Penny- Schatzchen! Bist du eine von Eddies alten Flammen, so wie diese furchterliche Kuh Alexandra?«
Penny schnaubte laut. »Das konnte ihm so passen.«
»Wirst du jetzt jeden, der dir gerade passt, in den Zirkel hineinbringen?«, fragte der Seneschall. »Haben wir in der Sache nicht ein Wort mitzureden?«
»Wenn ihr noch jemand im Sinn habt, schlagt ihn vor«, antwortete ich. »Ich nehme alle Hilfe, die ich kriegen kann. Ich fuhre die Geschafte augenblicklich nur, weil ich sonst keinen finde, dem ich vertrauen kann. Ich bin der Einzige in dieser Familie ohne ein Eigeninteresse. Der ganze Sinn dieses Inneren Zirkels ist es, der Bildung eines neu gewahlten Rats den Weg zu bereiten, damit dieser ubernehmen kann und ich mich wieder einfach nur dem Dasein als Agent an der Front widmen kann, wo ich hingehore. Wo ich glucklich war.«
»Willst du damit sagen, dass du nicht mehr glucklich warst, seit du mich kennengelernt hast?«, fragte Molly.
»Du bist das einzige Gute in meinem Leben, und das wei?t du«, antwortete ich. »Also hor auf, nach Komplimenten zu fischen!«
»Wirf mir auf der Stelle eine Kusshand zu«, verlangte Molly, »oder ich verrate allen, wo du ein komisch geformtes Muttermal hast!«
»Wir mussen Jacobs Stellung in der Familie diskutieren!«, beharrte der Seneschall. »Er ist wieder in sein altes Zimmer im Herrenhaus eingezogen, das, in dem er gewohnt hat, als er noch lebte. Er hat dem eigentlichen Bewohner einen solchen Schrecken eingejagt, dass er schreiend rausgerannt ist und sich bis jetzt weigert, wieder hineinzugehen.«
»Ich wei?«, sagte der Waffenmeister. »Wir haben den armen Kerl unten auf der Krankenstube. Ich wei? nicht, was du mit ihm angestellt hast, Jacob, aber er hat immer noch nicht aufgehort zu zucken. Und er kann nicht einschlafen, wenn nicht jemand seine Hand halt.«
Jacob kicherte. »Er hatte nicht an sich herumspielen sollen, als ich erschienen bin. Und ich bin hier, weil ich hier sein sollte. Es gefallt mir, wieder im Herrenhaus zu sein, und wenn auch nur, weil es so viele von den feinen Leuten argert. Es hat sich eine Menge geandert, seit ich zum letzten Mal hier war! Ich kann nicht glauben, wie uberfullt das Herrenhaus dieser Tage ist. Die Familie hat sich wie die Karnickel vermehrt! Wir mussen mehr von den jungen Leuten in die Welt hinausschicken. Sto?t sie aus dem Nest! Fliegt, kleine Vogelchen! Ja, ich wei?, ich schwafele; das darf man, wenn man so lange tot gewesen ist wie ich.«
»Versteh mich nicht falsch«, sagte ich, »aber warum bist du noch hier, Jacob? Ich dachte, du hattest nur als Gespenst hier rumgehangen, um mir helfen zu konnen, als ich die Familie vor dem Herzen gerettet habe.«
»Das hatte ich eigentlich auch gedacht«, meinte Jacob mit finsterer Miene. Seine Augen verschwanden und hinterlie?en nur tiefe, dunkle Locher in seinem Gesicht. »Aber etwas halt mich noch hier fest. Irgendeine Kraft … wie ein nicht eingelostes Versprechen. Meine Aufgabe hier ist noch nicht erfullt, verdammt! Etwas kommt auf uns zu, Eddie. Etwas Gutes, etwas Schlechtes … irgendetwas.«
Wir warteten alle, aber er hatte nichts mehr zu sagen. Ich fand, dass es ganz entschieden Zeit war, das Thema zu wechseln, und weil ich jeden daran erinnern wollte, dass ich das Sagen hatte, hielt ich mich an etwas, was mir schon eine ganze Weile lang auf die Nerven ging. Ich blickte den Seneschall streng an.
»Wie hei?t du? Ich kann dich nicht standig Seneschall nennen, und ich will verflucht sein, wenn ich dich wie als Kind wieder Sir nenne!«
»Nenn mich Seneschall; das ist mein Titel.«
»Ich konnte es dir von Molly aus deinem lebendigen Hirn rei?en lassen!«, sagte ich. Es war ein Bluff, aber das wusste er nicht. Wenn der Seneschall so fest entschlossen war, mir seinen Namen nicht zu verraten, dann wollte ich ihn erst recht wissen: Es musste etwas Gutes sein. Der Seneschall seufzte, nur ein bisschen.
»Ich hei?e Cyril.«
Manche Dinge sind einfach zu schon, um wahr zu sein. Ich glaube, das Einzige, was den ganzen Zirkel davon abhielt, in sturmisches und hysterisches Gelachter auszubrechen, war unsere umfassende Kenntnis der Brutalitat des Seneschalls und die Tatsache, dass er Waffen aus dem Nichts beschworen konnte, wenn ihm danach war.
»Cyril?«, wiederholte ich begeistert. »Schei?e nochmal, Cyril? Kein Wunder, dass du dich zu einem Schlager und Tyrannen entwickelt hast, bei so einem Namen! Du musst deine Eltern geliebt haben!«
»Sie waren feine, anstandige Menschen«, erwiderte der Seneschall mit Nachdruck. »Wenn ich jetzt mit meinem Bericht betreffend der Uberschreitungen des Gespensts Jacob fortfahren durfte?«
»Oh, unbedingt!«, sagte ich. »Lass dich von mir nicht aufhalten, Cyril!«
»Es hat zahlreiche Meldungen gegeben, dass Jacob in den Duschraumen und Umkleidekabinen der Damen herumgegeistert ist.«
»Ich verlaufe mich standig.«
»Das machst du keinem weis, Jacob«, warf ich ein.
»Und«, fuhr der Seneschall fort, »es hat sogar Meldungen gegeben, dass er den Geist der kopflosen Nonne durch die Katakomben gejagt hat!«
Jacob grinste. »Hey, sie ist das einzige andere Gespenst im Herrenhaus! Kann man mir einen Vorwurf machen, wenn ich mal ein bisschen Ektoplasma tauschen will? Netter Arsch, fur eine Nonne. Verdammt, sie ist schnell unterwegs, besonders wenn man sich vor Augen halt, dass sie nicht sehen kann, wo sie hinlauft!«
»Du bist ein Mitglied des Inneren Zirkels!«, fuhr der Seneschall ihn an. »Du solltest mit gutem Beispiel vorangehen!«
»Aber wenn sie doch so flink ist …«
»Hort auf damit!«, sagte ich rasch. »Dein Ektoplasma fangt schon an zu zittern! Lasst uns weitermachen. Haben wir irgendwelche Fortschritte bei der Untersuchung der Frage gemacht, wer hinter den jungsten Angriffen aufs Herrenhaus stand, kurz bevor ich hierher zitiert wurde? Gibt es irgendwelche neuen Informationen?«
»Nichts. Nicht ein Wort«, sagte der Waffenmeister.
»Vielleicht sollten wir die fremde Materie fragen«, schlug der Seneschall spitz vor. »Weil sie sich ja letzten