Was sie einem nicht sagen, ist, dass der Feind manchmal die Familie mit einschlie?t.

»Willst du denn gar nichts aus deiner alten Wohnung hierher bringen?«, fragte ich Molly.

Sie schuttelte trage den Kopf. »Ich habe meinen magischen iPod, voll mit meiner Lieblingsmusik. Unendliche Kapazitat, keine Batterien, die leer werden konnen, und ich kann jede Melodie aus jeder beliebigen Zeit reinkriegen. Er kann sogar an Karaokeabenden zweistimmig mit mir singen. Aber das war es auch schon, ehrlich. Ich habe mir nie viel gemacht aus … Sachen. Sachen kann man immer mehr bekommen. Mit meiner Zauberei habe ich Betteln, Borgen und Beklauen zu einer Kunstform erhoben.«

»So«, sagte ich. »Wie findest du das Zuhause der beruchtigten Drood-Familie, jetzt, wo du eine Zeit lang hier gewesen bist? Halt es, was du dir davon versprochen hast?«

»All das und mehr«, antwortete Molly. »Es ist zweifellos … beeindruckend.«

»Es gefallt dir nicht!«, sagte ich und war selbst uberrascht, wie enttauscht ich mich anhorte.

»Sei nicht verargert, Su?er«, meinte Molly. Sie kam heruber und schlang einen Arm um meine Hufte. »Es ist einfach nicht mein Ding, das ist alles. Ich komme mir eingesperrt vor, bedruckt. Das ist immer so, wenn ich mich drinnen aufhalte. Ich bin der Geist der wilden Walder, schon vergessen? Ich brauche Natur, offenes Gelande und Raum zum Atmen! Nicht all dieses tote Holz und den kalten Stein.«

»Aber gegen Hotels hast du nichts einzuwenden.«

»Nur weil ich wei?, dass ich sie jederzeit verlassen kann, wenn mir danach ist. Hier stecke ich fest mit dir. Nicht, dass ich nicht bei dir sein wollte. Das nicht, ganz und gar nicht, aber …«

»Wir haben doch weitlaufige Parkanlagen«, sagte ich. »Du konntest den ganzen Tag und die ganze Nacht darin herumspazieren und immer noch nicht alles sehen, was es zu sehen gibt. Und du wei?t auch, dass ich dich nicht hier halten wollte, wenn du unglucklich warst.«

»Naturlich wei? ich das, Eddie!« Sie gab mir einen schnellen Kuss. »Das hat jetzt alles ganz anders geklungen, als ich es meinte. Ich will mit dir zusammen sein, und du musst hier sein. Das wei? ich.«

»Wir werden nicht immer hier sein mussen. Sobald der neue Rat bereit ist, die Leitung der Dinge zu ubernehmen, werde ich mich zum Frontagenten degradieren und so schnell hier raus sein, dass jeder, der mir dabei zusieht, sich ein Schleudertrauma zuzieht.«

»Aber wie lang wird das dauern, Eddie?«

»Ich wei? es nicht. Es wird so lange dauern, wie es dauert. Molly …«

»Scht! Ist schon gut. Wir werden uns etwas einfallen lassen.«

»Ja«, sagte ich, »das werden wir.«

Und die ganze Zeit, in der ich sie festhielt, dachte ich: Wenn sie nicht hierbleiben konnte … Wenn sie ginge, wurde ich mit ihr gehen? Und aus der Ferne zusehen, wie meine Familie sich zerfleischt? Die Zukunft der gesamten Menschheit aufs Spiel setzen, weil ich meinen Job nicht zu Ende gebracht habe? Wurde ich die Welt der Verdammnis uberantworten, nur um bei ihr zu sein? Wurde ich das tun? Konnte ich das tun?

Am Ende lie? sie als Erste los und ging zum Bett, um in dem Handspiegel, der auf dem Nachttisch lag, den Zustand ihres Make-ups zu uberprufen.

»Also«, sagte sie aufgeraumt. »Was ist das fur eine Geschichte mit dem Zeitzug?«

»Ich hatte gehofft, du hattest es vergessen«, stohnte ich.

»Ist es wirklich eine Zeitmaschine?«

»O ja. Oder besser, so was in der Art. Es begann als das Lieblingsprojekt von jemandem. Fruher oder spater kriegt jeder Waffenmeister einen Fimmel fur irgendwas: irgendeine Lieblingstheorie, eine gro?artige Idee. Irgendetwas, von dem er uberzeugt ist, dass es seinen Namen innerhalb der Familie unsterblich machen wird - wenn er nur seine Matriarchin davon uberzeugen kann, es zu finanzieren. Einer war sich sicher, dass er eine Bombe bauen konnte, die so wirkungsvoll ware, dass man damit die ganze Welt in die Luft jagen konnte.«

»Wie ging es weiter?«, fragte Molly fasziniert.

»Als die Matriarchin ihn nicht dazu bringen konnte einzusehen, was fur eine ausgesprochen miese Idee das war, musste sie ihn in den Scheintod versetzen.«

»Warum hat sie ihn nicht einfach getotet?«

»Weil wir vielleicht eines Tages eine Bombe brauchen konnten, die so wirkungsvoll ist, dass sie die ganze Welt zerstoren kann.«

Molly schauderte. »Deine Familie kann manchmal richtig gruselig sein, Eddie. Also ist der Zeitzug eine dieser fixen Ideen, richtig?«

»So ziemlich. Ich glaube nicht, dass wir das Ding in den zwei Jahrhunderten seit seiner Konstruktion ein Dutzend Mal benutzt haben.«

»Wieso nicht?«, wollte Molly wissen. »Ich meine, ich kann mir ein Dutzend wirklich guter Verwendungszwecke fur eine Zeitmaschine vorstellen, von denen jeder einzelne uns unglaublich reich machen konnte.«

»Ich dachte, du machst dir nichts aus Materiellem?«

»Hier geht es ums Prinzip!«

»So einfach ist es nicht«, erklarte ich. »Die Moglichkeiten fur echt furchterliche Schlamassel, Katastrophen, Desaster und Paradoxien sind so zahlreich, dass keiner daruber nachdenken kann, ohne Albtraume zu bekommen. Frag mich erst gar nicht, wie der Zeitzug funktioniert, sonst fange ich an zu wimmern! Zeitreisen in Theorie und Praxis verursachen mir Kopfschmerzen. Tu mir einen Gefallen, Molly, und wechsle nochmal das Thema!«

»In Ordnung. Lass uns uber die Personen sprechen, die wir als Tutoren herbringen wollen. Und zieh nicht so ein Gesicht, Eddie Drood! Der Wind konnte wechseln, und dann hast du den Salat! Du wei?t, dass wir das bereden mussen.«

»Nur weil meine Auswahl zweckma?ig und vernunftig war und du zwei Monster ausgesucht hast!«

»Sie sind keine Monster! Oder wenigstens nicht die ganze Zeit uber. Und uberhaupt, Eddie, zweckma?ig und vernunftig? Na ja. Janitscharen Jane hat einen guten Ruf als Kampferin, besonders wenn sie ein paar Drinks intus hat, aber seien wir doch mal ehrlich: Ihre Blutezeit hat sie lange hinter sich.«

»Sie ist eine langjahrige Damonenbekampferin!«, hielt ich ihr entgegen. »Hast du eine Ahnung, wie selten das ist? Sie totet schon langer Damonen, als die meisten Damonenbekampfer uberhaupt leben! Es gibt vieles, was sie uns beibringen konnte. Falls wir sie uberreden konnen, hierher zu kommen.«

»Na schon, aber was ist mit dem Blauen Elfen?« Molly zog ein verdrie?liches Gesicht. »Er ist schwach, Eddie, und wird es immer sein. Und er stellt ein Risiko dar: Er ist ein Halbelb, und einem Elb kann man nie trauen! Sie haben immer eigene Plane. Glaub mir, ich wei?, wovon ich rede!«

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Bist du gerade dabei, mir von einem weiteren alten Freund zu erzahlen?«

»Ein Elb? Bitte!« Molly schauderte theatralisch. »Vorher wurde ich sie mir zunahen!«

»Wenn ich dieses unerwartete geistige Bild einmal entschlossen beiseiteschieben durfte«, sagte ich. »Meine Auswahl ist vertretbar. Deine ist vollig unakzeptabel. Ich meine, komm schon - ein Psychokiller und eine Glucksvampirin?«

»Sie waren mir immer gute Freunde«, erwiderte Molly unbeirrt. »Und sie konnen deiner Familie von einer Welt erzahlen, von der sie nichts wei?. Warst du es nicht, der gesagt hat, dass diese Welt nicht nur aus Guten und Bosen besteht? U-Bahn Ute und Mr. Stich konnen deiner Familie eine ganz neue Sicht auf die Dinge ermoglichen. Das ist es doch, was du wolltest, oder? Die enge Weltanschauung der Droods weit aufzubrechen und ihnen neue Arten des Denkens beizubringen? So, wie ich es mit dir gemacht habe?«

»Na ja, schon, aber …«

»Kein Aber! Sie werden hervorragende Tutoren abgeben - solange man ein wachsames Auge auf sie hat. Und vielleicht werden sie sogar hervorragende Kampfer in unserem bevorstehenden Krieg gegen die Damonen.«

»Wenn Mr. Stich ein Madchen auch nur auf eine Art ansieht, die mir nicht gefallt, werde ich ihn toten!«, versprach ich.

»Du kannst es versuchen«, meinte Molly. »Und verlass dich drauf, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit werde ich diesen Roger Mist-Morgenstern toten! Ich hatte nie zulassen durfen, dass er in dein Zuhause kommt. Es ist mir egal, was er sagt oder wer fur ihn burgt; seine oberste Loyalitat wird immer der Holle gelten.«

»Keine Angst«, sagte ich. »Er wird nicht lange hier sein. Die Familie gestattet es nicht, dass Au?enstehende ins Herrenhaus ziehen.«

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