fleckigen Ziegelmauern rundherum waren mit den ublichen Graffitis beschmiert: DAGON ERHEBE DICH ERNEUT!, VAMPIRE SIND SCHEI?E! sowie das deutlich starker Besorgnis erregende SUPERSEXUELLE DIESER WELT - VEREINIGT EUCH!

Ich ging hinuber zur nachsten Wand, sprach die richtigen Worte und in der Wand erschien eine massiv silberne Tur, als wurde sie die schwachere Realitat auf der anderen Seite auffangen wollen. Das solide Silber war ubersat mit tief eingravierten Drohungen und Warnungen in angelischer und damonischer Sprache. Es gab keine Klinke. Ich legte meine linke Hand flach gegen das irritierend warme und schwitzige Silber. Einen Moment spater erkannte mich die Tur und ging langsam auf. Ich finde diesen Teil der Prozedur immer ein klitzekleines bisschen beunruhigend. Wenn namlich Ihr Name nicht auf der Liste steht, bei?t Ihnen die Tur sofort die Hand ab.

Ich sah zu Molly. »Bitte vergiss nicht, dass mein Name hier Shaman Bond lautet. Wenn dir was anderes rausrutscht, dann konnte das uns beide umbringen.«

Sie lachelte mich su? an. »Wei?t du, es ist irgendwie niedlich, dass du mich standig an die Hand nimmst und meinst, mir alles erklaren zu mussen. Aber wenn du damit nicht auf der Stelle komplett aufhorst, dann schlage ich dich in die nachste Woche hinein.«

»Nach dir«, sagte ich und folgte ihr in den Wolfskopf.

Wir kamen in ein heftiges Stroboskoplichtgewitter und eine ausgesprochene Larmexplosion hinein. Musik spielte, die Leute tranken, tanzten und schlossen in den Ecken Geschafte ab. Im ganzen Klub war die Holle los. Grelles Licht badete die dichte Menge in standig wechselnde Farben und unablassig drohnte Musik. Molly und ich bahnten uns mithilfe unseres Lachelns, unseres Charmes und der unbedingten Bereitschaft, gewaltsam und unnotig die Ellbogen zu benutzen, einen Weg durch die wogende Menge. Wir gingen zur Hightechbar am anderen Ende des Klubs, einem Art-Deco-Albtraum aus Stahl und Glas, vollstandig ausgerustet mit computerisiertem Zugang zu mehr Arten von Alkohol, als den meisten Leuten als existierend bekannt ist. Sie wunschen ein Strontium-90-versetztes Wasser mit einem Spritzer Jod? Oder einen giftigen Eisenhut-Cocktail mit einem silbernen Schirmchen? Oder vielleicht Engelsurin mit etwas Weihwasser? Dann ist es kein Wunder, dass Sie hier im Wolfskopfklub sind.

Geruchte besagen, dass der Wolfskopfklub seinen ganzen Stolz darein setzt, immer ganz up to date zu sein, wenn nicht sogar noch ein Stuck weiter. Die riesigen Plasmabildschirme an der Wand zeigen kurze Einblicke in die Bettgeheimnisse der Reichen und Beruhmten, aufgelockert durch die Borsennachrichten von morgen, wahrend Gogo-Girls, die nur ein paar Federreste tragen, in goldenen Kafigen tanzen, die von der Decke herabhangen. Fur die, die es mehr mit der Tradition haben, wirbeln Lack-und-Leder-Stripper auf Showbuhnen ihre Stahlstangen in die Unterwerfung. Heute Abend feierten einige Satanshuren ihren Junggesellinnenabschied, indem sie einen Line Dance auf einem langen Stahltresen tanzten.

Im Wolfskopf findet man alle moglichen Leute - wenn sie Sie nicht zuerst finden, sich auf eine Gaunerei oder einen Krieg vorbereiten oder sich gerade von beidem erholen. Janitscharen Jane trinkt hier zwischen ihren regularen Auftragen als interdimensionale Soldnerin, weil sie es hier so friedlich findet. Was einem eine Menge uber die Orte sagt, an denen sie sich sonst rumtreibt. Ich hatte sie noch nicht entdeckt oder auch nur die lautmalerischen Schreie und Schusse, mit denen sie ihre Geschichten so gern ausschmuckt, also stellte ich mich mit Molly an die Bar. Der Barkeeper kam langsam und ohne Eile zu uns heruber. Ich habe mir nie die Muhe gemacht, mir seinen Namen zu merken. Hinter der Bar sind immer rund ein Dutzend, und alle sind Klone. Oder Humunkuli. Oder etwas noch Irritierenderes.

Er nickte uns beiden familiar zu. »Hallo, Molly, Shaman, ist schon 'ne Weile her. Das Ubliche?«

Ich nickte und er beschaftigte sich mit einer beeindruckenden Sammlung von Dusen und Schlauchen hinter der Bar, bevor er mir ein Beck's und Molly einen Bucks Fizz in die Hand druckte. (Molly glaubt, dass der Orangensaft darin gesund ist.) Ich war erleichtert, dass mein Tarnname hier drin noch etwas taugte. Soweit es die Menge hier im Wolfskopf betraf, war ich einfach Shaman Bond, ein kleiner Schmalspurgauner und Bekannter, mehr nicht. Ich hatte viel Zeit und Muhe in meine Tarnidentitat investiert, und das nicht nur, weil die Droods sich nicht gerade gro?er Beliebtheit erfreuten. Im Wolfskopf war ich niemand Wichtiges, niemand Besonderes, und nichts wurde von mir erwartet. Was wirklich befreiend war. Besonders jetzt.

Zu Hause, im Herrenhaus, hasste, verehrte oder furchtete mich ein Gro?teil meiner Familie. Oder irgendeine Kombination aus den dreien. Edwin Drood war zur wichtigsten Person der wichtigsten Organisation der Welt geworden. Aber hier war Shaman Bond nur ein weiteres Gesicht in der Menge. Es war, als hatte jemand ein gro?es Gewicht von meinen Schultern genommen. Ich lehnte mich mit dem Rucken zur Bar und sah uber die wogende Menge hinweg. Ich nickte leichthin zu ein paar Freunden und bekannten Gesichtern hinuber. Harry Famos glitt salbungsvoll durch die Menge und bearbeitete sie mit einem breiten Lacheln und herzlichem Handeschutteln - Ihr besonderer Mann fur alle Falle, die schlecht fur Sie sind. Das letzte Mal, als ich ihn hier gesehen hatte, bot er allen schwarz gebrannte DVDs mit Muppet-Filmen aus Parallelwelten an: Citizen Kermit und Miss Piggy auf der Southfork Ranch. Hinten an der Bar konnte ich einen Geist namens Ash sehen, einen Halbgott aus einer nordischen Sage und den Indigo-Schatten, komplett mit Lederkostum, Cape und Maske. Er nahm sich wohl eine Auszeit von der ewigen Verbrechensbekampfung.

Und schlie?lich entdeckte ich auch die grimmige Janitscharen Jane selbst, die sich auf der Suche nach einer nicht angebrochenen Flasche Whiskey mit den Schultern voran einen Weg durch die Menge an die Bar bahnte. Einer der Barkeeper wartete schon mit dem Gewunschten auf sie. Sie riss ihm die Flasche aus der Hand und trank den billigen Fusel, ohne sich die Muhe zu machen, ihn in ein Glas zu fullen. Sie sah ganz nach dem Soldaten aus, der sie auch war: gro? und kraftig gebaut mit muskulosen Oberarmen, einem stocksteifen Rucken und raspelkurzem, schwarzem Haar, sodass ein Feind im Kampf nicht hineingreifen konnte. Sie war vielleicht einmal hubsch gewesen, aber alles, was davon noch ubrig war, waren Narben und Charakter. Ihre Armeekleidung war zerrissen und angesengt und blutbefleckt, und ich wusste, sie wurde nach Blut und Rauch und Schwefel riechen. Der Whiskey war tatsachlich ein gutes Zeichen; Gin machte sie ruhrselig und dann neigte sie dazu, Leute zu erschie?en. Meist Leute, die von Rechts wegen erschossen werden sollten, aber es dampfte eben auch jedes Mal die Partystimmung.

Der Wolfskopf hatte allerdings noch nie etwas gegen ihre Gegenwart einzuwenden gehabt. Offenbar glaubten sie, sie verleihe dem Klub etwas Charakter.

Ich rief ihren Namen und ihr Kopf fuhr herum, eine Hand fiel auf die Knarre an ihrer Seite. Ich stand sehr still, bis ich sicher war, dass sie mich erkannt hatte. Dann winkte ich sie zu Molly und mir heruber. Sie nahm ihre Hand von der Knarre, nickte kurz und kam zu uns, die Leute, die ihr nicht schnell genug aus dem Weg gingen, mit den Schultern beiseite schiebend. Keiner war so dumm, sie deshalb anzumachen. Immerhin war sie Janitscharen Jane: Damonenkillerin, erfahrene Kampferin und vollig durchgeknallte Psychopathin. Sie hielt vor Molly und mir an, begutachtete uns beide ein wenig wie eine Eule und prostete uns dann mit der Whiskeyflasche zu.

»Hallo, Jane«, sagte ich leichthin.

»Hallo, Shaman«, sagte Janitscharen Jane spitz. Sie war vielleicht das einzige andere Wesen hier im Club, das wusste, dass ich ein Drood war. »Was willst du von mir?«

»Ich organisiere eine gro?ere Operation gegen ein paar Damonen. Ich konnte deinen Rat und deine Expertise gebrauchen. Du kriegst die ubliche Bezahlung fur die Zeit, plus einen gro?zugigen Bonus, wenn wir das Ding erfolgreich abschlie?en.«

»Warte mal«, unterbrach Molly. »Wir bezahlen sie?«

»Naturlich«, sagte ich. »Sonst wurde sie doch nicht kommen. Oder, Jane?«

»Ich bin eine Professionelle«, sagte Janitscharen Jane. »Aber fur wen genau wurde ich denn kampfen?«

»Spielt das eine Rolle?«

»Naturlich spielt das eine Rolle!«, erwiderte Jane scharf. »Es gibt Schlimmeres als Damonen. Sowas wie die Droods zum Beispiel.«

»Diesmal nicht«, sagte ich. »Es geht gegen die Abscheulichen und wir werden nicht aufgeben, bis sie entweder komplett ausradiert oder fur immer und ewig gebannt sind.«

Janitscharen Jane pfiff lautlos und nahm noch einen Schluck aus ihrer Flasche. Sie taxierte mich nachdenklich. »Die Abscheulichen. Das ist … ehrgeizig. Ich hasse Damonen. Alles Bastarde. Aber Seelenfresser sind das Allerschlimmste. Auf der anderen Seite habe ich ein paar Sachen gehort. Uber die Droods. Es hei?t, dass ihnen etwas Schlimmes zugesto?en ist. Keiner scheint sicher zu sein, was genau es ist, aber da gibt es Leute, die

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