Buchern, von denen ich nicht mal im Traum erwartet habe, dass es sie gibt und einige davon sind so gefahrlich, dass wir ein paar niedere Exorzismen durchfuhren mussten, bevor wir uns ihnen uberhaupt nahern konnten. William ist allerdings wirklich ein Juwel. Er sprang von einem Hinweis zum nachsten, folgte der Spur von Band zu Band, von Pergamentrollen zu Manuskripten und antiken Traktaten, die tatsachlich in dunne Platten von gehammertem Gold eingraviert sind. Ich habe versucht, ihn zu einer Pause zu uberreden, aber er ist schon so, seit du ihm dieses kandarianische Artefakt gezeigt hast.«
»Verdammt«, sagte ich. »So wichtig war das nun auch wieder nicht. Ist er wirklich die ganze Nacht und diesen Morgen schon wach?«
»Ja, das ist er«, sagte William und sah nicht einmal von seiner Lekture auf. »Und es ist in der Tat so wichtig. Ich bin nicht taub, wisst ihr. Ich kann jedes Wort von dem horen, was ihr sagt. Also, Eddie, ich habe eine Menge Referenzen zu Kandar und den Eindringlingen gefunden. Die meisten von ihnen sind ziemlich besorgniserregend und von jedem einzelnen solltest du sofort erfahren. Deshalb habe ich dich hergeholt. Rafe, wo ist die Tasse Tee, um die ich dich gebeten hatte?«
Rafe sah mich an, aber ich hatte schon das meiste davon getrunken.
»Ich gehe noch eine Tasse holen«, sagte Rafe.
»Macht nichts, macht nichts, bleib hier, Rafe. Ich will, dass du das genauso horst wie Edwin. Sorg dafur, dass du nichts verpasst, ich bin nicht mehr so genau wie fruher einmal. Also aufgepasst, Edwin! Das ist wichtig! Die ganze Familie muss davon erfahren.«
Seine Stimme wurde quengelig. Rafe zog einen Stuhl heran und William sank dankbar hinein. Er rieb sich mude die Stirn und sah plotzlich alter aus, verstort und sein Blick wurde beunruhigend vage. Als er seine Hand sinken lie?, zitterte sie sichtbar.
»Ich wollte zu der Beerdigung gehen«, sagte er auf einmal. »Rafe?«
»Wir haben sie verpasst«, sagte Rafe. »Ich hab es dir gesagt, aber du sagtest, die Arbeit sei wichtiger.«
»Und das ist sie auch! Ich wollte wirklich gehen, aber … was wollte ich sagen?«
»Vielleicht solltest du in dein Zimmer gehen und dich ein wenig hinlegen«, sagte ich. »Damit du wieder zu Kraften kommst.«
»Nein!«, antwortete William prompt. »Mit mir ist alles in Ordnung! Und wir haben keine Zeit, keine Zeit! Au?erdem gefallt es mir hier. Ich bin noch nicht so weit, mich mit Leuten zu treffen.«
»Aber du bist hier zu Hause«, sagte ich. »In der Familie.«
»Besonders Familie will ich nicht treffen«, meinte William entschieden. »Ich will nicht, dass mich irgendeiner von ihnen so sieht. Ich bin noch nicht
»Alles wird gut, William«, versicherte ich ihm. »Du brauchst nur etwas Zeit, um dich einzugewohnen.«
Er schien mich nicht zu horen und sah sich unkonzentriert und besorgt um. »Ich hore Dinge. Sehe Dinge. Immer von der Seite, wo ich sie nicht festnageln kann. Ich dachte, das wurde aufhoren, wenn ich
»Das Herz ist nicht mehr da«, sagte ich fest. »Weg und zerstort. Es kann dir nichts mehr tun.«
Er schuttelte langsam den Kopf, rang die Hande und murmelte etwas in sich hinein. Ich stand langsam auf. Was fur eine Information William auch gefunden hatte oder geglaubt hatte, zu finden - man konnte sich ganz klar nicht darauf verlassen. Vielleicht konnte Rafe spater etwas Sinnvolles herausfinden. Und dann blieb ich urplotzlich stehen, als William abrupt aufstand und mir bose in die Augen starrte.
»Und was glaubst du, wo du hingehst, Junge? Nur weil ich einen schlechten Moment hatte? Du wolltest etwas uber die Kandarianer und die Eindringlinge wissen und ich wei? alles, was du wissen musst. Alles, was die Familie wissen muss. Also setz dich wieder hin und hor zu.«
Seine Augen waren wieder klar und konzentriert und seine Prasenz beinahe uberwaltigend. Als ob er einen inneren Schalter umgelegt hatte und den alten William wieder geweckt und an die Oberflache geholt hatte. Ich setzte mich wieder und William verfiel in einen Oberlehrer-Modus.
»Die Kandarianer haben sich selbst machtig gemacht, in dem sie freiwillig ihre Korper andersdimensionalen Kraften uberlassen haben«, sagte er mit klarer Stimme. »Das Ergebnis war, dass ihre Krieger ubermenschlich stark waren, schnell und unglaublich resistent gegenuber Schmerz oder Verletzungen. Erinnert dich das an etwas? Ja, genau wie unsere Familie haben die Kandarianer einen Handel mit einer hoheren Macht abgeschlossen, aber sie waren nie zufrieden. Sie wollten immer mehr, und haben so immer neue Handel mit immer neuen Wesen getatigt. Je mehr Lander und Zivilisationen sie um sich herum eroberten und ihr boses Reich des Schlachtens und der Folter und des Schreckens uber immer gro?ere Gebiete hin ausweiteten, desto starker mussten sie werden, um das zu behalten, was sie schon hatten. Am Ende verbundeten sich ihre Feinde miteinander, um die Kandarianische Expansion zu stoppen. Die Kandarianer fanden das inakzeptabel. Sie hatten viel zu viel Spa? dabei. Also machten sie sich entschlossen daran, noch starker und noch machtiger zu werden, egal, was es kostete. Sie wollten Gotter auf Erden werden. Also schlossen sie noch einen Handel ab, mit denen, die wir als die Abscheulichen kennen, die wiederum die Kandarianer den Eindringlingen vorstellten; sehr machtigen Wesen au?erhalb unserer Raumzeit. Und das war der erste Fehler der Kandarianer, denn der Kontakt mit den Eindringlingen lie? die Kandarianer wahnsinnig werden. Alle. Sie wandten sich gegeneinander und loschten ihre ganze Rasse und Zivilisation in einer einzigen Nacht des Todes und der Zerstorung aus. Sie taten sich selbst das an, was sie so viele Jahre allen anderen angetan hatten.
Keiner von ihnen uberlebte.
Sie wussten aber auch nicht, was wir heute wissen. Dass es eigentlich keine Abscheulichen in diesem Sinne gibt. Nicht als eigene Entitaten. Sie sind nur die Vorboten von wesentlich gro?eren Wesenheiten in unserer Realitat. Die Fingerspitzen der Eindringlinge, wenn man so will. Denk dir die Abscheulichen als Trojanische Pferde, durch die die Eindringlinge einen Fu? in unsere Realitat bekommen. Die Eindringlinge haben in vielen Kulturen ebenso viele Namen, und sie werden von jedem gefurchtet, der auch nur zwei miteinander verbundene Hirnzellen hat. Die Vielwinkligen, der Horror aus dem Jenseits, die Hungrigen Gotter. Es sind Wesen aus einer hoheren Realitat, die sich davon ernahren, in untere Realitaten wie der unseren vorzusto?en und uns zu verschlingen. Sie ernahren sich von Leben, von allem Lebendigen, beim gro?ten angefangen bis hin zum kleinsten Wesen. Sie fressen Welten, loschen ganze Realitaten und bewegen sich immer von einer zur nachsten wie kosmische Heuschrecken.
Als unsere Familie das erste Mal einen Deal mit den Abscheulichen abschloss und sie in unsere Welt brachte, um als Waffe gegen die Nazis zu dienen, haben wir unwissentlich die Eindringlinge auf unsere Welt, unsere Realitat aufmerksam gemacht. Und obwohl wir sehr darauf bedacht waren, nur ein paar Abscheuliche in unsere Welt zu bringen, die wir auch - so dachten wir - kontrollieren konnen, haben wir dennoch eine Tur geoffnet, die nie korrekt wieder geschlossen wurde. Naturlich haben sich die Abscheulichen unserer Kontrolle entzogen. Uber die Jahre haben sie sowohl an Zahl als auch an Macht zugelegt, bis sie endlich so weit waren, die Eindringlinge zu uns durchkommen zu lassen. Damit sie uns verschlingen konnen. Damit sie alles verschlingen konnen. Alles Leben, die ganze Schopfung. Wir mussen es aufhalten, Edwin, weil wir es auch angefangen haben.«
William horte auf zu sprechen, stand gerade und gro? vor mir und sah mich erwartungsvoll an. Ich sah zu Rafe.
»Er ubertreibt nicht«, sagte Rafe. Seine Stimme war fest, auch wenn sein Gesicht blass und verschwitzt wirkte. »Ich habe all die Quellen gecheckt. Es steht alles in den Buchern. Nur hat das alles vor William noch niemand zu einem Ganzen zusammengesetzt.«
»Okay«, sagte ich, nur ein wenig unsicher. »Das ist echt gro?er, als wir dachten. Wie bekampfen wir diese … Eindringlinge?«
»Das kann man nicht«, sagte William knapp. »Wenn sie durchbrechen, dann ist es vorbei. Wir mussen die Abscheulichen daran hindern, ihre Turme zu bauen. Sie ausloschen, bis auf den allerletzten. Oder wir werden