Schneewuste herab, die von Hunderten von verletzten Korpern und vergossenem Blut bedeckt war. Riesige zerstorte Kriegsmaschinen lagen halb vergraben im Schnee, von so fremdem Design, dass ich nicht einmal raten konnte, wozu sie gebaut worden waren. Aber die Leichen im Schnee waren definitiv Manner und Frauen, auch wenn ihre seltsam jadegrune Rustung ungewohnt war. Die strotzte nur so von dicken, zerklufteten Technikansammlungen, war von Juwelen durchsetzt, die wie radioaktive Augen leuchteten. Die Leichen trugen alle Anzeichen eines plotzlichen und brutalen Todes, einige waren tatsachlich zerrissen und verstummelt. Der Krieg hier war gekommen und gegangen, und diese Leute hatten ihn verloren.
Und dann kam ein einzelner Mann uber die Schneelandschaft, seine Stiefel sanken bei jedem Schritt tief ein, aber er zwang sich mit purer Starke vorwarts. Er stapfte mit verzweifelter Geschwindigkeit durch den Schnee und kummerte sich nicht darum, sich nach dem Ding umzusehen, das hinter ihm herkam. Er trug die gleiche Art Rustung, auch wenn die meisten seiner Juwelen nicht mehr blinkten. Er hielt eine Art Gewehr in der einen und ein langes Schwert in der anderen Hand. Als er naher herankam, konnte ich sehen, dass er etwa so alt war wie ich, auch wenn sein brutales, blutbespritztes Gesicht ihn alter erscheinen lie?. Er trug sein jettschwarzes Haar in einer langen Mahne, die er mit einem goldenen Reif um seine Stirn aus dem Gesicht hielt. Und trotz seiner verzweifelten Situation grinste er, als wurde er ein Spiel spielen. Das einzige, das sich lohnte. Er war gro? und hatte geschmeidige Muskeln und ich wusste irgendwie, dass das Blut, das von seiner Rustung tropfte, nicht seines war.
Noch mehr bewaffnete Manner kamen uber den schneeigen Horizont heran. Sie pflugten durch den Schnee, dem rennenden Mann hinterher; sie jubelten und heulten und klangen dadurch eher wie Bestien denn Menschen. Sie feuerten ihre Waffen ab, aber irgendwie war er nie da, wo die Energiestrahlen trafen. Schnee explodierte hinter ihm, kochendes Wasser flog in dampfenden Tropfen durch die kalte Luft. Aber schlie?lich schien er sich dafur zu entscheiden, dass es keinen Sinn mehr hatte weiterzulaufen und wandte sich abrupt zu seinen Verfolgern um. Einen Arm hob er vor sich hoch. Die Energiestrahlen zielten auf der Stelle auf ihn, nur um von einem unsichtbaren Kraftfeld aufgehalten zu werden, das offenbar von seinem erhobenen Arm ausging.
Die Verfolger schlossen zu dem Krieger auf und er stand geduldig da und wartete auf sie. Zu meiner Uberraschung legten sie ihre Waffen weg und gingen mit ihren Schwertern auf ihn los, sobald sie in Reichweite waren. Der Kampf, der sich nun anschloss, war schnell und wild, wie nichts, was ich bisher gesehen hatte. Jede Bewegung war kalt und klinisch und vollig erbarmungslos. Der Krieger kampfte gut und grimmig, und ging mit der langen Stahlklinge um, als hatte sie kein Gewicht. Blut und Innereien und abgehackte Glieder zierten schon bald den blutigen Schnee um ihn herum und keiner seiner Feinde kam ihm auch nur nahe genug, um ihn zu beruhren. Er stampfte in dem blutroten Schnee vor und zuruck, schnitt und schlitzte und vermied die Schlage, die von allen Seiten auf ihn zukamen, mit katzenhafter Grazie.
Es waren sicher mehr als zwanzig Mann und mehr gegen einen einzigen Krieger gewesen, und er hatte sie alle in ein paar Minuten getotet.
Als der letzte Mann in einem Springbrunnen von arteriellem Blut zu Boden fiel, sah sich der Krieger ruhig um. Er atmete nicht einmal schneller. Er nickte einmal, als ware er mit seiner Performance zufrieden und senkte sein Schwert. Er wollte sich gerade entspannen, als ein Mann aus dem Schnee hinter ihm hochkam. Er hatte sich unter einer Leiche versteckt, komplett versteckt und hatte dort auf seine Gelegenheit gewartet. Er hob seine unbekannte Waffe, um den Krieger in den Rucken zu schie?en und ich zog meinen Revolver und schoss den Mann in den Kopf, durch das Portal. Eine Kugel aus der Vergangenheit, um einen Kerl in der Zukunft zu toten.
Der Knall des Revolvers war nach dem kurzen Summen der Energiewaffen laut und harsch, und der Krieger wirbelte unglaublich schnell herum, sein Schwert gezuckt. Gerade rechtzeitig, um den Mann, der ihn getotet hatte, im Schnee mit halb zerschossenem Kopf zusammenbrechen zu sehen. Der Krieger sah mich, der ihn durch ein Loch in der Luft beobachtete und sein Blick war dunkel und kalt und nachdenklich. Er kam ruhig durch den blutigen Schnee auf das Tor zu und blieb dort stehen, um mich einen langen Augenblick einzuschatzen. Blut tropfte von der Klinge und dampfte in der kalten Luft, die durch das Portal zu mir wehte. Er sagte etwas, sein Atem bildete Wolken in der Luft, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Es klang nicht wie irgendeine menschliche Sprache, die ich je gehort hatte. Ich befahl meinem Torques zu ubersetzen und plotzlich begannen die Worte einen Sinn zu ergeben.
»Danke fur die Hilfe«, sagte der Krieger. »Ich habe nicht erwartet, an diesem gottverlassenen Ort einen Freund zu finden. Ich habe dir gegenuber eine Ehrenschuld, Fremder.«
»Wo ist der Rest deiner Leute?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Achseln. »Tot. Jeder Einzelne von ihnen. Wir wussten, es wird eine Selbstmord-Mission, als uns der Kaiser hierhin schickte, aber es war nicht so, als hatten wir eine Wahl gehabt. Die Menschen schlagen vor, der Kaiser ordnet an. Besonders dann, wenn man am Hof nicht mehr … gelitten ist.« Er hielt inne und sah sich aufmerksam um und lauschte nach etwas, das ich nicht horen konnte. »Meine Feinde kommen wieder. Kannst du mich hier rausholen, Fremder? Ich bin der einzige Uberlebende meines Kommandos und die Gro?e der gegnerischen Truppe ist … gro?er, als man mir zu verstehen gab.«
»Du nimmst mein Erscheinen sehr ruhig hin«, sagte ich. »Oder sind solche Vorkommnisse ublich in deiner Zeit?«
Er zuckte wieder mit den Achseln. »Ich habe drau?en in den Randbezirken schon seltsamere Schei?e als die hier gesehen. Bring mich hier raus, Fremder und ich schwore dir, ich diene dir, wie ich meinem Kaiser diene. Nicht fur immer, mein Schwur dem kaiserlichen Thron gegenuber hat Vorrang. Aber ein wenig Zeit weitab vom Hof konnte helfen, das Blut ein wenig abzukuhlen - auf beiden Seiten. Sollen wir sagen, Dienste fur dich, fur meine Rettung fur ein Jahr und einen Tag?«
»Klingt fair«, sagte ich. Aber als ich versuchte, meine Hand durch das Portal zu strecken, lie? der Spiegel das nicht zu. Das hatte ich befurchtet. »Hor zu, ich bin nicht wirklich ein Fremder. Ich spreche zu dir aus deiner fernen Vergangenheit. Ich wei? nicht genau, wie weit. Jahrhunderte sicher, vielleicht mehr. Du bist ein Abkommling meiner Familie. Und meine Familie braucht die Fuhrung eines Kriegers. Aber ich kann dich nicht einfach so zu mir holen. Du bist zu weit weg von mir. Aber ich habe eine andere Moglichkeit, dich zu erreichen.«
»Das sollte besser schnell sein«, sagte er leidenschaftslos. »Meine Feinde werden bald hier sein. Wie ist dein Name?«
»Edwin Drood«, sagte ich. »Und deiner?«
Der Krieger lachelte. »Todesjager. Giles Todesjager.«
Kapitel Zehn
Stimmen, die den Krieg verkunden
Manchmal scheint mir, meine ganze Zeit im Herrenhaus besteht darin, mich mit Leuten auseinanderzusetzen, die zu mir kommen, um mir Sachen zu sagen, die ich bereits wei? und nicht leiden kann. Es gibt einen bestimmten Gesichtsausdruck, den ich zu erkennen gelernt habe: zu gleichen Teilen Entschlossenheit und diese Es-ist-nur-zu-deinem-Besten-Schadenfreude. Diesmal war es Callan Drood, der aus einem Nebenzimmer hervorgeschossen kam, als ich ins Herrenhaus zuruckgegangen war. Er sah nach seinem Trip nach Sudamerika weniger sonnenverbrannt als vielmehr gerostet aus. Er kam direkt auf mich zu und sein Blick war finster. Das musste nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein, Callan sah immer so aus. Selbst an seinen besten Tagen machte er den Eindruck eines Jemands, der perfekt darauf vorbereitet war, alles uber den Haufen zu rennen, das sich ihm in den Weg stellte, einschlie?lich Mauern, Vorschriften und mindestens ebenso wahrscheinlich Menschen. Ich wusste sofort, dass ich das, was er mir so dringend zu sagen hatte, nicht horen wollte. Aber au?er ihm mit dem nachstbesten stumpfen Gegenstand eins uber den Schadel zu ziehen und uber ihn druber zu marschieren, gab es keine Moglichkeit, ihm aus dem Weg zu gehen. Also blieb ich stehen, seufzte einen schweren Seufzer, um zu zeigen, dass ich gar nicht glucklich war und lie? ihn sagen, was er zu sagen hatte.
»Der Innere Zirkel will mit dir reden«, sagte Callan rundheraus.
»Es ist schon, wenn man etwas will«, sagte ich. »Ich will ein paar gro?e Drinks und eine Fleischpastete, gefolgt von einem schonen Nickerchen und ich denke, genau das werde ich mir jetzt gonnen.«
»Lass mich das anders sagen«, sagte Callan. »Der Innere Zirkel muss dich auf der Stelle sehen. Und ich habe den Befehl,