In diesem Moment hallte der schreckliche Klang eines wirklich gro?en Gongs durch den Lageraum, so laut, dass die Leute sich die Hande an die Ohren pressten, um ihn nicht horen zu mussen. Jeder sah sich panisch um und wappnete sich gegen einen Angriff, aber alles, was passiert war, war, dass Merlins Spiegel aus meiner Tasche hupfte, umgehend zu voller Gro?e anwuchs, in der Luft hangen blieb und ein Portal zwischen dem Lageraum und der alten Bibliothek bildete. William Drood starrte aus der Offnung in den zu Tode erschrockenen Lageraum und lachelte schwach.

»Tut mir leid. Ich dachte, ich hatte die Gongfunktion abgestellt.«

Ich seufzte schwer. »Ich bin im Moment ein kleines bisschen beschaftigt, William. Ist es wirklich wichtig?«

»Aber naturlich!«

»Aber naturlich«, sagte ich. »Alles ist dieser Tage wichtig. Immer sind es sauwichtige Neuigkeiten, niemals ist Zeit fur etwas Herzerwarmendes, sowas wie ein Dachs, der skateboarden kann oder so. Hort gar nicht auf mich, ich rede nur so vor mich hin, weil ich sonst anfange, mit Sachen zu schmei?en. Was willst du, William?«

Er lachelte distanziert, und sah - man muss es sagen - noch nervoser und verwirrter aus als ublich. »Rafe kummert sich um deinen Freund. Ich habe ein paar neue und moglicherweise lebenswichtige Informationen uber die Natur und die Absichten der Abscheulichen. Du musst dir das anhoren, Edwin, bevor du irgendwelche Plane machst.«

»In Ordnung«, sagte ich resignierend. »Der Innere Zirkel ist hier bei mir. Also, lass horen.«

Der Waffenmeister trat plotzlich nach vorn und stellte sich neben mich, um durch das Portal zu starren. Er lachelte den Bibliothekar breit an. »William!«, rief er aus. »Mein Gott, es ist gut, dich wiederzusehen! Ich wusste gar nicht, dass du wieder im Herrenhaus bist. Du siehst gut aus. Na, komm her zu uns! Wir sollten uns Zeit fur ein langes Schwatzchen nehmen, wenn das alles hier vorbei ist.«

William sah ihn traurig an. »Ich werde lieber nicht - ich komme besser nicht. Ich bin noch nicht so weit. Du bist Jack, richtig? Hallo, Jack. Es ist schon eine Weile her, nicht wahr … auch wenn ich Dir nicht sagen konnte, wie lang. Ich habe ein bisschen die Orientierung verloren, was die Zeit angeht und andere … Dinge.«

Der Waffenmeister sah mich an und senkte die Stimme. »Was ist los mit ihm? Ich dachte, er ware …«

»Geheilt?«, sagte William. »Das ist ein wenig optimistisch, furchte ich. Und ich bin zwar verruckt, aber nicht taub. Sagen wir einfach … ich werde langsam wieder zu dem, was ich einmal war.«

»Warum bist du so lange weggeblieben?«, sagte der Waffenmeister. Er bemuhte sich, ruhig zu sprechen, aber es war klar, wie sehr ihn der Zustand seines alten Freundes mitnahm. »Warum hast du niemandem auf Wiedersehen gesagt? Mir zum Beispiel? Du hast nicht einmal eine Nachricht hinterlassen. Hast du nicht gewusst, was wir uns fur Sorgen machen wurden? Ich habe Jahre damit verbracht, dich zu suchen, noch lange, nachdem jeder andere dich schon aufgegeben und dich einen Vogelfreien genannt hat. Ich habe nie aufgegeben. Warum hast du mir nicht gesagt, wo du hingegangen bist, William? Wir waren Freunde von klein auf.«

»Das Herz hat mich vertrieben«, sagte William. Man konnte sehen, dass er ehrlich versuchte, sich zu konzentrieren und seine schweifenden Gedanken zusammenzuhalten. »Es hat mich verletzt. Das bose Herz. Ich musste fliehen, weg vom Herrenhaus und der Familie, um mein Leben und das, was von meinem Verstand noch ubrig war, rennen. Ja, ich musste dort untertauchen, wo niemand nach mir suchte und mich dann tief in mir selbst verstecken, Jack. Und wieder zuruckzukommen ist … schwierig. Wir reden spater, Jack. Ja. Alles aufholen, nur wir beide. Nur … jetzt nicht.

Jetzt musst ihr mir erst einmal alle zuhoren, was ich euch zu sagen habe. Und passt auf, ich glaube nicht, dass ich das zweimal erklaren kann.«

Sein Gesicht festigte sich, seine Stimme klang klarer und autoritarer, als er seine alte Rolle als Fachmann und Vortragender ubernahm. Vielleicht weil es einfach eine weitere Rolle war, hinter der er sich verstecken konnte und die nichts anderes von ihm verlangte als seine Expertise.

»Der Familie sind die Eindringlinge lange bekannt. Wir haben vor langer Zeit gegen sie gekampft, als die druidischen Droods die Romer unterstutzten, als die das alte Britannien einnahmen. Glaubt man den lateinischen Texten, kostete es die ganze Macht des Romischen Imperiums, zusammen mit den ersten Drood-Frontagenten, die turmartigen Strukturen zu zerstoren, die von besessenen Barbarenvolkern uber die ganze bekannte Welt gebaut worden waren. Das romische Militar schleifte diese fruhen Nester mit seiner ublichen, brutalen Effizienz, aber immer mehr sprossen aus der Erde. Es gibt Hinweise darauf, dass am Ende das Herz einschritt und direkt eingriff, die verbliebenen Gebaude zerstorte und die Eindringlinge davon abhielt, in unsere Realitat zu kommen. Vermutlich, war es nicht bereit, seinen neuen Besitz aufzugeben. Es war die Welt des Herzens und es war nicht bereit zu teilen. Wie auch immer … Viele Jahrhunderte spater hat unsere vorletzte Matriarchin, Sarah Drood, das Wissen jener Zeit aus der vermeintlich verlorenen Bibliothek entfernt und es dazu benutzt, die Abscheulichen in unsere Realitat zu holen. Wahrscheinlich, damit sie als Waffen gegen die Nazis verwendet werden konnten.«

»Wahrscheinlich?«, fragte der Seneschall bissig. »Ich habe die Aufzeichnungen gesehen. Die Seelenfresser gaben exzellente Waffen gegen die Kriegsmaschinerie der Nazis ab, bevor die Vril-Gesellschaft auf der anderen Seite eingriff und das Gleichgewicht wieder herstellte.«

»Oh, ich bin sicher, sie haben eine Menge Schaden angerichtet«, sagte William. »Aber ich glaube nicht, dass das der Zweck war, zu dem sie geholt wurden.«

»Ich habe nie verstanden, warum unsere Wahl ausgerechnet auf sie fiel«, sagte der Waffenmeister. »Ich meine, Seelenfresser? Es hat doch bestimmt bessere, sicherere Optionen gegeben, die wir hatten wahlen konnen.«

»Oh, die gab es«, sagte William. »Aber jemand, jemand sehr Hochstehendes, hat auf die Abscheulichen bestanden. Je mehr ich in den ungekurzten Familienchroniken lese, desto mehr bin ich zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass jemand in der Familie ein Verrater war. Vielleicht schon von irgendeinem Damon besessen.«

»Aber … wie ware das moglich?«, platzte der Seneschall heraus. »Die Torques haben uns doch vor jeder Besessenheit oder seelischen Gefahr beschutzt!«

»Es gibt nur einen Weg, wie das passieren konnte«, sagte William. »Jemand hat sich aus freiem Willen zur Verfugung gestellt. Wie die Kandarianer.«

Das lie? uns alle eine Weile still werden.

»Ein Verrater der Familie«, sagte ich endlich. »Das ist jetzt leichter zu glauben, wo wir alles uber das Herz und die Matriarchinnen erfahren haben. Und auch uber die Null-Toleranz-Fraktion, aber trotzdem … Ein Drood, der sich selbst einem Damonen hingibt und sich mit Seelenfressern zusammentut? Warum? Was konnte derjenige glauben zu gewinnen?«

»Was noch wichtiger ist«, sagte Harry langsam. »Konnte es immer noch Verrater oder besessene Droods geben, die nach wie vor in der Familie operieren? Das konnte erklaren, wie wir in der Nazca-Ebene so leicht uberrumpelt werden konnten …«

William nickte traurig. »Mir ging es besser, als ich noch verruckt war und nicht wusste, was los war. Eines scheint jedenfalls bedauerlich deutlich zu sein. Seit die Abscheulichen wieder hereingelassen wurden, aus was fur Grunden das vor sechzig Jahren auch immer geschah, haben sie Opfer um Opfer ubernommen und langsam ihre Macht und ihren Einfluss bis zu dem Punkt ausgedehnt, an dem sie wieder anfangen konnten, ihre Strukturen zu bauen und die Eindringlinge zu beschworen.«

»Es gibt Meldungen von mehr dieser Strukturen; in verschiedenen Baustadien, aus aller Welt«, sagte Callan. »Es ist, als wurden sie sie nicht einmal mehr verstecken.«

»Wie viele?«, fragte der Seneschall.

»Hunderte, bis jetzt. Es wurde mich nicht uberraschen, wenn es letztendlich noch Tausende wurden.«

»Lasst uns daruber reden, was wir von den Abscheulichen wissen«, sagte William jetzt in vollem Vortragsmodus. »Sie sind ja nicht einfach gekommen und haben wie die meisten Damonen oder Teufel aus der Holle einfach mal Leute ubernommen.« Es entstand eine kleine Pause, in der alles zu Roger blickte, der jedoch nichts zu sagen hatte. William schnuffelte ein paar Mal und sprach dann weiter. »Nein, diese Damonen infizieren ihre Opfer einfach dadurch, dass sie sich in der Nahe befinden. Sie implantieren einen mental-spirituellen Embryo in den menschlichen Korper und die Seele. Die eindringende Prasenz verwendet dann den Menschen als Nahrung, wahrend sich der Embryo entwickelt, bevor er endlich einen kompletten Abscheulichen ausbrutet.

Wie damonische Kuckuckseier.

Erst kommen physische Veranderungen. Das Fleisch verzerrt sich, seltsame Deformierungen am Korper

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