Gesprachs, wie ich mich erinnere. Es war die Art von absolutem, realistischem Verstandnis zwischen uns, das keine Worte brauchte. Es konnte ein Schlag sein, ja. Es konnte auch Krebs sein, und wenn das der Fall war, waren die Chancen, dass die Arzte in Indianola etwas tun konnten, gering bis Null. Dies war 1932, bedenken Sie das, und selbst so etwas relativ Einfaches wie eine Blaseninfektion bedeutete entweder die Einnahme von Sulfat und Ubelkeit oder leiden und warten. »Ich danke Ihnen fur Ihre Anteilnahme, Paul. Reden wir jetzt uber Percy Wetmore.« Ich stohnte und schloss die Augen.
»Ich wurde heute morgen aus der Hauptstadt angerufen«, sagte der Direktor mit ruhiger Stimme. »Es war ein ziemlich argerlicher Anruf, wie Sie sich sicher vorstellen konnen. Paul, der Gouverneur ist so beschaftigt, dass er fast nicht da ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und seine Frau hat einen Bruder, der ein Kind hat Dieses Kind ist Percy Wetmore. Percy rief gestern Abend seinen Daddy an, und Percys Daddy rief Percys Tante an. Muss ich Ihnen den Rest erzahlen?«
»Nein«, sagte ich. »Percy hat gepetzt Wie der Streber in der Schule dem Lehrer erzahlt dass Jack und Jill auf der Toilette geknutscht haben.« »Ja«, stimmte Moores zu, »so ungefahr.«
»Wissen Sie, was zwischen Percy und Delacroix passierte, als Delacroix eingeliefert wurde?« fragte ich. »Percy und sein verdammter Hickory - Schlagstock?« »Ja, aber ...«
»Und Sie wissen, wie er manchmal damit auf die Gitterstabe schlagt nur um die Gefangenen zu erschrecken? Er ist gemein und blode, und ich wei? nicht ob ich ihn noch langer ertragen kann. Das ist die Wahrheit«
Wir kannten uns seit funf Jahren. Das kann eine lange Zeit sein fur Manner, die gut miteinander auskommen, besonders wenn ein Teil des Jobs der Tausch von Leben gegen Tod ist Ich will damit sagen, dass er mich verstand. Nicht, dass ich den Job hinschmei?en wurde; nicht bei der Wirtschaftskrise, die au?erhalb der Gefangnismauern umging wie ein gefahrlicher Verbrecher, den man nicht einsperren konnte wie unsere Schutzbefohlenen. Bessere Manner als ich standen arbeitslos auf der Stra?e.
Ich hatte Gluck und wusste es - die Kinder waren erwachsen, und die Hypothek, dieser
zentnerschwere Marmorblock, der mich fast erdruckt hatte, war seit zwei Jahren von meiner Brust
Aber ein Mann muss essen, und seine Frau muss ebenfalls etwas zu essen haben. Au?erdem schickten
wir unserer Tochter und dem Schwiegersohn zwanzig Bucks, wann immer wir es uns erlauben
konnten (und manchmal auch, wenn wir es uns nicht erlauben konnten, Janes Briefe jedoch
besonders verzweifelt klangen). Er war ein arbeitsloser High-School-Lehrer, und wenn einen das nicht
in jenen Tagen fur Verzweiflung qualifizierte, dann hatte das Wort keine Bedeutung. Also nein, man
gab keinen Job mit regelma?igem Lohnscheck auf, nicht wenn man kaltes Blut hatte.
Aber mein Blut war in diesem Herbst nicht kalt Die Temperaturen waren ungewohnlich fur die
Jahreszeit und die Infektion in mir hatte den Thermostat noch hoher gestellt Wenn man in einer
solchen Situation ist kann einem sehr leicht die Faust ausrutschen, ohne dass man es will. Und wenn
einem die Faust bei einem Mann mit Beziehungen wie Percy Wetmore ausrutscht kann man ebenso
gut gleich betteln gehen, denn dann ist man erledigt und es gibt keine Ruckkehr mehr in den Job.
»Halten Sie durch«, sagte Moores ruhig. »Ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen das zu sagen. Ich
wei? aus guter Quelle - genauer gesagt, von der Person, die mich heute morgen anrief -, dass Percy
ein Gesuch in Briar eingereicht hat und dem Gesuch stattgegeben wird.«
»Briar«, sagte ich. Das war Briar Ridge, eines der beiden staatlichen Krankenhauser.
»Was macht dieser Bengel? Eine Tournee bei staatlichen Einrichtungen?«
»Es ist ein Verwaltungsjob. Bessere Bezahlung und Schreibarbeiten, anstatt Krankenbetten bei dieser
Hitze herumzuschleppen.« Er grinste mich schief an. »Wissen Sie, Paul, Sie waren ihn vielleicht schon
los, wenn Sie ihn nicht mit Van Hay in den Schalterraum geschickt hatten, als der Chief ging.«
Einen Moment lang kamen mir seine Worte so merkwurdig vor, dass ich keine Ahnung hatte, worauf
er hinaus wollte. Vielleicht wollte ich keine Ahnung haben.
»Wohin sonst hatte ich ihn schicken konnen?« fragte ich. »Menschenskind, er wusste kaum, was er in
dem Block tat! Ihn zum Mitglied des aktiven Hinrichtungsteams zu machen ...« Ich sprach nicht zu
Ende. Konnte es nicht Die Moglichkeit, etwas zu vermasseln, war unendlich gro?.
»Dennoch sollten Sie ihn fur Delacroix einsetzen. Das hei?t, wenn Sie ihn loswerden wollen.«
Ich schaute ihn an, und meine Kinnlade sackte hinab. Schlie?lich konnte ich sie wieder anheben, wo
sie hingehorte, damit ich reden konnte. »Was sagen Sie da? Dass er eine Hinrichtung aus nachster
Nahe erleben will, damit er riecht, wie die Eier des Typen braten?« Moores zuckte die Achseln. Seine
Augen, deren Ausdruck so weich gewesen war, als er uber seine Frau gesprochen hatte, blickten jetzt
hart »Delacroix' Eier werden braten, ob Wetmore beim Team ist oder nicht«, sagte er. »Richtig?«
»Ja, aber er konnte die Hinrichtung vermasseln. Hai, er wird sie ganz sicher vermasseln. Und vor
drei?ig Zeugen oder so - Reporter, die den weiten Weg von Louisiana gemacht haben.«
»Sie und Brutus Howell werden dafur sorgen, dass er das nicht tut«, sagte Moores. »Und wenn er es
trotzdem tut kommt es in seine Personalakte und wird immer noch darin stehen, wenn seine
politischen Verbindungen zum Teufel sind. Verstehen Sie?«
Ich verstand. Es bereitete mir Ubelkeit und Schrecken, aber ich verstand.
»Er will vielleicht bleiben, um Coffeys Hinrichtung zu erleben, aber wenn wir Gluck haben, bekommt er
alles, was er braucht, von Delacroix' Hinrichtung. Sorgen Sie nur dafur, dass er fur diese eine
Hinrichtung eingesetzt wird.«
Ich hatte vorgehabt Percy wieder in den Schalterraum zu schicken, dann hinab in den Tunnel als
Bewacher der Bahre, mit der Delacroix zum Fleischwagen uber die Stra?e gegenuber vom Gefangnis
gebracht werden wurde, aber ich warf all diese Plane uber meine Schulter ab, ohne noch einmal
hinzublicken. Ich nickte. Ich hatte das Gefuhl zu wissen, dass ich ein Risiko einging, aber es machte
mir nichts aus. Wenn ich dadurch Percy Wetmore loswerden wurde, dann wurde ich dem Teufel in die
Nase zwicken. Er konnte an dieser Hinrichtung teilnehmen, Van Hay anweisen, den Hebel zu
betatigen, und dann durch das Schaltergitter schauen; er konnte beobachten, wie der kleine Franzose
auf dem Blitz ritt, den er, Percy Wetmore, aus der Flasche gelassen hatte.
Sollte er seinen ekelhaften kleinen Kitzel haben, wenn ein vom Staat sanktionierter Mord das fur ihn
war. Sollte er dann nach Briar Ridge gehen, wo er ein eigenes Buro mit Ventilator haben wurde. Und
wenn sein angeheirateter Onkel bei der nachsten Wahl aus dem Amt abgewahlt wurde und Percy
herausfinden musste, was Arbeit in der harten, alten Sonnenverdorrten Welt bedeutete, wo nicht all
die bosen Buben hinter Gittern eingesperrt waren und man manchmal selbst Schlage erhielt, war das
um so besser.
»In Ordnung«, sagte ich und stand auf. »Ich werde ihn bei Delacroix' Hinrichtung in der ersten Reihe
einsetzen. Und unterdessen werde ich ihn in Frieden lassen.«
»Gut«, sagte Moores und erhob sich ebenfalls. »Wie steht es ubrigens mit Ihrem Problem?« Er wies
taktvoll in Richtung meines Unterleibs.
»Ist anscheinend ein wenig besser geworden.«
»Nun, das ist prima.« Er ging mit mir zur Tur. »Was ist ubrigens mit Coffey? Wird er ein Problem
sein?«
»Ich denke, nein«, sagte ich. »Bis jetzt verhielt er sich ruhig wie ein toter Hahn. Er ist seltsam - sonderbare Augen - aber ruhig. Wir beobachten ihn naturlich trotzdem. Machen Sie sich keine Sorgen.« »Sie wissen naturlich, was er getan hat« »Klar.«
Er fuhrte mich bis ins Vorzimmer, in dem die alte Miss Hannah auf ihre Underwood-Schreibmaschine einhammerte, wie sie es scheinbar seit dem Ende der letzten Eiszeit getan hatte, wie es mir vorkam. Ich war froh, dass ich gehen durfte. Alles in allem hatte ich das Gefuhl, gut davongekommen zu sein. Und es war schon zu wissen, dass es also doch eine Chance gab, Percy zu uberleben. »Schicken Sie Melinda eine ganze Kiste mit meinen besten Wunschen«, sagte ich. »Und kaufen Sie sich keine zusatzliche Kiste von Sorgen. Es stellt sich vielleicht heraus, dass es nur Migrane ist« »Aber sicher«, sagte er, und wahrend seine Augen Angst widerspiegelten, lachelten seine Lippen. Die Kombination kam verdammt nahe an das Lacheln eines Ghouls heran. Ich kehrte zu Block E zuruck, zu einem neuen Arbeitstag.
Es gab Papierkram zu lesen und zu schreiben, Boden mussten mit dem Mop aufgewischt werden, Mahlzeiten mussten serviert werden, ein Dienstplan fur die kommende Woche musste aufgestellt werden, und es gab hundert Einzelheiten, um die ich mich kummern musste. Aber hauptsachlich gab es Warten - im Gefangnis gibt es immer viel davon, so viel, dass es nie zu Ende geht Warten darauf, dass Eduard Delacroix uber die Grune Meile ging,