und Mann den Spuren des Entfuhrers der Madchen gefolgt waren; wie die Posse sie eingeholt und kurz darauf John Coffey gestellt hatte. Wie Coffey wehklagend am Flussufer gesessen hatte, wahrend die Leichen wie gro?e Puppen auf seinen gewal­tigen Armen gelegen hatten. Der Reporter, der in seinem wei?en Hemd mit offenem Kragen und der grauen Anzughose spindeldurr aussah, sprach mit leiser, leidenschaftsloser Stimme ..., doch er wandte den Blick nicht ein einziges Mal von seinen eigenen beiden Kindern ab, die sich im Schatten am Fu? des Hangs lachend beim Schaukeln ablosten. Irgendwann mitten in der Geschichte brachte Mrs. Hammersmith eine Flasche selbstgemachte Brause, die kalt war und kostlich schmeckte. Sie horte eine Weile zu und unterbrach dann ihren Mann, um die Kinder zu rufen und anzukundigen, dass sie Kuchen im Backofen habe.

»Wir kommen, Mama!« antwortete eine Madchenstimme, und die Frau ging wieder ins Haus. Als Hammersmith zu Ende erzahlt hatte, sagte er »Warum wollen Sie das wissen? Ich hatte noch nie Besuch von einem Gefangniswarter, Sie sind der erste.« »Ich sagte doch schon ...«

»Neugier, ja. Die Leute sind neugierig, das wei? ich, und ich danke sogar Gott dafur, denn sonst ware ich arbeitslos und wusste nicht, wie ich unseren Lebensunterhalt verdienen sollte. Aber funfzig Meilen sind ein langer Weg, nur um Neugier zu befriedigen, besonders wenn die letzten zwanzig uber schlechte Stra?en fuhren. Warum sagen Sie also nicht die Wahrheit, Edgecombe? Ich habe Ihre Neugier befriedigt, also befriedigen Sie jetzt meine.«

Ich konnte sagen: Nun, ich hatte diese Blaseninfektion, und John Coffey legte mir eine Hand auf und heilte sie. Der Mann, der diese beiden Madchen vergewaltigt und ermordet hat, tat das. Deshalb interessiere ich mich naturlich fur ihn - jeder ware da neugierig geworden. Ich frage mich sogar, ob Sheriff Homer Cribus und Deputy Rob McGee vielleicht den falschen Mann verhaftet haben. Trotz all der Beweise gegen ihn frage ich mich das. Denn einen Mann mit der Gabe eines Heilers halt man fur gewohnlich nicht fur den Typ, der Kinder vergewaltigt und ermordet Nein, das ware nicht der richtige Ansatz.

»Zwei Fragen beschaftigen mich«, sagte ich. »Die erste Frage ist: Hat er jemals zuvor so etwas getan?«

Hammersmith wandte sich mir zu, und sein Blick spiegelte plotzlich Interesse wider. Er war ein kluger Mann. Vielleicht sogar ein brillanter Mann, auf seine stille Art »Warum?« fragte er. »Was wissen Sie, Edgecombe? Was hat er gesagt?«

»Nichts. Aber ein Mann, der so etwas tut, hat es fur gewohnlich vorher schon getan. Sie kommen auf den Geschmack«

»Ja«, sagte Hammersmith. »So ist es. Ganz richtig.«

»Und es kam mir in den Sinn, dass man leicht seinen Weg zuruckverfolgen und es herausfinden konnte.

Bei einem Mann seiner Gro?e, obendrein einem Schwarzen, kann das nicht so schwierig sein.« »Wenn Sie das denken, irren Sie sich«, sagte Hammersmith. »In Coffeys Fall jedenfalls. Ich wei? es.«

»Sie haben es versucht?«

»Das habe ich, und ich habe nichts gefunden. Es gab ein paar Typen von der Eisenbahn, die glaubten, ihn auf dem Bahnhof in Knoxville gesehen zu haben - zwei Tage vor der Ermordung der Detterick-Madchen. Das ist keine Uberraschung; er befand sich am Fluss in der Nahe der Gleise der Great Southern, als er festgenommen wurde, also ist er vermutlich mit der Eisenbahn von Tennessee herunter gekommen. Ich erhielt einen Brief von einem Mann, der mir mitteilte, dass er einen gro?en kahlkopfigen Schwarzen im Fruhjahr dieses Jahres angeheuert hatte, um Kisten zu verladen - das war in Kentucky. Ich habe ihm ein Foto von Coffey geschickt, und er erkannte ihn darauf wieder. Aber sonst ...« Hammersmith zuckte die Achseln und schuttelte den Kopf. »Kommt Ihnen das nicht ein bisschen merkwurdig vor?«

»Das kommt mir au?erst merkwurdig vor, Mr. Edgecombe. Er scheint vom Himmel gefallen zu sein. Und er ist keine Hilfe; er kann sich an nichts erinnern, hat von einer Woche zur nachsten alles vergessen.«

»Stimmt«, sagte ich, »und wie erklaren Sie sich das?«

»Wir haben eine Wirtschaftskrise«, sagte er. »Das ist fur mich die Erklarung. Die Leute sind uberall auf den Stra?en. Die landwirtschaftlichen Wanderarbeiter wollen in Kalifornien Pfirsiche pflucken, die armen Wei?en vom Bergbau wollen in Detroit Autos bauen, die Schwarzen aus Mississippi wollen nach New England gehen und in den Schuh- und Textilfabriken arbeiten. Jeder - Schwarze wie Wei?e -meint, es wird jenseits des nachsten Landstreifens besser. Das ist die verdammte amerikanische Lebensart Selbst ein Riese wie Coffey fallt niemandem auf, weil sich so viele Leute herumtreiben . .., es sei denn, er entschlie?t sich, zwei kleine Madchen umzubringen. Kleine wei?e Madchen.« »Glauben Sie das?« fragte ich skeptisch. »Ich meine, dass er nur auffallt, wenn er wei?e Madchen umbringt?«

Er blickte mich aus seinem schmalen Gesicht kuhl an. »Manchmal glaube ich das, ja.«

Seine Frau neigte sich aus dem Kuchenfenster wie ein Lokfuhrer aus dem Fuhrerstand einer Lok und rief: »Kinder! Der Kuchen ist fertig!«

Dann wandte sie sich an mich. »Mochten Sie ein Stuck Rosinenkuchen, Mr. Edgecombe?« »Ich bin uberzeugt, dass er kostlich ist, Ma'am, aber ich muss passen.« »In Ordnung«, sagte sie und zog sich zuruck.

»Haben Sie seine Narben gesehen?« fragte Hammersmith unvermittelt. Er beobachtete immer noch seine Kinder, die sich noch nicht ganz dazu durchringen konnten, den Spa? des Schaukelns aufzugeben - auch nicht fur Rosinenkuchen. »Ja.« Es uberraschte mich, dass er sie gesehen hatte. Er bemerkte meine Reaktion und lachte. »Der einzige gro?e Sieg des Verteidigers bestand darin, dass Coffey sein Hemd ausziehen und diese Narben den Geschworenen zeigen durfte. Der Anklager, George Peterson, erhob au?erst heftig Einspruch, doch der Richter lie? es zu. Der gute George hatte sich den Atem sparen konnen - in dieser Gegend kaufen Geschworene niemandem diesen psychologischen Schei? ab, dass Leute, die misshandelt wurden, nichts dafur konnen, wenn sie ein Verbrechen begehen. Die Jurys in dieser Gegend glauben, dass sie sehr wohl fur ihre Taten verantwortlich sind. Das ist ein Gesichtspunkt, fur den ich viel Verstandnis habe ..., aber diese Narben waren wirklich grasslich. Ist Ihnen etwas daran aufgefallen, Edgecombe?«

Ich hatte Coffey nackt unter der Dusche gesehen, und es war mir etwas an den Narben aufgefallen; ich wusste, was Hammersmith meinte. »Sie sind alle zerrissen, sehen fast wie ein Gitter aus.« »Sie wissen, was das bedeutet?«

»Jemand hat ihn brutal ausgepeitscht, als er ein Kind war«, sagte ich. »Bevor er gewachsen ist« »Aber man hat es nicht geschafft, den Teufel aus ihm herauszupeitschen, nicht wahr, Edgecombe? Man hatte sich das Peitschen sparen und ihn statt dessen im Fluss ersaufen sollen wie eine streunende Katze, finden Sie das nicht auch?«

Ich nehme an, es ware diplomatisch gewesen, ihm einfach zuzustimmen und zu verschwinden, aber das konnte ich nicht Ich hatte Coffey gesehen. Und ich hatte ihn gespurt. Hatte die Beruhrung seiner Hande gespurt

»Er ist... sonderbar«, sagte ich. »Aber er scheint keine wirklichen gewalttatigen Zuge zu haben. Ich wei?, wie er gefunden wurde, und das ist unvereinbar mit dem, was ich Tag fur Tag im Block von ihm sehe. Ich kenne gewalttatige Manner, Mr. Hammersmith.« Ich dachte naturlich an Wharton, der Dean Stanton mit der Kette seiner Handfesseln gewurgt und gebrullt hatte: »Jucheee, Jungs! Das ist 'ne Party, was?«

Hammersmith schaute mich jetzt genauer an und zeigte ein kleines unglaubiges Lacheln, das mir nicht sonderlich behagte. »Sie sind nicht hergekommen, um herauszufinden, ob er in einer anderen Gegend weitere kleine

Madchen ermordet hat oder nicht«, sagte er. »Sie sind hergekommen, um festzustellen, ob ich denke,

dass er es uberhaupt getan hat. Das ist es, nicht wahr? Geben Sie es zu, Edgecombe.«

Ich schluckte den Rest meiner kalten Brause, stellte die Flasche neben seine auf den kleinen Tisch und

sagte: »Und? Glauben Sie es?«

»Kinder!« rief er den kleinen Hang hinab und beugte sich ein wenig vor. »Kommt sofort her und holt

euch euren Kuchen!« Dann lehnte er sich auf dem Stuhl zuruck und schaute mich an.

Dieses kleine Lacheln - das, was mir nicht behagte - war wieder auf seinem zu schmalen Gesicht

»Ich will Ihnen etwas erzahlen«, kundigte er an. »Horen Sie gut zu, denn dies konnte etwas sein, das

Sie wissen mussen.«

»Ich hore.«

»Wir hatten einen Hund namens Sir Galahad«, begann er und wies mit dem Daumen zur Hundehutte.

»Er war ein guter Hund. Nicht reinrassig, aber sanft Ruhig. Leckte einem die Hand oder apportierte

einen Stock Es gibt viele solche Mischlingshunde, meinen Sie nicht auch?«

Ich zuckte mit den Schultern und nickte.

»In vielerlei Hinsicht ist eine gute Promenadenmischung wie Ihr Neger«, sagte er. »Man wird vertraut

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