hatte - sie hatten gedacht, ich wollte mit ihnen entweder uber Delacroix oder Percy reden. Vielleicht
uber beide. Ich schaute Dean und Harry an. »Die Sache mit Mr. Jingles - was Coffey getan hat -
geschah ziemlich schnell. Ich wei? nicht, ob ihr rechtzeitig da wart, um zu sehen, wie kaputt die Maus
war.«
Dean schuttelte den Kopf. »Aber ich habe das Blut auf dem Boden gesehen.«
Ich wandte mich an Brutal.
»Dieser Hurensohn Percy hat sie zerstampft«, sagte er. »Sie hatte tot sein mussen, aber sie starb
nicht. Coffey machte etwas mit ihr. Heilte sie irgendwie. Ich wei?, wie das klingt, aber ich sah es mit
eigenen Augen.«
Ich sagte: »Er heilte mich ebenfalls, und ich sah es nicht nur, ich
meiner Blaseninfektion - wie sie wieder aufgetreten und wie schlimm sie gewesen war (ich wies aus
dem Fenster zu dem Holzstapel, an dem ich mich an jenem Morgen festhalten musste, als der
Schmerz mich auf die Knie trieb) und wie sie vollig verschwunden war, nachdem Coffey mich beruhrt
hatte.
Als ich fertig erzahlt hatte, sa?en sie da und dachten eine Weile daruber nach, wobei sie ihre
Sandwiches verzehrten.
Dann sagte Dean: »Schwarze Dinger wie Insekten kamen aus seinem Mund.«
»Das stimmt«, bestatigte Harry. »Sie waren zuerst schwarz. Dann wurden sie wei? und
verschwanden.« Er blickte nachdenklich vor sich hin. »Ich war verdammt nahe daran, die ganze Sache
zu vergessen, bis du sie zur Sprache gebracht hast, Paul. Ist das nicht komisch?«
»Nichts daran ist komisch«, sagte Brutal. »Ich denke, das tun die Leute immer bei Sachen, die sie
nicht verstehen konnen - sie vergessen sie einfach. Es ist nicht sehr gut fur die Leute, sich an etwas
zu erinnern, das keinen Sinn ergibt. Wie war es bei dir, Paul? Waren da Insekten, als er dich heilte?«
»Ja. Ich denke, sie waren die Krankheit ... die Qual... der Schmerz. Er nahm es in sich auf und entlie?
es wieder in die Luft.«
»Wo es starb«, sagte Harry.
Ich zuckte die Achseln. Ich wusste nicht, ob es starb oder nicht, war mir nicht sicher, ob das
uberhaupt eine Rolle spielte. »Hat er es aus dir herausgesaugt?« fragte Brutal. »Es sah aus, als hatte
er es aus der Maus gesaugt. Den Schmerz. Den ... du wei?t schon. Den Tod.«
»Nein«, sagte ich. »Er hat mich nur beruhrt. Und ich habe es gespurt. Eine Art Schlag wie von
Elektrizitat, nur nicht schmerzhaft. Aber ich lag nicht im Sterben, ich war nur krank«
Brutal nickte. »Die Beruhrung und der Atem. Wie man es von diesen Gospelsangern hort«
»Gelobt sei Jesus, der Herr ist allmachtig«, sagte ich.
»Ich wei? nicht, ob Jesus darin vorkommt«, sagte Brutal. »Aber mir scheint John Coffey ist ein
machtiger Mann.«
»Also gut«, sagte Dean. »Wenn ihr sagt dass all dies geschehen ist glaube ich es. Gott bewirkt auf
geheimnisvolle Weise seine Wunder. Aber was hat das alles mit uns zu tun?«
Nun, das war die gro?e Frage, nicht wahr? Ich holte tief Luft und erzahlte ihnen, was ich vorhatte. Sie
horten verblufft zu. Sogar Brutal, der gern diese Schmoker mit den Geschichten uber grune Mannchen
aus dem Weltraum liest wirkte baff. Als ich diesmal zu Ende erzahlt hatte, war das Schweigen langer,
und keiner kaute mehr auf den Sandwiches herum.
Schlie?lich sagte Brutus Howell in ruhigem, sachlichem Tonfall: »Wir wurden unsere Jobs
verlieren, wenn wir erwischt werden, Paul, und wir kannten uns verdammt glucklich preisen, wenn das
alles ist was passiert. Wir konnten in Block A als Gaste des Staates enden, Brieftaschen nahen und
paarweise duschen.«
»Ja«, sagte ich. »Das konnte passieren.«
»Ich kann deine Gefuhle ein wenig verstehen«, fuhr Brutal fort »Du kennst Moores besser, als wir ihn
kennen - er ist nicht nur der Boss, sondern auch dein Freund -, und ich wei?, dass du viel an
seine Frau denkst...«
«Sie ist die netteste Frau, die du dir vorstellen kannst«, sagte ich, »und sie bedeutet fur ihn die Welt«
»Aber wir kennen sie nicht so gut wie du und Janice«, sagte Brutal.
»Das musst du zugeben, Paul.«
»Du wurdest sie mogen, wenn du sie kennst«, sagte ich. »Jedenfalls, wenn du sie kennen gelernt
hattest bevor sie krank wurde. Sie tut vieles fur die Gemeinde, sie ist eine gute Freundin, und sie ist
religios. Mehr noch, sie ist lustig. War es jedenfalls. MC konnte Dinge erzahlen, bei denen man lachte,
und einem die Tranen kamen. Aber keiner dieser Punkte ist der Grund, weshalb ich helfen will, sie zu
retten, wenn sie gerettet werden kann. Was mit ihr passiert ist eine
»Sehr nobel, aber ich bezweifle hollisch, dass du deshalb diesen Fimmel hast«, sagte Brutal. »Ich
nehme an, es hat was mit dem zu tun, was mit Del passierte. Du willst es irgendwie ausgleichen.«
Und er hatte recht. Naturlich hatte er recht. Ich kannte Melinda besser, als sie sie kannten, aber
letzten Endes vielleicht nicht gut genug, um die Jungs zu bitten, ihre Jobs fur sie aufs Spiel zu setzen
... und moglicherweise sogar ihre Freiheit oder, was das anbetraf, meinen eigenen Job und meine
Freiheit aufs Spiel zu setzen. Ich hatte zwei erwachsene Kinder, und ich wollte naturlich nicht, dass
meine Frau ihnen schreiben musste, dass ihrem Vater der Prozess gemacht und er verurteilt wurde als
... nun, was wurde das sein? Ich wusste es nicht mit Sicherheit. Anstiftung und Beihilfe zu einem
Fluchtversuch war das Wahrscheinlichste.
Aber der Tod von Eduard Delacroix war das Widerlichste, Ubelste, das ich je in meinem Leben erlebt
hatte - nicht nur in meinem Berufsleben, sondern im ganzen Leben -, und ich war daran beteiligt
gewesen. Wir
blieb, obwohl wir wussten, dass er schrecklich untauglich fur die Arbeit in Block E war.
Wir hatten mitgespielt. Sogar Direktor Moores war beteiligt gewesen.
»Seine Eier werden braten, ob Wetmore dabei ist oder nicht« So oder ahnlich hatte er es formuliert,
und vielleicht war das gut genug, wenn man bedachte, was der kleine Franzose getan hatte, aber am
Ende hatte Percy viel mehr getan, als Dels Eier zu braten; er hatte dem kleinen Mann die Augapfel aus
den Hohlen geblasen und ihm das Gesicht verbrannt. Und warum? Weil Del ein mehrfacher Morder
war? Nein. Weil sich Percy in die Hosen gemacht hatte und der kleine Cajun so frech gewesen war,
ihn auszulachen. Wir waren an einer ungeheuerlichen Tat beteiligt gewesen, und Percy kam
ungestraft davon. Er wurde nach Briar Ridge gehen, glucklich wie eine Muschel bei Flut und dort
wurde er eine ganze Anstalt voller Irren haben, an denen er seine Grausamkeiten begehen konnte.
Daran konnten wir nichts andern, aber vielleicht war es noch nicht zu spat um etwas von dem Dreck
an unseren eigenen Handen abzuwaschen.
»In meiner Kirche nennt man es Bu?e, nicht Ausgleich«, sagte ich, »aber ich nehme an, es lauft ur
das gleiche hinaus.«
»Denkst du wirklich, Coffey konnte sie retten?« fragte Dean. »Einfach ... diesen Gehirntumor aus
Ihrem Kopf... saugen? Als ware es ein ... Pfirsichkern?«
»Ich denke, er kann das. Es ist naturlich nicht sicher, aber nach dem, was er bei mir getan hat... und
Mr. Jingles ...«
»Diese Maus war regelrecht zerstampft«, sagte
Brutal.
»Aber wurde er es tun?« uberlegte Harry.
»Wenn er das kann, wird er es tun«, sagte ich.
»Warum? Coffey kennt sie nicht einmal!«
»Weil es seine Art ist. Weil Gott ihn dafur erschaffen hat.«
Brutal machte eine Schau daraus, in die Runde zu blicken und uns alle daran zu erinnern, dass jemand
fehlte. »Und was ist mit Percy? Meinst du, der wurde das einfach durchgehen lassen?« fragte er, und