so erzahlte ich ihm, was ich mit Percy im Sinn hatte. Als ich fertig war, starrten Harry und Dean mich

verblufft an, und ein bewunderndes Grinsen stahl sich in Brutals Gesicht

»Ziemlich verwegen, Bruder Paul!« sagte er. »Es Verschlagt mir den Atem!«

»Aber das ware der Hammer!« Dean flusterte fast, und dann lachte er laut und klatschte in die Hande

wie ein Kind. Sie werden sich daran erinnern, dass Dean ein besonderes Interesse an dem Teil meines

Plans hatte, der Percy betraf - Percy hatte schlie?lich tatenlos zugesehen, als Dean fast umgebracht

worden ware.

»Ja, aber was kommt danach?« fragte Harry. Er klang verdrossen, doch seine Augen verrieten ihn; sie

glanzten, die Augen eines Mannes, der uberzeugt werden will. »Was dann?«

»Es hei?t, Tote reden nicht«, sagte Brutal, und ich blickte schnell zu ihm, um mich zu vergewissern,

dass er scherzte.

»Ich denke, er wird den Mund halten«, sagte ich.

»Tatsachlich?« Dean blickte skeptisch drein. Er nahm seine Brille ab und begann die Glaser zu

polieren. »Davon musst du mich uberzeugen.«

»Erstens wird er nicht wissen, was wirklich geschah - er ist auf sein eigenes Urteil angewiesen und

wird denken, es ware nur ein Streich. Zweitens - und noch wichtiger -, er wird Angst haben, etwas zu

sagen. Darauf zahle ich wirklich. Wir sagen ihm, wenn er Briefe schreibt oder telefoniert, dann

schreiben wir auch Briefe und telefonieren.«

»Uber die Hinrichtung«, sagte Harry.

»Und uber seine Untatigkeit, als Dean von Wharton angegriffen wurde«, sagte Brutal. »Ich denke,

Percy Wetmore hat wirklich Angst, dass Leute das erfahren.« Er nickte langsam und nachdenklich. »Es

konnte klappen. Aber, Paul... wurde es nicht vernunftiger sein, Mrs. Moores zu Coffey zu bringen

anstatt Coffey zu Mrs. Moores? Wir wurden uns sehr gut um Percy kummern, wie du es geplant hast,

und sie durch den Tunnel hereinbringen anstatt Coffey auf diesem Weg hinaus.«

Ich schuttelte den Kopf. »Das ist unmoglich. Vollig ausgeschlossen.«

»Wegen Direktor Moores?«

»Genau richtig. Er ist so stur, dass der Unglaubige Thomas dagegen wie Johanna von Orleans

aussieht. Wenn wir Coffey in sein Haus bringen, konnen wir ihn uberraschen, und er lasst Coffey

wenigstens einen Versuch machen. Aber sonst...«

»Was benutzen wir als Fahrzeug?« fragte Brutal.

»Ich dachte zuerst an die Postkutsche«, sagte ich.

»Aber ich nehme an, wir bekommen den Gefangenentransporter nicht unbemerkt vom Hof, und jeder

im Umkreis von zwanzig Meilen wei?, wie er aussieht. Vielleicht konnen wir meinen Ford nehmen.«

»Wieder ein Vielleicht«, sagte Dean und setzte »eine Brille auf die Nase. »Du kannst Coffey nicht in

deinen Wagen bekommen, nicht mal nackt, wenn du ihn mit Schmalz bestreichst und einen

Schuhloffel benutzt. Du hast ihn so oft gesehen, dass du vergessen hast wie gro? er ist«

Darauf hatte ich keine Antwort. Ich hatte mich an diesem Morgen hauptsachlich auf das Problem

Percy konzentriert - und auf das geringere, aber nicht unerhebliche Problem Wild Bill Wharton.

Jetzt wurde mir klar, dass der Transport nicht so einfach sein wurde, wie ich gehofft hatte.

Harry Terwilliger nahm den Rest seines zweiten Sandwiches, schaute kurz darauf und legte es wieder

hin. »Wenn wir wirklich diese verruckte Sache durchziehen«, sagte er, »konnten wir meinen Pickup

Truck benutzen. Coffey hinten draufsetzen. Zu dieser Uhrzeit werden nicht viele Leute auf

den Stra?en sein. Wir reden von weit nach Mitternacht, nicht wahr?« »Ja«, sagte ich.

»Ihr Jungs vergesst eines«, sagte Dean. »Ich wei?, dass Coffey ziemlich ruhig war, seit er zum Block

kam, und meistens auf seiner Pritsche lag und heulte, aber er ist ein Morder. Und er ist riesig. Wenn

er sich entschlie?t, aus Harrys Truck zu turmen, konnen wir ihn nur stoppen, indem wir ihn

erschie?en. Und bei einem solchen Riesen ist das gar nicht so leicht. Angenommen, wir konnen ihn

nicht an einer Flucht hindern? Und angenommen, er bringt noch jemanden um? Ich verliere ungern

meinen Job und gehe ungern in den Knast, als Gefangener, meine ich - ich muss eine Frau und Kinder

ernahren -, aber ich habe ebenso ungern den Tod eines kleinen Madchens auf dem Gewissen.«

»Das wird nicht passieren«, sagte ich.

»Wie kannst du da so sicher sein?«

Ich gab keine Antwort

Ich wusste einfach nicht wie ich anfangen sollte. Mir war naturlich klar gewesen, dass dies zur

Sprache kommen wurde, aber ich wusste immer noch nicht wie ich ihnen erzahlen sollte, was ich

wusste. Brutal half mir.

»Du glaubst nicht dass er es getan hat Paul?« Er schaute mich unglaubig an. »Du haltst diesen

gro?en Einfaltspinsel fur unschuldig.«

»Ich bin mir ganz sicher, dass er unschuldig ist«, sagte ich.

»Wie kannst du das sein?«

»Aus zweierlei Grunden«, sagte ich. »Einer ist mein Schuh.« Ich neigte mich vor und begann zu

erzahlen.

Teil 5

Reise in die Nacht

Mr. H. G. Wells schrieb einst eine Geschichte uber einen Mann, der eine Zeitmaschine erfand, und ich

habe beim Schreiben dieser Erinnerungen entdeckt, dass ich meine eigene Zeitmaschine erschaffen

habe. Im Gegensatz zu Wells kann meine jedoch nur in die Vergangenheit reisen - zuruck ins Jahr

1932, um genau zu sein, als ich Chefwarter in Block E des Staatsgefangnisses Cold Mountain war -,

aber trotzdem ist sie unheimlich wirkungsvoll fur all das. Diese Zeitmaschine erinnert mich an den

alten Ford, den ich in jenen Tagen fuhr; man konnte sicher sein, dass er schlie?lich starten wurde,

aber man wusste nie, ob ein Drehen des Schlussels genugte, um den Motor anzulassen, oder ob man

aussteigen und kurbeln musste, bis einem praktisch der Arm abfiel.

Ich hatte viele leichte Starts, seit ich damit begann, die Geschichte von John Coffey zu erzahlen, aber

gestern musste ich kurbeln. Ich nehme an, das lag daran, dass ich bei Delacroix' Hinrichtung

angelangt war und ein Teil meines Verstandes das nicht noch einmal durchleben wollte. Es war ein

schlimmer Tod, ein schrecklicher Tod, der wegen Percy Wetmore so geschah, wie er geschah.

Percy, ein junger Mann, der gern sein Haar kammte, es jedoch nicht ertragen konnte, ausgelacht zu

werden, nicht einmal von einem fast kahlkopfigen kleinen Franzosen, der das nachste Weihnachtsfest

nicht erleben wurde.

Wie bei den meisten unangenehmen Aufgaben liegt der harteste Teil beim Start. Es spielt keine Rolle

fur einen Motor, ob man den Schlussel benutzt oder die Kurbel; wenn man ihn erst einmal angelassen

hat, lauft er so oder so wie am Schnurchen. So war es gestern bei mir. Zuerst kamen die Worter in

kleinen Schuben, dann in ganzen Satzen, dann in einem Sturzbach. Das Schreiben ist eine besondere

und ziemlich furchterregende Form der Erinnerung, wie ich festgestellt habe - es hat etwas Totales,

das beinahe an Vergewaltigung grenzt. Vielleicht empfinde ich das nur so, weil ich ein sehr alter Mann

geworden bin (was hinter meinem Rucken passierte, wie ich manchmal denke), aber ich bezweifle

das. Ich glaube, die Kombination von Bleistift und Erinnerung schafft eine Art praktischen Zauber, und

Zauber ist gefahrlich. Als jemand, der John Coffey kannte und sah, was er bewirken konnte - bei

Mausen und Menschen -, fuhle ich mich sehr berufen, das zu sagen.

Zauberei ist gefahrlich.

Jedenfalls schrieb ich gestern den ganzen Tag, die Worte fluteten einfach aus mir heraus, das

Solarium dieses hochgejubelten Altenheims wurde durch den Lagerraum am Ende der Green Mile

ersetzt, wo so viele meiner Problemkinder auf dem elektrischen Stuhl Platz nahmen, und durch die

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