ich kann.«
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Die Nachwirkung der Schie?erei war wie ein Zirkus aus drei Manegen; in einer Manege der Gouverneur, in einer das Gefangnis und in der dritten der arme durchgeknallte Percy Wetmore. Und der Zirkusdirektor? Nun, die verschiedenen Gentlemen der Presse losten sich bei diesem Job ab. Sie waren nicht so schlimm, wie sie das jetzt sind - sie
Unser Ausflug in Harry Terwilligers Truck zu Direktor Moores' Haus kam nie heraus. Dass wir Percy in die Zwangsjacke gesteckt und wahrend unserer Abwesenheit in die Gummizelle eingesperrt hatten, wurde nie aufgedeckt. Die Tatsache, dass William Wharton bis zu den Kiemen voller Betaubungsmittel war, als er von Percy erschossen wurde, kam ebenfalls niemals heraus. Warum auch? Die Behorden hatten keinen Grund zu der Annahme, dass in Whartons Korper irgend etwas au?er einem halben Dutzend Kugeln war. Der Coroner entfernte das Blei, der Leichenbestatter legte ihn in eine Kiefernkiste, und das war das Ende des Mannes mit der Tatowierung
Alles in allem wahrte die Aufregung ungefahr zwei Wochen. Wahrend dieser Zeit wagte ich nicht seitwarts zu furzen, geschweige denn, mir einen Tag frei zu nehmen, um Ermittlungen uber die Idee anzustellen, die mir am Morgen nach Percys Ausrasten zu Hause am Kuchentisch gekommen war. Ich wusste mit Sicherheit, dass der Zirkus die Stadt verlassen hatte, als ich an einem Tag im November zur Arbeit eintraf - es war der zwolfte, glaube ich, aber nageln Sie mich nicht fest. Das war der Tag, an dem ich das Papier, vor dem ich mich so gefurchtet hatte, auf meinem Schreibtisch fand - den Hinrichtungsbefehl fur John Coffey. Curtis Anderson hatte ihn anstelle von Hal Moores unterzeichnet aber er war naturlich ebenso legal und hatte durch Hals Hande gehen mussen, um zu mir zu gelangen. Ich konnte mir vorstellen, wie Hal an seinem Schreibtisch in der Verwaltung sa?, den Hinrichtungsbefehl in der Hand hielt und an seine Frau dachte, die fur die Arzte im Indianola General Hospital so etwas wie ein NeunTage-Wunder geworden war. Diese Arzte hatten ihr sozusagen ihren eigenen Hinrichtungsbefehl ausgehandigt, aber John Coffey hatte ihn zerrissen. Jetzt aber war Coffey an der Reihe, uber die Green Mile zu gehen, und wer von uns konnte es verhindern? Wer von uns
Das Datum auf dem Hinrichtungsbefehl war der 20. November. Drei Tage nach dem Erhalt - am funfzehnten, nehme ich an - lie? ich mich von Janice telefonisch krank melden. Eine Tasse Kaffee spater fuhr ich mit meinem schlecht anspringenden, sonst aber zuverlassigen Ford nach Norden. Janice hatte mich mit einem Kuss auf den Weg geschickt und mir viel Gluck gewunscht; ich hatte mich bedankt, aber keine klare Vorstellung mehr gehabt, was viel Gluck sein wurde - ob ich fand, was ich suchte, oder ob ich es nicht fand. Ich wusste nur mit Sicherheit, dass mir wahrend der Fahrt nicht nach Singen zumute war. Nicht an diesem Tag. Gegen drei Uhr am Nachmittag war ich ziemlich weit oben im Hugelland.
Ich traf beim Gericht des Purdom County ein, kurz bevor das Gebaude geschlossen wurde, schaute mir einige Akten an und erhielt einen Besuch vom Sheriff, der informiert worden war, dass ein Fremder die einheimischen Skelette beschnuffelte. Sheriff Catlett wollte wissen, was ich trieb. Ich sagte es ihm. Catlett dachte daruber nach und erzahlte mir dann etwas Interessantes. Er erklarte, er wurde leugnen, auch nur ein Wort gesagt zu haben, wenn ich es verbreiten wurde, und es war ohnehin nicht schlussig, aber es war immerhin etwas. Ich dachte auf dem ganzen Heimweg daruber nach und auch die meiste Zeit der Nacht. In dieser Nacht gab es auf meiner Seite des Bettes eine Menge Gedanken und ziemlich wenig Schlaf, das kann ich Ihnen sagen. Am nachsten Tag stand ich auf, als die Sonne erst ein Gerucht im Osten war, und fuhr hinab ins Trapingus County. Ich ging Homer Cribus, diesem gro?en Sack aus Bauch und Wasser, aus dem Weg und sprach statt dessen mit Deputy Sheriff Rob McGee. McGee wollte nicht horen, was ich ihm sagte. Er straubte sich au?erst heftig dagegen. An einer Stelle war ich ziemlich uberzeugt, dass er mir den Mund polieren wurde, damit er es nicht horen musste, aber am Ende stimmte er zu, hinauszufahren und Klaus Detterick ein paar Fragen zu stellen. Ich nehme an, das tat er hauptsachlich, damit er sicher sein konnte, dass nicht ich die Fragen stellte. »Er ist erst neununddrei?ig, aber er sieht jetzt wie ein alter Mann aus«, sagte McGee, »und er braucht sich von keinem klugschei?erischen Gefangnisaufseher, der sich fur einen Detektiv halt, aufregen zu lassen, jetzt, da sich sein Kummer gerade ein wenig gelegt hat. Sie bleiben hier in der Stadt. Ich will Sie nicht in Rufweite der Detterick-Farm haben, aber ich will Sie finden konnen, wenn ich mit Klaus geredet habe. Wenn Sie sich langweilen, konnen Sie dort unten in der Imbissstube ein Stuck Kuchen essen, das wird Sie beruhigen.« Ich a? zwei Stucke Kuchen, und er machte mich tatsachlich trage. Als McGee in die Imbissstube kam und sich neben mich an die Theke setzte, versuchte ich in seinem Gesicht zu lesen, doch es gelang mir nicht »Nun?« fragte ich.
»Kommen Sie mit mir nach Hause, wir reden dort«, sagte er. »Hier ist es fur meinen Geschmack zu offentlich.«
Wir fuhrten unser Gesprach auf Rob McGees Veranda. Wir waren beide warm angezogen und froren trotzdem, doch Mrs. McGee duldete nicht, dass in ihrem Haus geraucht wurde. Sie war eine Frau, die ihrer Zeit voraus war. McGee sprach eine Weile. Er tat es wie ein Mann, den es kein bisschen erfreute, was er aus seinem eigenen Mund horte.
»Es beweist nichts, das ist Ihnen klar, nicht wahr?« fragte er, als er fertig war. Sein Tonfall war streitlustig, und er stie? seine selbstgedrehte Zigarette aggressiv in meine Richtung, wahrend er sprach, aber sein Gesicht wirkte wie das eines Kranken. Nicht alles ist ein Beweis, was man in einem Gerichtssaal sieht und hort, das wussten wir beide. Ich kann mir vorstellen, dass Deputy McGee zum einzigen Mal in seinem Leben wunschte, so blode wie sein Boss zu sein. »Ich wei?«, sagte ich.
»Und wenn Sie denken, Sie bekommen auf Grund dieser einen Sache einen neuen Prozess fur ihn, dann sollten Sie besser noch mal daruber nachdenken, Senior. John Coffey ist ein Neger, und im Trapingus County sind wir nicht scharf darauf, Negern neue Prozesse zu geben.« »Das wei? ich auch.« »Was werden Sie also machen?«
Ich schnippte meine Zigarettenkippe uber das Verandagelander auf die Stra?e. Es wurde eine lange, kalte Heimfahrt werden, und je fruher ich losfuhr, desto eher wurde der Ausflug zu Ende sein. »Ich wunsche, ich wusste das, Deputy McGee«, sagte ich, »aber ich habe keine Ahnung. Ich wei? heute Abend nur, dass es ein Fehler war, dieses zweite Stuck Kuchen zu essen.« »Ich will Ihnen was sagen, Sie Schlauberger«, sagte McGee und sprach immer noch in aggressivem Tonfall. »Sie hatten die Buchse der Pandora gar nicht erst offnen sollen.« »Ich war es nicht, der sie geoffnet hat«, erwiderte ich, und dann fuhr ich heim. Ich traf spat zu Hause ein - nach Mitternacht -, aber meine Frau wartete auf mich. Ich hatte damit gerechnet; dennoch tat es meinem Herzen gut, sie zu sehen, sie in die Arme zu nehmen und fest an mich zu drucken. »Hallo, Fremder«, sagte sie, und dann beruhrte sie mich unten. »Wieder alles in Ordnung mit diesem Burschen, nicht wahr? So gesund, wie er nur sein kann.« »Jawohl, Ma'am«, sagte ich und hob sie auf meine Arme. Ich brachte sie ins Schlafzimmer, und wir hatten Sex so su? wie Zucker oder wie Honig aus der Wabe, und als ich zum Hohepunkt kam, zu diesem kostlichen Gefuhl, sich gehenzulassen, dachte ich an John Coffeys scheinbar endlos weinende Augen. Und an Melindas Worte -
Ich lag immer noch auf meiner Frau, ihre Arme um meinen Nacken geschlungen, unsere Schenkel dicht zusammengepresst und ich begann zu weinen.
»Paul«, sagte sie schockiert und besorgt Ich bezweifle, dass sie mich mehr als zwei- oder dreimal in unserer ganzen Ehe weinen gesehen hatte. Ich war beim normalen Verlauf der Dinge nie weinerlich gewesen. »Paul, was ist los?«