noch bedrohlicher. Sie mu?ten sich gegen die Raubthiere, gegen Tiger, Pumas und Jaguare vertheidigen. Einige wurden mittelst der Hammerle?gewehre erlegt, wahrend die Masse, ahnlich den beweglichen Trottoiren in manchen Gro?stadten Nordamerikas, sich dem Orinoco weiter naherte. Jacques Helloch und Germain Paterne verfugten nur noch uber sehr wenige Patronen, als sie die ersten Hauser von la Urbana hinter der die Ortschaft schutzenden Flammenwand erblickten, wo sie unter den uns bekannten Umstanden ankamen. Das war das Ende des Studienausflugs der beiden Franzosen gewesen. Die zwei jungen Manner waren aber heil und gesund, und da auch la Urbana der Gefahr, von der lebendigen Lawine zerstort zu werden, entronnen war, hatte sich ja schlie?lich alles zum Besten gewendet.
So lautete der Bericht, den Jacques Helloch erstattete. An seiner ferneren Reiseroute gedachte er nichts zu andern. Germain Paterne sollte sich mit ihm wieder einschiffen, um die Untersuchung des Stromes bis San- Fernando de Atabapo fortzusetzen.
»Bis nach San-Fernando? sagte der Sergeant Martial, der schon die Augenbrauen runzelte.
- Doch nicht weiterhin, antwortete Jacques Helloch.
- Nicht weiter?«
Aus dem Munde des Sergeanten Martial bedeutete dieses »Nicht weiter?« jedenfalls weniger einen Ausdruck der Befriedigung, als das Gegentheil.
Offenbar wurde der interimistische Onkel Jean von Kermor's immer unumganglicher.
Letzterer mu?te nun auch seine eigne Geschichte erzahlen, und es wird nicht wundernehmen, da? Jacques Helloch sich sehr bald und lebhaft fur den siebzehnjahrigen Jungling interessierte, der vor den Gefahren einer solchen Reise nicht zuruckschreckte.
Sein Begleiter und er hatten den Oberst zwar nicht personlich gekannt, in der Bretagne aber von seinem Verschwinden sprechen horen, und jetzt mu?te sie der Zufall auf den Weg des blutjungen Mannes fuhren, der zur Aufsuchung seines Vaters ausgezogen war. Germain Paterne bewahrte noch einige verbla?te Erinnerungen an die Familie von Kermor und bemuhte sich jetzt, diese aufzufrischen.
»Herr von Kermor, sagte Jacques Helloch, als jener seine Mittheilungen beendet hatte, wir sind hocherfreut uber den Zufall, der dieses Zusammentreffen auf dem namlichen Wege herbeifuhrte, und da es unsre Absicht war, nach San-Fernando zu gehen, so werden wir ja zusammen reisen. Dort durften Sie, wie ich hoffe, weiteren Aufschlu? uber den Verbleib des Oberst von Kermor erhalten, und wenn wir Ihnen irgendwie von Nutzen sein konnen, durfen Sie auf uns rechnen.«
Der junge Mann dankte seinen Landsleuten, der Sergeant Martial aber brummte grimmig vor sich hin:
»Erst die drei Geographen, und nun auch noch die beiden Franzosen! Alle Schockschwerenoth, das sind zu viele, viel zu viele, die uns beistehen wollen. Achtung, Feldwache!. Scharf aufgepa?t!«
Im Laufe des Nachmittags wurden die Reisevorbereitungen beendigt, d. h. die, die die dritte Pirogue betrafen, denn die beiden andern waren schon seit dem fruhen Morgen segelklar. Die dritte Falca hie? die »Moriche«; als Schiffer hatte sie einen Baniva, namens Parchal, und als Besatzung neun Indianer, die alles Lobes werth waren. Nach Erneuerung des Proviants hatte Jacques Helloch nur den Verlust seines Lagermaterials zu beklagen, das ihm auf dem Zuge nach der Sierra Matapey gestohlen worden war. Germain Paterne, dem es dabei ja gluckte, seine gefullte Botanisiertrommel unversehrt zu retten, hatte uberhaupt keine Ursache, sich zu beklagen.
Am folgenden Tage, am 28. August, mit Sonnenaufgang nahmen die Passagiere der drei Piroguen Abschied von dem ersten Beamten la Urbanas, von Herrn Marchal und von den Einwohnern, die sie so freundlich empfangen hatten.
Der alte Herr wollte den jungen Mann in seine Arme drucken, den er wiederzusehen hoffte, wenn er mit dem Oberst von Kermor am Hato von la Tigra voruberkame, wo sie sich gewi? nicht weigern wurden, einige Tage zu verweilen.
»Nur Muth, liebes Kind, sagte er, Jean umarmend, meine Segenswunsche begleiten Sie und Gott wird Ihre Schritte leiten!«
Die drei Falcas stie?en eine nach der andern vom Lande ab. Der sich wieder erhebende Wind begunstigte ihr Vorwartskommen, und da er noch mehr aufzufrischen versprach, konnte man wohl auf eine schnelle Fahrt rechnen. Mit gehi?ten Segeln glitten die Piroguen, nach einem letzten Abschiedsgru?e von la Urbana, langs des rechten Ufers hin, wo die Stromung nicht zu stark war.
Von la Urbana aus verlauft der Orinoco bis San-Fernando in fast gerader, nordsudlicher Linie. Die beiden Orte liegen an den zwei Hauptbiegungen des Stromes und fast unter demselben Meridian. Wenn der Wind anhielt, war also zu hoffen, da? die Reise ohne unliebsame Verzogerung verlief.
Mit ganz gleicher Geschwindigkeit schwammen die drei Falcas dahin, bald hintereinander, wie die Flu?schiffe der Loire, wenn das die geringe Breite des Fahrwassers nothig machte, bald in einer Front nebeneinander, wenn sie einen genugend weiten Wasserweg vorfanden.
Das Bett des Orinoco ist hier zwar von einem Ufer bis zum andern sehr breit, oberhalb la Urbanas aber von ausgedehnten Sandbanken unterbrochen. Zur Zeit erschienen diese in Folge des ziemlich hohen Wasserstandes wesentlich verkleinert und bildeten ebenso viele Inseln mit einem mittleren, vollig hochfluthfreien und von uppigem Grun bedeckten Theile. Zwischen diesen Inseln mu?te man also hindurchdringen und um die vier Durchlasse, die sie bilden, von denen in der trockenen Jahreszeit ubrigens nur zwei schiffbar sind, herumsegeln.
Waren die Piroguen nur durch einen Zwischenraum von wenigen Metern von einander getrennt, so unterhielten sich deren Insassen von einem Bord zum andern. Wurde Jean dann angesprochen, so mu?te er doch wohl oder ubel antworten. Meist drehte sich das Gesprach um die Reise zur Aufsuchung des Oberst von Kermor, um deren Aussichten auf Erfolg, wobei Jacques Helloch stets bestrebt war, den jungen Mann moglichst zu ermuthigen.
Zuweilen machte Germain Paterne, der seinen photographischen Apparat auf dem Vordertheil der »Moriche« aufgestellt hatte, Augenblicksaufnahmen, wenn die Uferlandschaft diese Muhe lohnte.
Die Gesprache fanden ubrigens nicht ausschlie?lich zwischen der »Moriche« und der »Gallinetta« statt, die beiden Franzosen interessierten sich auch lebhaft fur die geographische Expedition der Herren Miguel, Felipe und Varinas. Sie horten diese ja oft genug lebhaft mit einander verhandeln, wenn einer oder der andre aus irgendwelcher sich darbietenden
Erscheinung eine Unterstutzung seiner Ansicht ableiten zu konnen glaubte. Die Charakterunterschiede der drei Collegen hatten sie von Anfang an durchschaut, und, wie nicht anders zu erwarten, war es Herr Miguel, der ihnen am meisten Sympathie und Vertrauen einflo?te. Im Ganzen stand die kleine Welt zu einander auf recht gutem Fu?e, und Jacques Helloch ubersah sogar bei dem Sergeanten Martial die brummige Laune des alten Soldaten.
Bald dammerte in ihm auch ein Gedanke auf, der Herrn Miguel und dessen Freunden nicht gekommen zu sein schien und den er Germain Paterne mittheilte.
»Findest Du es nicht auffallig, da? dieser Murrkopf der Onkel des jungen von Kermor sein soll?
- Warum ware das auffallig, wenn der Oberst und er Schwager waren?
- Das ist schon richtig. und doch. sie sind nicht in gleichem Ma?e vorwarts gekommen. Der eine ist Oberst geworden, wahrend der andre Sergeant geblieben ist.
- Das hat man schon erlebt, Jacques, erlebt es noch heute und wird es auch kunftig erleben.
- Zugegeben, Germain. Wenn es ihnen ubrigens pa?t, als Onkel und Neffe aufzutreten, so geht das niemand etwas an.«
Jacques Helloch hatte allerdings Grund, die Sache etwas seltsam zu finden, und er blieb auch der Meinung, da? es sich hier nur um eine gelegentliche Verwandtschaft handelte, die zur Erleichterung der Reise improvisiert ware.
Am Morgen kam die Flottille an der Mundung des Capanaparo und bald darauf an der des Indabaro, eines Seitenarmes des ersteren, voruber.
Naturlich schossen die Hauptjager der Piroguen, Herr Miguel einer- und Jacques Helloch andrerseits, gern Wasservogel, die ihnen in den Weg kamen. Schmackhaft zubereitete Enten und Holztauben brachten dann in die gewohnlichen Speisen aus gedorrtem Fleisch und Conserven eine angenehme Abwechslung.
Einen merkwurdigen Anblick bot jetzt die rechte Stromseite mit ihrem fast lothrecht abfallenden Felsenufer, den letzten Auslaufern der Cerros von Baraguan, an deren Fu? der Strom noch eine Breite von achtzehnhundert Metern hat. Weiter oben, nach der Mundung des Mina hin, verengert er sich, und die dort recht stark werdende Stromung drohte die Fortbewegung der Falcas merkbar zu verlangsamen. Zum Gluck wehte der Wind recht frisch,