jedenfalls mit gewohnter Gutmuthigkeit zu.

Kurz, es ereignete sich auch nichts Besonderes bis zur Zeit, wo sie um zwei Uhr nach dem Deckhause der »Maripare« zuruckkehrten, als der Sergeant Martial zum Antritt seiner Wache erschienen war.

Das Gewehr an der Seite, machte sich dieser einen Platz auf dem Hintertheil der Pirogue zurecht und begann uber mancherlei nachzudenken. Niemals war er bis jetzt von so gro?er Unruhe erfullt gewesen - nicht um seiner selbst, sondern um des Kindes willen, das da im Deckhause schlummerte. Er vergegenwartigte sich noch einmal alle Einzelheiten dieser von Jean unternommenen Reise, bei der er dessen Wunsche hatte nachgeben mussen, die Abreise von Europa, die Ueberfahrt uber den Atlantischen Ocean, die verschiedenen Zufalle, die sich ereigneten, seit sie Ciudad-Bolivar verlassen hatten. Er uberdachte, wohin sie jetzt gingen und wie weit ihre Nachforschungen sie noch fuhren konnten, welche Nachrichten sie vielleicht in San-Fernando erhielten, an welchem weltfernen Orte der Oberst von Kermor sich befinden moge, um ein Leben abzuschlie?en, das so gluckverhei?end begonnen hatte und durch so schreckliche Schicksalsschlage zerstort worden war. Welchen Gefahren wurde das einzige Wesen, das ihm auf Erden noch gehorte, ausgesetzt sein? Bisher war die Sache auch gar nicht nach dem Wunsche des Sergeanten Martial gegangen, der immer erwartet hatte, da? sie auf der Reise allein bleiben und mit keinem Fremden in nahere Beruhrung kommen wurden. Jetzt waren zuerst die »Maripare« und die »Gallinetta« zusammengefahren.

Die Passagiere der ersteren waren mit seinem angeblichen Neffen in naheren Verkehr getreten, wie das ja unter Leuten, die unter denselben Verhaltnissen reisen, kaum zu umgehen ist. Zweitens, und das konnte noch ernstere Folgen und Grunde haben, die nur ihm bekannt waren, hatte ihnen das Mi?geschick auch noch die beiden Franzosen in den Weg gefuhrt. Wie hatte er da alle sich entwickelnden naheren Beziehungen zwischen Landsleuten verhindern, ihnen das lebhafte Interesse fur die von Jean verfolgte Absicht nehmen und ihre Dienste ablehnen sollen? Obendrein waren es ja Bretonen wie sie selbst. Wahrlich, der Zufall ist merkwurdig indiscret und mischt sich oft in Dinge ein, die ihn gar nichts angehen.

Da lie? sich von Osten her ein leichtes rhythmisches Gerausch vernehmen, das allmahlich deutlich horbar wurde.

Der in Gedanken versunkene Sergeant Martial bemerkte anfanglich gar nichts, ebensowenig sah er viel kleine Boote, die in der Stromung des Meta am rechten Ufer dahinglitten. Von Pagaien angetrieben, konnten sie sich auch stromaufwarts den Falcas nahern.

Von etwa zwanzig Quivas bemannt, waren die Curiares nur noch zweihundert Meter von den Piroguen entfernt, und wenn deren Passagiere im Schlafe uberfallen wurden, konnten sie niedergemacht werden, ohne uberhaupt Zeit zur Vertheidigung zu finden, da der Sergeant Martial in seiner Zerstreutheit nichts horte, nichts sah.

Plotzlich, als die Falcas und die Curiares nur noch durch einen Zwischenraum von hochstens sechzig Fu? von einander getrennt waren, krachte ein Schu?.

Gleich darauf vernahm man einen Aufschrei vom Bord des nachsten Bootes.

Jacques Helloch war es gewesen, der Feuer gegeben hatte, und sofort blitzte auch ein Schu? aus dem Gewehre Germain Paterne's.

Die beiden jungen Manner waren - es war gegen funf Uhr und der Tag begann zu grauen - wieder erwacht, als das Gerausch von Pagaien an ihr Ohr schlug. Nach dem Hintertheil der »Moriche« schlupfend, erkannten sie den ihnen drohenden Angriff und hatten ihre Gewehre auf die Curiares abgefeuert.

Auf den Knall der Schusse hin waren die Passagiere und die Mannschaften sofort aufgesprungen.

Die Herren Miguel, Felipe und Varinas sturzten mit dem Gewehre in der Hand aus dem Deckhause der »Maripare«.

Jean tauchte zur Seite des Sergeanten Martial auf, der jetzt ebenfalls auf die Boote scho? und verzweifelt rief:

»Ueber das Ungluck. das Ungluck. mich uberraschen zu lassen!«

Die Quivas blieben zunachst die Antwort nicht schuldig, und gegen zwanzig Pfeile schwirrten uber die Piroguen hin. Einige bohrten sich in das Dach der Deckhauser ein, Personen wurden aber nicht davon getroffen.

Herr Miguel und die Uebrigen gaben eine zweite Salve ab, und die ihr Ziel besser als die Pfeile erreichenden Kugeln richteten unter den Quivas nicht geringes Unheil an.

»Gehen Sie ins Haus zuruck, Jean, zuruck ins Deckhaus! rief da Jacques Helloch, der es fur zwecklos fand, da? der junge Mann sich diesem Angriffe aussetzte.

Da flog eine weitere Anzahl Pfeile heran, wovon einer den Sergeanten Martial an der Schulter verletzte.

»Gut gemacht!. Habt Eure Sache gut gemacht, rief er. ein Soldat. und wahrend seiner Wache. es geschieht mir ganz recht!«

Jetzt krachte eine dritte Salve aus Gewehren und Revolvern gegen die Curiares, die den Piroguen gegenuber vorbeiglitten.

Den Quivas, denen es nicht gelungen war, die Passagiere und die Mannschaften zu uberrumpeln, blieb nichts anders ubrig, als eilig zu entfliehen. Mehrere von ihnen waren todlich getroffen, und andre hatten wenigstens schwere Verwundungen erhalten.

Der Ueberfall war fehlgeschlagen und die Curiares verschwanden flu?abwarts auf dem Orinoco.

Elftes Capitel

Rast im Dorfe Atures

Am ersten September um sechs Uhr morgens verlie?en die Falcas diese gefahrlichen Gegenden. Passagiere und Mannschaft waren einem Gemetzel entgangen, wie bei einem solchen schon so viele andre Reisende jenen blutdurstigen Stammen zum Opfer gefallen waren.

Herr Miguel meinte, nachdem der Congre? einmal beschlossen habe, dem schrecklichen Unwesen der Quivas zu steuern, sei es auch hohe Zeit, mit ernsten Ma?regeln dagegen vorzugehen.

»Es geschieht mir ganz recht,« hatte der Sergeant Martial gerufen, als er den Pfeil, der ihm in der Schulter sa?, herauszog.

Weit mehr als die Wunde schmerzten ihn die Vorwurfe, die er sich machte, wahrend seiner Wache mehr an die Vergangenheit als, was weit nothwendiger gewesen ware, an die Gegenwart gedacht zu haben.

Zum Gluck hatte seine Nachlassigkeit niemand das Leben gekostet, nur er, der Soldat, der sich hatte uberraschen lassen, trug bei dem Scharmutzel eine Wunde davon, doch auch diese - so hofften Alle - wurde ja keine todliche sein.

Sobald die Boote der Quivas au?er Sehweite waren, erhielt der Sergeant Martial, der nun auf seinem Nachtlager im Deckhause ausgestreckt lag, von Jean die erste Hilfe. Es genugt aber nicht, der Neffe seines Onkels zu sein und sich die moglichste Muhe zu geben, um in solchem Falle wirksam eingreifen zu konnen. Dazu gehoren auch einige medicinische Kenntnisse, und die besa? der junge Mann leider nicht.

Es traf sich daher recht glucklich, da? Germain Paterne bei seinen naturwissenschaftlichen Studien sich auch etwas mit Heilkunde beschaftigt hatte, und da? sich auf der »Moriche« eine Reiseapotheke vorfand. Germain Paterne beeilte sich also, dem Sergeanten Martial die so nothige sachverstandige Hilfe zu bringen, und es wird niemand wundern, da? Jacques Helloch es sich nicht nehmen lie?, ihn dabei eifrig zu unterstutzen.

In Folge dessen zahlte die »Gallinetta« in den ersten Stunden der weiteren Fahrt zwei Passagiere mehr als vorher, und diese beobachteten mit aufrichtiger Ruhrung, wie liebevoll Jean von Kermor den alten Soldaten pflegte.

Bei genauerer Untersuchung der Wunde erkannte Jean Paterne, da? die Pfeilspitze drei Centimeter tief, doch so schrag in die Schulter eingedrungen war, da? sie keinen Muskel und keinen gro?eren Nerven getroffen und nur die Haut und das Unterhautzellgewebe verletzt hatte. Allem Anscheine nach war also nicht zu furchten, da? die Wunde ernsthaftere Folgen haben konne, vorausgesetzt freilich, da? der Pfeil nicht vergiftet war.

Die Indianer des Orinoco benetzen die Spitze ihrer Pfeile aber sehr haufig mit dem unter dem Namen Curare bekannten Safte. Dieser besteht aus einer Mischung des Saftes der Mavacare, einer Liane aus der Familie der Strychnosarten, mit einigen Tropfen Schlangengift. Die schwarzliche, wie eingedickter Su?holzsaft glanzende

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