bereit.
Der eine von ihnen sagte nur beilaufig:
»Das nennt man: im Hafen scheitern!«
An Bord der »Gallinetta« bemuhte sich der Sergeant Martial, nach Kraften ruhig und gefa?t zu bleiben. Ware er allein gewesen und hatte er nur fur sich selbst zu furchten gehabt, so wurde er wohl bald die Resignation des alten Soldaten gefunden haben, der ganz andern Gefahren ins Auge geblickt hat. Doch Jean. den Sohn seines Obersten. das Kind, das er bei dieser abenteuerlichen Reise zu begleiten und zu schutzen ubernommen hatte, wie konnte er es retten, wenn die Pirogue entfernt vom Ufer unterging?
Der Sergeant Martial konnte nicht schwimmen, doch wenn er es auch gekonnt hatte, was hatte er in den aufgeregten Fluthen, deren Wogen blitzgeschwind dahintrieben, auszurichten vermocht? Immerhin wurde er sich im Nothfalle hineinsturzen, und wenn es ihm nicht gelang, Jean zu retten, so wollte er wenigstens mit ihm sterben.
Der junge Mann hatte ubrigens seinen Gleichmuth bewahrt, wahrend der Sergeant Martial ihn mehr und mehr zu verlieren schien. Aus dem Deckhause heraustretend, klammerte er sich fest an einen Balken auf dem Hintertheile des Fahrzeugs an. Er sah wohl die Gefahr, wendete die Augen aber nicht davon ab, und seine Lippen murmelten den Namen seines Vaters.
Einer wachte jedoch uber ihn, ohne da? er es bemerkte, wahrend die steuerlosen Piroguen nach der gleichen Seite dahintrieben und bald dicht nebeneinander, bald, durch eine uberbrechende Woge getrennt, schaukelnd umhergeworfen wurden. Jacques Helloch verlor ihn nicht aus dem Auge, und wenn die Falcas dicht und nahe daran, eine die andre zu zerstoren, aneinander dahinliefen, dachte er nur daran, ihm Muth zuzusprechen. Der junge Mann, der auch vor der drohenden Todesgefahr nicht erzitterte, bedurfte dessen freilich nicht.
»Noch zwei Minuten, und wir sind am Strande, sagte Germain Paterne, der auf dem Vordertheile der »Moriche« stand.
- Aufgepa?t, rief Jacques Helloch, jeder sei bereit, den andern zu retten!«
In Folge der Krummung, die der Strom da beschreibt, wo er sich mit der Mundung des Guaviare verbindet, war das linke Ufer des Orinoco jetzt nur noch zweihundert Meter weit entfernt. Durch die vom Regen und Hagel gebildeten Streifen sah man es, von den Dunstmassen, die seine Klippen umwogten, ganz wei? vor sich liegen. In wenigen Augenblicken mu?te es erreicht sein, denn die Gewalt des Chubasco nahm noch immer weiter zu, und die von der Seite gepackten Piroguen tauchten zwischen den Wogenfurchen, immer Wasser ubernehmend, auf und nieder.
Da erfolgte ein heftiger Sto?.
Die »Moriche« hatte die »Gallinetta« angerannt.
Der Sto? war so stark und die »Gallinetta« neigte sich dadurch so weit uber, da? das Wasser uber das Schandeck hereinfluthete.
Dennoch kenterte sie nicht.
Ein entsetzlicher Schrei ubertonte aber das betaubende Geheul des Sturmes.
Der Sergeant Martial war es, der ihn ausgesto?en hatte.
Im Augenblicke der Collision war Jean in die gurgelnde Fluth gesturzt.
»Mein Kind!. Mein Kind!« wiederholte der alte Soldat, der den Kopf ganz verloren hatte und dessen Glieder jetzt gelahmt schienen.
Dennoch versuchte er, in den Strom nachzuspringen, und was hatte er da zu thun vermocht?
Jacques Helloch packte ihn mit kraftigem Arme und drangte ihn nach der Mitte der Pirogue zuruck.
Wenn Jacques Helloch jetzt unmittelbar bei der Hand war, kam das daher, da? er kurz vorher nach der »Gallinetta« hinubersprang, um dem jungen Manne naher und sofort zu etwaiger Hilfeleistung bereit zu sein.
Und im Augenblicke, wo Jean verschwand, hatte er den Sergeanten Martial einen Namen. freilich einen andern und nicht den Namen Jean rufen gehort.
»Ueberlassen Sie Alles mir! sagte er zu dem alten Soldaten.
- Sie werden mich nicht abhalten wollen. entgegnete dieser.
- O, Sie konnen nicht schwimmen. Sie kamen nur Beide ums Leben. Ich. ich werde Ihr Kind schon retten!«
Ohne eine weitere Erwiderung abzuwarten, war Jacques Helloch kopfuber ins Wasser gesprungen.
Der ganze Auftritt hatte nur wenige Secunden gewahrt.
Mit funf bis sechs Armbewegungen gelang es Jacques Helloch, sich zu Jean hinzuarbeiten, der nach mehrfachem
Wiederauftauchen jetzt dem Versinken nahe war. Er fa?te ihn mitten um den Leib, stutzte seinen Kopf, um diesen uber Wasser zu halten, und lie? sich nach dem Ufer hintreiben.
»Muth, nur Muth!« raunte er ihm wiederholt zu.
Jean, der mit geschlossenen Augen und halb bewu?tlos in seinen Armen lag, konnte ihn nicht horen, nicht verstehen.
Die Piroguen waren kaum um zwanzig Meter zuruck. Wahrend Valdez den ganz verzweifelten Sergeanten Martial zuruckhielt, konnte man sehen, wie Jacques Helloch den jungen Mann fest hielt. Die Oberwasserstromung trug Beide nach dem Ufer hin.
Auch die Falcas erreichten es endlich und wurden durch einen glucklichen, Zufall, statt gegen die Klippen geschleudert zu werden, durch eine Grundwelle hoch emporgehoben und auf eine sandige Strandstelle getragen, wo sie ohne ernstere Beschadigung liegen blieben.
Im namlichen Augenblick erhob sich Jacques Helloch aus dem Wasser und kam auf die Fu?e zu stehen.
Jean, der das Bewu?tsein jetzt ganz verloren hatte, hing in seinen Armen. Nachdem er ihn mit leicht erhobenem Kopfe neben einen Felsblock niedergelegt hatte, versuchte er, ihn wieder zum Bewu?tsein zu bringen.
Bei dem tollen Sturme hatte niemand das Leben eingebu?t, weder als die Piroguen wiederholt gegeneinanderstie?en, noch als sie am Ufer strandeten.
Herr Miguel und seine Genossen, die sofort aus der »Maripare« sprangen, eilten auf den neben dem jungen Manne knieenden Jacques Helloch zu.
Heil und gesund kam auch Germain Paterne herbei, wahrend die Mannschaften die Fahrzeuge bis uber die Linie der Brandung hinauszogen.
Der Sergeant Martial erschien gerade zur Zeit, wo Jean die Augen aufschlug und den Blick auf seinen Lebensretter richtete.
»Mein Kind. mein Kind! rief er schluchzend.
- Martial. mein guter Martial!« flusterte Jean.
Dann schlossen sich seine Augen wieder, nachdem er noch mit einem Blicke dem gedankt, der um seinetwillen drohender Todesgefahr getrotzt hatte.
Funfhundert Schritt weit zur Linken erhoben sich die ersten Hauser von San-Fernando, wohin man sich nun ohne Saumen begeben mu?te.
Jacques Helloch wollte den jungen Mann wieder aufheben und stutzen da erhob aber der Sergeant Martial Einspruch mit den Worten:
»Wenn ich auch nicht schwimmen kann, mein Herr, so kann ich doch gehen, und an Kraft, mein Kind zu tragen, wird mir's auch nicht fehlen!«
Das war der ganze Dank, den er dem muthigen jungen Manne zollte.
Jean in den Armen haltend und begleitet von Herrn Miguel nebst seinen zwei Collegen, von Jacques Helloch und Germain Paterne, schritt der Sergeant Martial dann auf dem Uferpfade hin, der nach der nahen Ortschaft fuhrte.
Funfzehntes Capitel