dennoch brachte er ihn nur sehr trocknen Tones hervor und musterte dabei Jaques Helloch mit recht verdachtigem Blicke.

Dieser antwortete nur mit einem Neigen des Kopfes und blieb einige Schritte zuruck.

In dieser Weise erreichten die »Schiffbruchigen« die Ortschaft, wo der Sergeant Martial, dem Herr Miguel den Weg angab, zwei Zimmer erhalten konnte, in deren einem Jean jedenfalls besser als unter dem Deckhause der »Gallinetta« aufgehoben war.

Germain Paterne kam, ohne da? sein Gefahrte sich ihm angeschlossen hatte, im Laufe des Abends mehreremale, um sich nach dem Befinden des jungen Mannes zu erkundigen. Als Antwort wurde ihm versichert, da? Alles zum besten gehe und man seiner Dienste, fur die er einen kargen Dank erhielt, jetzt entrathen konne.

Das Erste verhielt sich auch so; der junge von Kermor schlummerte friedlich, und sobald die Pirogue im Hafen angelegt hatte, brachte Valdez einen Reisesack mit Kleidungsstucken, die der Sergeant Martial fur den nachsten Morgen bereit legte.

Und als da Germain Paterne in seiner Doppeleigenschaft als Arzt und Freund wieder vorsprach, wurde ihm, trotz alles Murmelns des Onkels, von Jean der freudigste Empfang nur als Freund zutheil. Der junge Mann spurte nichts mehr von dem Unfalle am Tage vorher und dankte ihm herzlichst fur seine dienstwillige Hilfe.

»Ich hatte Ihnen ja gesagt, da? die ganze Sache keine Bedeutung hatte, lie? sich da der Sergeant Martial vernehmen.

- Damit haben Sie wohl recht gehabt, Sergeant; sie hatte aber auch eine sehr ernste Wendung nehmen konnen, und ohne meinen Freund Jacques.

- Ja, ihm, dem Herrn Helloch verdanke ich's ja, heute noch zu leben, fiel Jean ein, und wenn ich ihn wiedersehe, wei? ich gar nicht, wie ich ihm.

- O, er hat nur seine Pflicht gethan, schnitt ihm Germain Paterne das Wort ab, und selbst wenn Sie nicht unser Landsmann gewesen waren.

- Na ja, es ist schon gut, brummte der Sergeant Martial, und wenn wir Herrn Helloch treffen.«

Sie trafen ihn inde? nicht, wenigstens nicht an diesem Vormittag, ob er sich nun absichtlich beiseite hielt, oder es ihm nur widerstrebte, einen Dank fur das, was er gethan hatte, entgegenzunehmen. Nur Eines ist gewi?, da? er namlich sehr nachdenklich und schweigsam an Bord der »Moriche« zuruckblieb, so da? Germain Paterne, nachdem er ihm von dem Befinden des jungen Mannes Mittheilung gemacht hatte, ihm kaum vier Worte zu entlocken vermochte.

Jacques Helloch und Jean sahen sich jedoch am Nachmittage wieder Etwas verlegen - der Sergeant Martial bi? sich dabei grimmig in den Schnurrbart - ergriff er die ihm entgegengestreckte Hand, druckte sie aber nicht so warm wie gewohnlich.

Dieses Zusammentreffen fand bei Herrn Mirabal statt. Jacques Helloch befand sich hier mit dem Empfehlungsschreiben, das an den alten Herrn gerichtet war. Der Sergeant Martial und Jean hatten auch den Gedanken gehabt, sich an ihn zu wenden, um vielleicht etwas Naheres uber den Oberst von Kermor zu erfahren.

Herr Mirabal verhehlte den Franzosen, die an ihn gewiesen waren oder sich aus eigenem Antrieb an ihn gewendet hatten, in keiner Weise seine Befriedigung, sie zu empfangen. Er erklarte, ganz zu ihrer Verfugung zu stehen und nichts unversucht lassen zu wollen, was ihnen von Vortheil sein konnte. Die Theilnahme, die er fur die Reisenden, deren Sprache er beherrschte, sofort empfand, verrieth sich deutlich in seiner Haltung, in seinen Vorschlagen und in dem Eifer, womit er sie uber alle hiesigen Verhaltnisse unterrichtete. Den Doctor Crevaux hatte er gesehen, als er durch San-Fernando kam; er erinnerte sich auch des Herrn Chaffanjon, dem einige Dienste zu leisten er sich so glucklich gefuhlt hatte. er werde - so versicherte er - nicht weniger fur Jacques Helloch und Germain, fur den Sergeant Martial und dessen Neffen thun, die auf ihn unter allen Umstanden rechnen durften.

Der junge Mann erklarte ihm hierauf, aus welchem Grunde er nach Venezuela gekommen sei, und das konnte die Theilnahme, die Herr Mirabal fur ihn hegte, naturlich nur noch steigern.

Nun erhob sich zuerst die Frage, ob der bejahrte Herr sich entsinnen konne, da? der Oberst von Kermor vor dreizehn Jahren einmal in San-Fernando verweilt habe.

Die Antwort fiel fur den jungen Mann nicht gerade befriedigend aus. Auch nach langerem Nachdenken erinnerte sich Herr Mirabal nicht, da? sich hier ein Oberst dieses Namens aufgehalten hatte.

Jeans Gesicht bekam einen kummervollen Ausdruck, und seinen Augen entquollen einige Thranen.

»Sind Sie, Herr Mirabal, fragte Jacques Helloch, hier schon lange Zeit ansassig?

- Ueber vierzig Jahre, antwortete der alte Herr, und ich habe San-Fernando auch nur selten, und dann nur auf kurze Zeit verlassen. Hatte sich ein Reisender, wie der Oberst von Kermor, hier einige Tage aufgehalten, so hatte ich ihn gewi? gesehen und ware mit ihm in Beziehung getreten. Unser Ort ist nicht so gro? und nicht so volkreich, da? ein Fremder nicht von Allen bemerkt worden ware und ich nicht von ihm gehort hatte.

- Ja. wenn er aber sein Incognito zu bewahren suchte?

- Darauf fehlt mir die Antwort, erklarte Herr Mirabal; sollte er dazu Veranlassung gehabt haben?.

- Herr Mirabal, sagte Jean, mein Vater hat Frankreich vor dreizehn Jahren verlassen, und seine Freunde haben von seiner Abreise erst weit spater Kunde bekommen. Selbst mein Onkel, der Sergeant Martial, war damals nicht uber das Vorhaben seines Oberst unterrichtet.

- Nein, gewi? nicht! rief der alte Soldat. Ich wurde ihn schon davon zuruckgehalten haben!

- Doch Sie, mein liebes Kind? fragte Herr Mirabal.

- Ich befand mich zu jener Zeit nicht im Hause meines Vaters, antwortete Jean, sichtlich etwas zogernd. Meine Mutter und ich, wir verweilten einige Zeit in den Colonien, und bei der Ruckfahrt nach Frankreich kam meine Mutter durch einen Schiffbruch ums Leben. Ich wurde damals gerettet, und als ich, wieder viele Jahre spater, nach der Bretagne heimkam, hatte mein Vater Nantes schon verlassen - seit dieser Zeit wissen wir nichts mehr von ihm.«

Offenbar lag in dem Leben dieses jungen Mannes ein Geheimni? verborgen, wie das Jacques Helloch schon geahnt hatte. Da es ihm aber nicht zukam, es zu entschleiern, bewahrte er nach dieser Seite stets die strengste Zuruckhaltung. Jedenfalls unterlag es keinem Zweifel, da? der Oberst von Kermor die Heimat bereits verlassen hatte, als sein Sohn daselbst eintraf, und da? der Sergeant Martial - mochte dieser nun mit ihm verwandt sein oder nicht - unbedingt nicht wu?te, wohin er gegangen war.

»Und doch haben Sie, liebes Kind, fuhr Herr Mirabal fort, stichhaltige Grunde, zu glauben, da? Ihr Vater nach San-Fernando gekommen ware?

- Nicht allein stichhaltige, Herr Mirabal, sondern ganz beweiskraftige Grunde.

- Und die waren?.

- Ein von meinem Vater geschriebener und unterzeichneter Brief, der aus San-Fernando eintraf, ist im Laufe des Jahres 1879 einem seiner Freunde zugegangen.

- Das ist allerdings ein Beweis fur. ja, wenn nicht etwa. erwiderte Herr Mirabal in abgebrochenen Satzen. Es giebt in Venezuela namlich noch eine andre Ortschaft dieses Namens, an der Ostseite des Orinoco. San- Fernando des Apures.

- Nein, nein, der Brief kam aus San-Fernando de Atabapo, und der Poststempel tragt das Datum des 5. Juni 1879.

- Warum, liebes Kind, haben Sie sich aber nicht damals gleich zu Nachsuchungen entschlossen?

- Weil wir Beide, mein Onkel und ich, von diesem Briefe erst vor drei Monaten Kenntni? erhielten. Der Freund, an den er gerichtet war, durfte niemand davon Mittheilung machen, und erst nach dessen Ableben hat seine Familie ihn uns zugestellt. Ach, ware ich nicht in weiter Ferne gewesen, als mein Vater das Heimatland verlie?. er ware gewi? nicht fortgegangen!«

Tief bewegt zog Herr Mirabal Jean an sich und umarmte ihn zartlich. Er fragte sich, was er wohl thun konnte, um ihm zu helfen. Eine Thatsache uberwog ja Alles, die, wonach ein vom Oberst von Kermor geschriebener und vom 5. Juni 1879 datierter Brief aus San-Fernando de Atabapo abgegangen war.

»Und doch, au?erte Herr Mirabal, versagt hier meine Erinnerung. nein. ich wei? von nichts, obwohl ich jener Zeit sicherlich in San-Fernando gewesen bin.

- Es ist aber doch kaum glaublich, rief der junge Mann, da? mein Vater hier durchgereist, ja sich sogar, wenigstens kurze Zeit, hier aufgehalten hatte, ohne da? davon irgend etwas nachzuweisen ware!«

Dazu entrang sich ihm ein schwerer Seufzer, als ob ihm die so bestimmte und niederschmetternde Aussage

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