- Kurz, da jener Fremde sich nach dem obern Orinoco begeben hat, erklarte Jean, werde ich ebenfalls dahin gehen!

- Jean. Jean! rief der Sergeant Martial, indem er auf den jungen Mann zueilte.

- Ich werde dahin gehen!« wiederholte Jean in einem Tone, der seinen unerschutterlichen Entschlu? erkennen lie?.

Dann wandte er sich wieder an den Herrn des Hauses.

»Giebt es wohl am obern Orinoco Flecken oder Dorfer, wohin ich mich begeben konnte, um noch weitere Aufklarung zu erlangen, Herr Mirabal?

- Dorfer. ja. mehrere; zum Beispiel Guachapana, la Esmeralda und noch andre. Wenn es aber moglich ist, die Spuren Ihres Vaters wieder zu entdecken, liebes Kind, so wird das jenseits der Quellen, in der Mission von Santa-Juana der Fall sein.

- Wir haben von dieser Mission schon reden horen, sagte Jacques Helloch. Ist sie erst neueren Ursprungs?

- Sie wurde schon vor mehreren Jahren gegrundet, antwortete Herr Mirabal, und erfreut sich, soviel ich wei?, glucklichen Gedeihens.

- Eine spanische Mission?.

- Ja, sie wird von einem spanischen Missionar, dem Pater Esperante, geleitet.

- Sobald unsre nothigen Vorbereitungen zur Weiterreise beendet sind, erklarte Jean, brechen wir nach Santa-Juana auf.

- Mein liebes Kind, sagte der alte Herr, ich darf Sie nicht in Unwissenheit daruber lassen, da? die Gefahren am obern Orinoco sehr gro? sind. Abgesehen von Anstrengungen und Entbehrungen, laufen Sie auch Gefahr, Indianerhorden in die

Hand zu fallen, die wegen ihrer Grausamkeit sehr beruchtigt sind, in die der wilden Quivas, welche jetzt von einem aus Cayenne entwichenen Strafling angefuhrt werden.

- Gefahren, denen mein Vater ins Auge gesehen hat, erwiderte Jean, werde ich auch nicht scheuen, um ihn wiederzufinden!«

Die Unterredung endigte mit dieser Antwort des jungen Mannes. Herr Mirabal sah ein, da? ihn nichts zuruckhalten werde. Er wurde auf jeden Fall, wie er sich ausgedruckt hatte, »bis ans Ende« gehen.

Voller Verzweiflung folgte der Sergeant Martial Jean nach, der sich nach der »Gallinetta« begab, um verschiedene Kleidungsstucke zu holen.

Als Jacques Helloch mit Herrn Mirabal allein war, konnte dieser ihm nur noch einmal wiederholen, welch gro?en Gefahren der Sohn des Oberst von Kermor, der nur den alten Soldaten zum Fuhrer hatte, sich aussetzte.

»Wenn Sie einigen Einflu? auf ihn haben, Herr Helloch, fugte er hinzu, so suchen Sie ihn von diesem, auf so unsichern Voraussetzungen aufgebauten Plane abzubringen. Verhindern Sie seine Weiterreise.

- Zuruckhalten wird ihn doch nichts, Herr Mirabal; dazu kenne ich ihn zu gut!«

Jacques Helloch kehrte an Bord der »Moriche« zuruck. Er war jetzt sorgenvoller als je und antwortete auf die Worte, die sein Gefahrte an ihn richtete, uberhaupt gar nicht mehr.

Auf dem Hintertheile seiner Pirogue sitzend, beobachtete Jacques Helloch den Schiffer Valdez und zwei seiner Leute, wie diese die »Gallinetta« offenbar fur eine weite Reise in Stand setzten. Dazu mu?te sie vollstandig entladen werden, um ihren Boden genau zu besichtigen und sie durchweg frisch zu kalfatern, was die oft so schwierige letzte Fahrt und die

Strandung am Ufer von San-Fernando unbedingt nothig machten.

Jacques Helloch beobachtete dabei auch Jean, der diese Arbeiten uberwachte. Vielleicht erwartete der junge Mann, da? Jacques Helloch ihn ansprechen, ihn wegen der Kuhnheit seiner Plane verwarnen oder abhalten sollte, sie auszufuhren.

Dieser blieb jedoch stumm und regungslos auf seinem Platze. In Nachdenken versanken, schien er von einer fixen Idee besessen zu sein, einer jener Ideen, die sich tief ins Gehirn eingraben. es verzehren.

Der Abend kam heran.

Gegen acht Uhr erhob sich Jean, um nach dem Gasthause zuruckzukehren und der Ruhe zu pflegen.

»Guten Abend, Herr Helloch! rief er zu diesem hinuber.

- Guten Abend, Jean!« antwortete Jacques Helloch, sich erhebend, als beabsichtige er, dem jungen Manne zu folgen.

Jean schritt inde?, ohne jemals nur den Kopf zu wenden, dahin und verschwand in hundert Schritt Entfernung zwischen den Strohhutten.

Der Sergeant Martial war noch am Ufer etwas zuruckgeblieben, stark erregt durch den Gedanken an einen Schritt, den zu thun er sich jetzt entschlossen hatte. So kehrte er noch einmal nach der »Moriche« um.

»Herr Helloch, begann er zogernd, ich hatte einige Worte mit Ihnen zu sprechen.«

Jacques Helloch verlie? sofort die Pirogue und trat auf den alten Soldaten zu.

»Was steht Ihnen zu Diensten, Sergeant? fragte er.

- Ich mochte Sie um eine Gefalligkeit bitten. darum, da? Sie meinen Neffen, der auf Ihre Worte, gerade auf Ihre, vielleicht am ersten hort, dazu bewegen, da? er die geplante Weiterreise aufgiebt.«

Jacques Helloch sah dem Sergeant Martial gerade ins Gesicht. Nach einigem Zogern antwortete er endlich:

»Ich werde ihn nicht zu uberreden suchen, denn das ware unnutz, das wissen auch Sie recht gut, dagegen bin ich, vorausgesetzt, da? es Ihnen pa?t, zu einem Entschlusse gekommen.

- Zu welchem denn?

- Nun, zu dem, Jean auch ferner zu begleiten.

- Sie. Sie wollen ihn begleiten. meinen Neffen?.

- Der gar nicht Ihr Neffe ist, Sergeant!

- Ihn, den Sohn des Oberst.

- Der gar nicht sein Sohn ist. sondern seine Tochter. die einzige Tochter des Oberst von Kermor!«

Band 2 

 

Erstes Capitel

Etwas aus fruherer Zeit

Am Morgen des 2. October gegen acht Uhr glitten die Piroguen »Gallinetta« und »Moriche« erst den die rechte Seite der Halbinsel des Atabapo begleitenden Flu?arm hinunter und dann bei gunstigem Nordwestwinde den Oberlauf des Orinoco hinauf Nach dem Gesprach zwischen dem Sergeanten Martial und Jacques Helloch am Abend vorher konnte der Erstere dem Zweiten nicht langer die Erlaubni?, sie - »seinen Neffen und ihn« - bis zur Mission von Santa-Juana zu begleiten, verweigern. Jetzt war das Geheimni? Jeanne von Kermor's dem, der sie gerettet hatte, bekannt, und jedenfalls wurde es -daran war kein Zweifel - auch Germain Paterne bald nicht mehr unbekannt sein. Offenbar mu?te es schwierig werden, diese Mittheilung zu unterdrucken, ja es erschien sogar bei den Umstanden, unter denen der zweite Theil der Reise vor sich gehen sollte, vortheilhafter, den Schleier zu luften. Das bisher so sorgsam behutete Geheimni? wurden die beiden jungen Manner den Herren Miguel, Felipe, Varinas und Mirabal gewi? ebenso wie dem Gouverneur der Provinz gegenuber zu bewahren wissen. Waren ihre Nachforschungen von Erfolg gekront, so blieb dem Oberst von Kermor die Freude vorbehalten, jenen seine Tochter vorzustellen.

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