des Herrn Mirabal die letzte Hoffnung geraubt hatte.

»Verzweifeln Sie nur nicht, Jean - er sagte diesmal nicht »mein lieber Jean« - erwiderte Jacques Helloch, der seine Erregung ubrigens kaum selbst bemeistern konnte. Jedenfalls ist der Oberst von Kermor in San- Fernando gewesen, ohne da? Herr Mirabal davon Kenntni? erhielt.«

Der Herr des Hauses erhob den Kopf.

»Andre Personen haben ihn vielleicht kennen gelernt, fuhr Jacques Helloch fort. Wir werden danach Umschau und Nachfrage halten. Drum noch einmal, Jean, nicht gleich auf jeden Erfolg verzichten!«

Der Sergeant Martial sah den jungen Mann nur an, verhielt sich aber schweigend. Er schien diesem immer wieder zu sagen, was er schon seit der Abreise oft genug wiederholt hatte: »Du wirst sehen, mein armes Kind, da? wir eine ganz nutzlose Fahrt unternehmen!«

»Da es ja nicht ausgeschlossen ist, nahm Herr Mirabal wieder das Wort, da? ich von der Anwesenheit des Oberst von Kermor nichts erfahren hatte, werde ich Nachforschungen anstellen, mich bei hiesigen Einwohnern erkundigen. Auch ich mochte Sie bitten, nicht vorschnell zu verzweifeln. Da? Ihr Herr Vater nach San-Fernando gekommen ist, steht ja fest. Doch trat er auch unter seinem wahren Namen auf? Reiste er vielleicht nicht in seiner Eigenschaft als Oberst? Wer mag das wissen?«

Diese Hypothese erschien ja annehmbar, wenn man sich auch kaum erklaren konnte, warum der Oberst seinen Namen und seinen Stand verheimlicht haben sollte.

»Wenn Herr von Kermor, bemerkte Jacques Helloch dazu, nicht gerade bei seiner Fahrt durch San- Fernando unerkannt bleiben wollte.

- Weshalb aber eine solche Verheimlichung? fragte Herr Mirabal.

- Mein Vater hatte gar schweren Kummer erlitten, antwortete der junge Mann, dessen Herz immer heftiger zu pochen anfing. Nach dem Tode meiner armen Mutter glaubte er, in der Welt ganz verlassen dazustehen.

- Doch Sie, mein armes Kind?

- Mich hielt er ebenfalls fur todt,« erwiderte Jean, wahrend der Sergeant Martial in seiner Ecke heimlich brummte.

Offenbar pa?te es ihm keineswegs, seinen Neffen in dieser Weise ausgefragt zu sehen. Dabei wurden verschiedene Einzelheiten ans Licht gezogen, die er immer gern, wenigstens so weit sie mit der Vergangenheit seines angeblichen Neffen zusammenhingen, im Dunkeln gelassen hatte.

Weder Herr Mirabal, noch Jacques Helloch stellten ubrigens weitere Fragen. Der von schwerem Ungluck geprufte Oberst von Kermor hatte geglaubt, im Geheimen abreisen zu mussen. so geheim, da? auch sein alter Waffengefahrte nichts von seiner Absicht erfuhr. Es war demnach nicht unwahrscheinlich, da? er seinen Namen in der Hoffnung vertauscht hatte, niemals an dem Orte entdeckt zu werden, wohin er sich mit seinem von so harten Schlagen zerstorten Leben gefluchtet hatte.

Nach ihrer Ruckkehr in den Gasthof gingen der Sergeant Martial und Jean an diesem Tage nicht wieder aus.

Am nachsten Tage hatte Jean eine Unterredung mit dem Gouverneur der Provinz des Orinoco, dem Herr Miguel ihn vorgestellt hatte.

Seine Excellenz konnte ihm freilich nichts auf seinen Vater Bezugliches mittheilen. Der Gouverneur nahm seine Stelle in San-Fernando erst seit funf Jahren ein. Doch wenn er dem jungen Manne auch keine Auskunft geben konnte, so wollte er sich wenigstens Herrn Mirabal bei den Nachforschungen anschlie?en die dieser anzustellen ubernommen hatte.

Der zweite Tag verstrich, ohne da? die Angelegenheit einen Schritt weiter gekommen ware. Der Sergeant Martial wuthete gegen sich selbst. So weit gekommen zu sein, so viele Gefahren ausgestanden zu haben, und Alles. Alles rein vergeblich! Wie hatte er nur so schwach sein konnen, einer solchen Reise zuzustimmen, so schwach, sie zu unternehmen! Jedenfalls gelobte er sich, seinen Unmuth nicht vor dem unglucklichen Jean laut werden zu lassen, denn das hatte den Schmerz des jungen Mannes, der ja schon allein so besturzt, so verzweifelt war, noch weiter verschlimmert.

Jacques Helloch bemuhte sich inzwischen, Erkundigungen einzuziehen, was sich zunachst leider erfolglos erwies. An Bord der »Moriche« zuruckgekehrt, verfiel er einer so traurigen Stimmung, da? Germain Paterne daruber ordentlich erschrak. Sein Freund, der sonst so gern plauderte, so gleichma?ig heiter und mittheilsam war, antwortete kaum noch auf seine Fragen.

»Was hast Du denn? redete Germain Paterne ihn an.

- O. nichts.

- Nichts. das bedeutet zuweilen Alles. Ich gebe ja gern zu, da? die Lage des armen jungen Mannes recht betrubend ist; das ist fur Dich aber doch kein Grund, Deine Mission ganzlich aus dem Auge zu verlieren.

- Meine Mission?

- Allerdings. Du bist doch nicht, ich mag das wenigstens nimmermehr glauben, von dem Minister der offentlichen Aufklarung nach dem Orinoco geschickt worden, um hier nur den Oberst von Kermor wiederzufinden?

- Ja, warum denn nicht?

- Ich bitte Dich, Jacques, la? uns ernsthaft sprechen! Du bist so glucklich gewesen, den Sohn des Oberst retten zu konnen.

- Den Sohn! rief Jacques Helloch lebhafter. Ach ja. den Sohn!. Nun, Germain, vielleicht. ja, es ware wohl besser gewesen, da? Jean umkam, wenn er seinen Vater doch nicht wiederfinden soll.

- Ich begreife Dich nicht, Jacques.

- Weil das Dinge sind, von denen Du nichts verstehst. von denen Du nichts verstehen kannst.

- Ich danke bestens!«

Germain Paterne nahm sich vor, seinen Gefahrten nicht weiter auszuforschen, er fragte sich nur, was dessen immer wachsende Zuneigung zu dem jungen von Kermor eigentlich fur Sinn habe.

Am folgenden Tage, als Jean mit dem Sergeanten Martial bei Herrn Mirabal erschien, wollte dieser in Begleitung Jacques Helloch's ihn grade aufsuchen.

Nach gehaltener Umfrage bei den Bewohnern von San-Fernando hatte sich ergeben, da? ein Fremder vor einem Dutzend Jahren thatsachlich in dem Orte verweilt habe. Doch ob das ein Franzose gewesen war, konnte niemand sagen; auf jeden Fall schien er aber Ursache gehabt zu haben, ein strenges Incognito zu bewahren.

Jean glaubte hiermit in das Dunkel der geheimni?vollen Angelegenheit einen ersten Lichtstrahl fallen zu sehen. Ob man nun auf Ahnungen Gewicht legen darf oder nicht, ihm kam der Gedanke, da? dieser Fremde sein Vater gewesen sei. sein Vater gewesen sein musse.

»Und wei? man auch, Herr Mirabal, fragte er, wohin sich jener Reisende bei seinem Weggange von hier gewendet hatte?

- Ja, mein Kind; er ist nach der Gegend des obern Orinoco weitergezogen.

- Und seitdem hat man nichts mehr von ihm gehort?

- Niemand wei?, was aus ihm geworden ist.

- Das lie?e sich vielleicht auskundschaften, meinte Jacques Helloch, wenn man auf diesem Theile des Stromes Nachforschungen anstellte.

- Ja freilich, doch das ware wohl ein zu gefahrvolles Unternehmen, bemerkte Herr Mirabal, und sich auf so schwachfu?ige Anzeichen hin dem auszusetzen.«

Der Sergeant Martial gab durch eine Handbewegung zu erkennen, da? er die Anschauung des Herrn Mirabal theilte.

Jean selbst schwieg zwar dazu, doch in seiner entschlossenen Haltung, in dem Feuer, das aus seinen Augen strahlte, erkannte man den festen Entschlu?, keine Hindernisse zu achten, die Reise, und wenn sie auch noch so gefahrvoll ware, fortzusetzen und seine Plane nicht aufzugeben, sondern bis zum Ende zu verfolgen.

Herr Mirabal verstand ihn sehr gut, als Jean zu ihm sagte:

»Ich danke Ihnen, Herr Mirabal, und auch Ihnen, Herr Helloch, fur das, was Sie gethan haben. Ein Fremder ist hier zu der Zeit gesehen worden, wo mein Vater sich in San-Fernando befand, wo er einen Brief von hier abschickte.

- Gewi?; doch daraus schon schlie?en zu wollen, da? das der Oberst von Kermor gewesen sei. wendete der alte Herr ein.

- Warum das nicht? rief Jacques Helloch. Liegt nicht die Wahrscheinlichkeit vor, da? er es gewesen ware?

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