verzogen, so konnte Germain Paterne dagegen gleich beim ersten Schluck eine Grimasse nicht unterdrucken, um die ihn die Affenwelt des Orinoco beneidet hatte - was dem Indianer eine angenehme Genugthuung zu bereiten schien.
Die Gaste zogen sich gegen zehn Uhr zuruck, und der Bare, dem einige seiner Feldarbeiter folgten, begleitete sie nach den Falcas, deren Mannschaften schon in tiefem Schlafe lagen.
Als sich die Gesellschaft eben trennen wollte, konnte der Indianer es nicht unterlassen, im Hinblick auf Jorres zu sagen:
»Und ich bleibe doch dabei, den Spanier in der Umgebung des Rancho schon fruher einmal gesehen zu haben!
- Warum sollte er das aber nicht zugestehen? fragte Jean.
- Es wird sich nur um eine auffallende Aehnlichkeit handeln, mein braver Indianer!« begnugte sich Jacques Helloch zu erwidern.
Drittes Capitel
Schon seit achtundvierzig Stunden zeigten sich am ostlichen Horizont die Umrisse eines Berges, den die beiden Schiffer Valdez und Parchal fur den Cerro Yapacana erklarten. Sie fugten dem auch hinzu, da? dieser Berg von Geistern bewohnt sei, die alljahrlich, im Februar und Marz, auf seinem Gipfel ein machtiges Feuer auflodern lie?en, dessen Widerschein die ganze Gegend erhellt und bis zum Himmel hinanreicht.
Am Abend des 11. October hatten die Piroguen die Stelle erreicht, von wo aus jener vier Kilometer lange, anderthalb Kilometer breite und etwa zwolfhundert Meter hohe Cerro sich am besten uberblicken la?t.
In den drei Tagen nach der Abreise von Carida war die von einer bestandigen Brise unterstutzte Fahrt der Falcas ziemlich schnell und unbehindert verlaufen. Die Reisenden waren dabei an der Insel Luna vorubergekommen und den von dicht mit Palmenhainen bedeckten Ufern eingefa?ten Strom hinausgefahren, ohne jede andre Schwierigkeit, als die der Passage eines unbedeutenden Raudal, das die »Teufelsbarre« genannt wird - obwohl sich der Teufel hier keineswegs quer vor den Weg gelegt hat.
Der Cerro von Yapacana steigt aus der Ebene empor, die sich an der rechten Seite des Orinoco hinzieht. Wie bereits Chaffanjon bemerkt hat, zeigt er sich in der Gestalt eines riesenhaften Sarkophags.
»Das erklart es ja, bemerkte Germain Paterne, da? allerlei Feld- und Waldgeister, Gespenster, Hexen und andre Fabelwesen mythologischen Ursprungs sich mit Vorliebe dahin zuruckziehen.«
Am linken Ufer, gegenuber dem Cerro und oberhalb der Insel Mavilla, befand sich die Niederlassung eines venezuolanischen Handelscommissars, eines Mestizen, namens Manuel Assomption. Der Mann lebte hier mit seiner Gattin, ebenfalls einer Mestizin, und mehreren Kindern - im Ganzen eine recht interessante Familie.
Als die Falcas vor Danaco anhielten, was erst in der Dunkelheit erfolgte, war die Fahrt durch eine der »Gallinetta« zugesto?ene Havarie etwas verzogert gewesen. Trotz seiner Gewandtheit hatte Valdez es nicht verhindern konnen da? seine von einem Wasserwirbel erfa?te Pirogue an einen Felsblock anprallte. Durch den Sto? war ein zum Gluck nur kleines Leck entstanden, das schon mit einer ma?igen Menge trocknen Grases wenigstens nothdurftig geschlossen werden konnte. Fur die weitere Reise mu?te die beschadigte Stelle freilich grundlich ausgebessert werden, und dazu bot sich in Danaco gunstige Gelegenheit.
Die Passagiere blieben die Nacht uber am Fu?e des Uferrandes an der Sudseite der Insel Mavilla, ohne da? ihre Ankunft dem Commissar sofort gemeldet worden ware.
Am nachsten Tage steuerten die Piroguen mit dem ersten Fruhroth uber den schmaleren Arm des Stromes und legten sich an einer Art Schiffbrucke fest, die jedenfalls zur Beladung und Loschung von Fahrzeugen diente.
Danaco war jetzt ein Dorf, nicht mehr ein einfacher Rancho, als welchen es der franzosische Reisende (Chaffanjon) noch verzeichnet hatte.
Dank der verstandni?vollen Thatigkeit Manuel Assomption's war die Ansiedlung in einigen Jahren auffallend gewachsen und versprach bei ihrem bluhenden Zustande noch weiter zuzunehmen. Es war von dem Mestizen ein glucklicher Gedanke gewesen, seinen fruheren »Sitio« in Guachapana aufzugeben, wo er wegen der geringeren Entfernung San-Fernandos von dem Gouverneur daselbst argerlichen Vexationen leicht ausgesetzt war. In Danaco war er nahezu ganz frei, konnte sich seinen Handelsgeschaften nach Belieben widmen, und diese Ungebundenheit hatte denn auch zu recht glucklichen Ergebnissen gefuhrt.
Fruhzeitig am Morgen erhielt Manuel Kenntni? von dem Eintreffen der Piroguen. Von einigen seiner Leute begleitet, kam er jetzt herbei, um die Reisenden zu begru?en.
Auch diese gingen ihm ein Stuck entgegen, und Jean hielt es fur angezeigt, ihm eines der Empfehlungsschreiben zu uberreichen, die der Gouverneur von San-Fernando dem jungen Mann fur die Commissare am obern Orinoco eingehandigt hatte.
Manuel Assomption nahm den Brief, durchlas ihn, sagte darauf aber mit einigem Selbstbewu?tsein:
»Es hatte fur mich dieses Briefes nicht bedurft, um Fremden, die in Danaco Halt machen, einen wohlwollenden Empfang zu bereiten. Reisende, und vor allem Franzosen, konnen stets darauf rechnen, in unsern venezuolanischen Dorfern willkommen zu sein.
- Nehmen Sie dafur unsern Dank, Herr Manuel, antwortete ihm Jacques Helloch. Die Ausbesserung einer Havarie, die eine unsrer Falcas erlitten hat, wird uns aber nothigen, achtundvierzig Stunden lang hier liegen zu bleiben.
- O, gern acht Tage lang, mein Herr, wenn Sie es wunschen. Danaco steht immer den Landsleuten des Franzosen Truchon offen, dem die Pflanzer am obern Orinoco so viel Dank schuldig sind.
- Wir wu?ten im voraus, da? wir hier gute Aufnahme finden wurden, Herr Manuel, bemerkte Jean.
- Und woher wu?ten Sie das, junger Freund?
- Weil Sie die Gastfreundschaft, die Sie uns anbieten, schon vor funf Jahren einem unsrer Landsleute, der bis zu den Quellen des Orinoco vordrang, in gleich freundlicher Art erwiesen haben.
- Ah, Sie sprechen von Herrn Chaffanjon! rief der Commissar. Ja, das war ein kuhner Forscher, den ich ebenso wie seinen Begleiter Moussot im besten Andenken habe.
- Und der sich Ihrer, Herr Manuel, mit aller Warme erinnert, fiel Jean ihm ins Wort, ebenso wie der Dienste, die Sie ihm geleistet haben, wie er sich in seinem Reiseberichte daruber au?ert.
- Besitzen Sie vielleicht dieses Buch? fragte Manuel mit lebhafter Neugier.
- Gewi?, antwortete Jean, und wenn Sie es wunschen, will ich Ihnen gern die betreffenden Stellen ubersetzen.
- Das wurde mir viel Vergnugen machen,« versicherte der Commissar, indem er den Passagieren der Falcas die Hande entgegenstreckte.
In dem betreffenden Berichte wird nicht nur des Herrn Manuel Assomption und seines Anwesens in Danaco ruhmlichst gedacht, sondern auch des Herrn Truchon, dem es die Franzosen zu verdanken haben, da? sie am Oberlaufe des Orinoco in so gutem Ansehen stehen.
Der genannte Truchon hatte namlich vor einigen vierzig Jahren im Gebiete des obern Orinoco eine Ansiedlung gegrundet. Vorher verstanden sich die Indianer nun noch gar nicht auf die Gewinnung des Kautschuks; durch das Verfahren, das er einfuhrte, wurde die sehr ausgiebige Ausbeute der betreffenden Baume dagegen zum reichen Segen fur diese entlegenen Landestheile. Daher ruhrt die gerechtfertigte
Beliebtheit des franzosischen Namens in allen Provinzen, wo jene Cultur die Hauptindustrie bildet.
Manuel Assomption zahlte jetzt sechzig Jahre. Er bot das Bild eines noch kraftvollen Mannes mit stark gebraunter Haut, intelligenten Zugen und lebhaften Augen, eines Mannes, der sich, weil er zu befehlen verstand, Gehorsam zu erzwingen wu?te, der aber andrerseits gutig, aufmerksam, ja zuvorkommend gegen die in seinem Rancho beschaftigten Indianer war.
Diese gehorten zu den Mariquitarern, zu einer der besten angestammten Rassen Venezuelas, und das Dorf, das er rings um seinen Rancho hatte entstehen lassen, barg eine ausschlie?lich mariquitarische Bevolkerung.
Nachdem die Passagiere die ihnen von dem Commissar angebotene Gastfreundschaft angenommen hatten, wurde sofort Auftrag gegeben, mit Ausbesserung der Beschadigungen der »Gallinetta« zu beginnen. Hierzu war es nothig, Alles, was sich darauf befand, auszuladen, sie auf das Ufer zu ziehen und umzulegen, um den Boden frisch