vorhatten und welchen Untersuchungen - die gewi? von sturmischen Auseinandersetzungen begleitet wurden - sie sich in der nachsten Zeit widmen wollten.
»Welche Ansicht vertritt denn jener Herr Miguel? fragte der Commissar.
- Er ist der Meinung, antwortete Germain Paterne, da? der Flu?, auf dem wir von San-Fernando nach Danaco gekommen sind, der wirkliche Orinoco sei.
- Der aus dem Gebirgsstock der Parima hervorbricht! setzte der Commissar mit laut schallender Stimme hinzu. Nun, Herr Miguel moge nur zu uns kommen, er wird mit aller Herzlichkeit empfangen werden. Die beiden Andern mogen sich's aber nicht einfallen lassen, im Rancho Rast machen zu wollen; wir wurden sie in den Strom werfen, und von dessen Wasser konnten sie genug verschlucken, sich zu uberzeugen, da? es das des Orinoco ist!«
Es war gar lustig, Herrn Manuel mit solcher Lebhaftigkeit reden und so furchtbare Drohungen aussto?en zu horen. Doch von jeder Uebertreibung abgesehen: der Besitzer des Rancho hielt auf seinen Strom und hatte ihn wohl bis aufs au?erste vertheidigt.
Gegen zehn Uhr abends verabschiedeten sich Jacques Helloch und sein Begleiter von der Familie Assomption, sagten dem Sergeanten Martial und Jean Gute Nacht und begaben sich nach ihrer Pirogue zuruck.
Unwillkurlich oder in Folge einer Art Vorgefuhls richteten sich die Gedanken Jacques Helloch's auf Jorres. Es unterlag keinem Zweifel, da? dieser Spanier den Pater Esperante gekannt hatte und ihm in Caracas oder sonstwo begegnet war, da er ihn ganz so, wie eben jetzt Herr Manuel, geschildert hatte. Man konnte den Mann also nicht wohl beschuldigen, ein Zusammentreffen mit dem Missionar nur erfunden zu haben, um sich den Fahrgasten der Piroguen, die nach Santa-Juana wollten, aufzudrangen.
Dem entgegen stand freilich die Aussage des Bare-Indianers, der ja behauptete, da? Jorres bereits den Orinoco, mindestens bis zum Rancho von Carida, hinausgekommen sei, und er blieb dabei, auch trotz der Verneinungen des Spaniers. Fremdlinge, die durch die Gebiete des mittleren Orinoco kommen, sind nun nicht so zahlreich, da? man so leicht eine Verwechslung der Personen begehen konnte, wenn das auch einem Eingebornen gegenuber vielleicht am ehesten anzunehmen ware. War es wirklich der Fall, hier, wo es sich um diesen Spanier mit dem so leicht wiedererkennbaren Gesicht handelte?.
Wenn Jorres aber schon nach Carida und folglich auch nach den Dorfern und Sitios unterhalb desselben gekommen war, warum leugnete er das? Welche Grunde hatte er, es zu verheimlichen? Was konnte es ihm bei denen schaden, die er nach der Mission Santa-Juana begleitete?
Vielleicht tauschte sich der Bare aber doch. Wenn einer sagt: »Ich hab' Euch hier gesehen!« und ein andrer sagt: »Ihr konnt mich hier nicht gesehen haben, da ich niemals hierher gekommen bin!«, kann der Irrthum nicht wohl bei dem zweiten liegen.
Und dennoch wollte die Sache Jacques Helloch nicht aus dem Kopfe. Zwar flo?te sie ihm keine Besorgni? um seiner selbst willen ein, doch Alles, was die Reise der Tochter des Oberst von Kermor betraf, was sie verzogern oder ihren Erfolg gefahrden konnte, beschaftigte, beunruhigte und erregte ihn mehr, als er sich selbst zugestehen wollte.
Diese Nacht schlief er erst spat ein, und am nachsten Morgen mu?te Germain Paterne ihn noch mit einem freundschaftlichen Rippensto? wecken, als die Sonne schon etwas uber den Horizont aufgestiegen war.
Viertes Capitel
Kaum durfte es nothig sein, hier bei den Empfindungen Jacques Helloch's seit jenem Tage zu verweilen, wo Jeanne an Stelle Jeans getreten war, seit dem Tage, wo die Tochter des Oberst von Kermor, nachdem sie vom Tode gerettet worden war, sich nicht mehr unter der Maske eines Neffen des Sergeanten Martial verstecken konnte.
Es ist wohl erklarlich, da? die Natur dieser Gefuhle Jeanne von Kermor nicht entgehen konnte, zahlte sie doch bereits zweiundzwanzig Jahre, wenn sie auch die Verkleidung als junger Mann erst als siebzehn Sommer alt erscheinen lie?.
Germain Paterne, der, wenn man seinem Gefahrten glauben durfte, »von solchen Dingen nichts verstand«, hatte ubrigens recht wohl bemerkt, welche immer zunehmende Veranderungen im Herzen Jacques Helloch's vor sich gingen. Hatte er jetzt diesem gerade ins Gesicht gesagt: »Jacques, Du liebst Fraulein Jeanne von Kermor!« so ware es sehr fraglich gewesen, ob Jacques zu antworten gewagt hatte: »Mein armer Junge, von solchen Dingen verstehst Du ja nichts!«
Germain Paterne wartete auch nur auf eine passende Gelegenheit, sich mit ihm daruber auszusprechen, und ware es auch nur zu dem Zwecke, mit seiner eignen Person fur die Ehre der Naturforscher, Botaniker und andrer Gelehrten einzutreten, die fur die su?esten Empfindungen des Herzens gar nicht so unempfanglich sind, wie es die bose Welt zu behaupten liebt. Welchen Gedanken gab sich aber erst der Sergeant Martial hin, wenn er sich die verschiedenen Zufalligkeiten, die sich bisher ereignet hatten, vor Augen fuhrte, wenn er sein Geheimni? entdeckt, seinen Plan gescheitert sah, wenn er sich sagen mu?te, da? alle seine sein ausgesonnenen Vorsichtsma?regeln durch jenen verwunschten Chubasco zerstort worden waren und da? seine Stellung als Onkel Jean von Kermor's unwiderruflich erschuttert war, da man diesen Neffen als eine Nichte erkannt hatte, zu der er nicht einmal in dem Verhaltnisse eines Onkels stand!
Naturlich war er wuthend - wuthend gegen sich selbst und gegen alle Andern. Jean hatte bei dem plotzlichen Sturme nicht in den Strom fallen durfen und er hatte sich ihm nachsturzen sollen, statt seine Rettung einem Dritten zu uberlassen! Jacques Helloch's Sache war es ja gar nicht gewesen, ihm Hilfe zu bringen! Was ging ihn denn die Sache an? Und doch hatte er recht daran gethan, denn ohne ihn ware er. nein, sie. jedenfalls ums Leben gekommen. Freilich durfte man hoffen, da? das keine weiteren Folgen haben werde. Das Geheimni? war sorgsam gehutet worden. Wenn er sich das zuruckhaltende Benehmen des Retters Jeanne's vergegenwartigte, glaubte der Sergeant Martial sich beruhigen zu durfen, und sein Oberst wurde ihm, wenn sie sich Auge in Auge gegenuberstanden, keinerlei Vorwurfe zu machen haben.
Armer Sergeant Martial!
Sehr fruhzeitig wurde er von Jean geweckt, den Herr Manuel und seine Sohne schon vor dem Hause erwarteten.
Fast gleichzeitig trafen die beiden Franzosen ein, die ihre Pirogue eine Viertelstunde vorher verlassen hatten.
Man sagte einander Guten Tag. Jacques Helloch meldete, da? die Ausbesserung der »Gallineta« gut vorwarts schreite und die Falca am folgenden Morgen wieder weiterfahren konne. Nun ging es sofort nach den Feldern hinaus, wo die Gomeros schon versammelt waren.
Diese »Felder« sind eigentlich Walder, worin bestimmte Baume, ganz wie beim Baumfallen, vorher bezeichnet sind. Hier handelte es sich freilich nicht darum, sie umzulegen, sondern nur darum, ihre Rinde zu ritzen, sie, wie man in Australien von den Milchbaumen sagt, zu »melken«.
In Begleitung seiner Gaste betrat Herr Manuel die seltsamen Gruppen von Kautschukbaumen grade zur Zeit, als die Gomeros ihre Arbeit begannen.
Der wi?begierigste unter den Besuchern, der, der sich in seiner Eigenschaft als Botaniker vorzuglich fur das hier geubte Verfahren interessierte, war - wen konnte das uberraschen? -naturlich Germain Paterne. Er beobachtete die Arbeit mit gro?ter Aufmerksamkeit, und der Commissar lie? es sich angelegen sein, alle seine Fragen zu beantworten.
Die Operation selbst war hochst einfach.
Zuerst schnitt jeder Gomero, dem je etwa hundert Baume einer sogenannten »Estrade« zugetheilt waren, deren Rinde mit einer sehr scharfen, kleinen Axt an.
»Ist die Zahl dieser Einschnitte eine bestimmte? fragte Germain Paterne.
- Sie wechselt je nach der Dicke der Baume zwischen vier und zwolf, und die Beilhiebe mussen dabei mit gro?ter Genauigkeit gefuhrt werden, um die Rinde nicht tiefer als nothig zu spalten.
- Dann handelt es sich also, meinte Germain Paterne, nicht um eine Amputation, sondern nur um einen Aderla?.«