meinten sie, da? Alfaniz den Ort, an dem der Oberst von Kermor sich aufhielt, hatte entdecken konnen, wahrend doch alle Nachforschungen danach vergeblich gewesen waren. Nein, es war nicht zu befurchten, da? der Oberst in seines Feindes Hande gefallen ware.

Jedenfalls galt es aber, jetzt Alles aufzubieten, die Nachforschungen fortzusetzen, keine Verzogerung eintreten zu lassen und vor keinem Hinderni? zuruckzuschrecken.

Uebrigens sollte fur die Weiterfahrt bald Alles bereit sein. Die Leute des Schiffers Valdez, und Jorres unter ihnen, beschaftigten sich schon mit der Wiederbeladung der »Gallinetta«, die am nachsten Morgen segelfertig sein sollte.

Herr Manuel fuhrte seine Gaste, die fur die zuvorkommende Aufnahme in Danaco herzlich dankbar waren, nach der Wohnstatte im Rancho zuruck, wo sie auch den letzten Abend mit ihm zubringen sollten.

Nach dem Abendessen plauderten Alle noch bis zehn Uhr. Jeder merkte sich bestens die dringenden Ermahnungen des Commissars, vorzuglich soweit sie die Achtsamkeit betrafen, die man an Bord der Piroguen nicht vernachlassigen sollte.

Als die Trennungsstunde geschlagen hatte, begleitete die Familie Assomption's die Passagiere nach dem kleinen Hafen.

Hier nahm man von einander Abschied, wechselte unter dem Versprechen eines Wiedersehens bei der Ruckkehr die letzten Handedrucke, und Herr Manuel unterlie? es nicht, zu sagen:

»Ah, Herr Helloch, und auch Sie, Herr Paterne, wenn Sie Ihre in San-Fernando verlassenen Reisegefahrten wieder treffen sollten, so bringen Sie dem Herrn Miguel meine besten Empfehlungen, seinen beiden Freunden aber meine Verwunschung mit einem Hoch auf den Orinoco - wohl verstanden, den einzigen, wahren Orinoco, auf den, der bei Danaco voruberfluthet und die Ufer meines Landbesitzes bewassert!«

Funftes Capitel

Rinder und Zitteraale

Die Fahrt auf dem Oberlaufe des Stromes ist jetzt also wieder aufgenommen. Die Reisenden sind voll guten Vertrauens auf den Erfolg ihres Vorhabens. Sie haben es nur eilig, nach der Mission Santa-Juana zu kommen, und gebe der Himmel, da? der Pater Esperante ihnen dann den richtigen Weg weisen konne, da? eine zuverlassige Auskunft sie endlich zu ihrem Ziele fuhre! Mochte ihnen auch ein Zusammentreffen mit der Bande jenes Alfaniz, das das Schicksal Aller in Frage stellen konnte, gnadig erspart bleiben!

An diesem Morgen, zur Stunde der Abfahrt, hatte sich Jeanne von Kermor an Jacques Helloch, als sie allein waren, mit folgenden Worten gewendet:

»Sie haben mir nicht allein das Leben gerettet, Herr Helloch, sondern wollen auch meine Bemuhungen zur Auffindung meines Vaters freundlich unterstutzen. Mein Herz ist voller Dankbarkeit! Ich wei? nicht, wie ich Ihnen das jemals entgelten soll.

- O, sprechen wir nicht von Dankbarkeit, geehrtes Fraulein, antwortete Jaques Helloch. Unter Landsleuten sind solche kleine Dienste nur eine Pflicht, und diese Pflicht bis zum Ende zu erfullen, wird mich nichts abhalten konnen!

- Vielleicht gehen wir aber neuen und sehr ernsten Gefahren entgegen, Herr Jacques!

- Nein, das furchte ich nicht. Uebrigens ware das fur mich nur ein weiterer Grund, Fraulein von Kermor nicht zu verlassen. Ich. Sie verlassen. denn - setzte er mit einem Blick auf das junge Madchen, das die Augen niederschlug, hinzu - das. das haben Sie mir doch zu verstehen geben wollen.

- Herr Helloch. ja. ich wollte. ich mu?te es. Ich kann Ihren Edelmuth nicht mi?brauchen. Allein hatte ich mich auf diese weite Reise begeben. Gott hat Sie mir in den Weg gesendet, und ich danke ihm dafur aus Herzensgrund. doch.

- Doch Ihre Pirogue erwartet Sie, mein Fraulein, wie mich die meinige, und beide werden zusammen dem Ziele zustreben. Ich habe diesen Beschlu? mit gutem Bewu?tsein gefa?t, und was ich einmal zu thun beschlossen habe, das fuhr' ich auch aus! Wenn Sie dafur, da? ich Sie diese Fahrt allein fortsetzen lie?e, keine andern Grunde haben, als die Gefahren, die Sie andeuten.

- Herr Jacques, fiel Fraulein von Kermor lebhaft ein, welch andre Grunde konnt' ich dazu haben?.

- Nun also, Jean, mein lieber Jean - ich mu? Sie ja noch so nennen - sprechen wir nicht mehr von einer Trennung, und nun muthig vorwarts!«

Das Herz klopfte ihm machtig, diesem »lieben Jean«, wahrend er nach der »Gallinetta« zuruckkehrte. Und als Jacques Helloch wieder zu seinem heimlich lachelnden Freunde kam, empfing ihn dieser mit den Worten:

»Ich mochte gleich darauf wetten, da? Fraulein von Kermor Dir gedankt hat fur das, was Du fur Sie gethan hast, und da? sie Dich gleichzeitig bat es damit genug sein zu lassen.

- Ich hab' ihr das aber abgeschlagen, rief Jacques Helloch. Ich werde sie nie und nimmer verlassen!

- Sapperment, das ist viel gesagt!« erwiderte einfach Germain Paterne, der den Freund leicht auf die Schulter klopfte.

Da? der letzte Theil der Reise den Insassen der Piroguen noch schwere Unannehmlichkeiten vorbehalten konnte, war nicht nur moglich, sondern sogar wahrscheinlich. Vorlaufig hatten sie sich aber nicht zu beklagen. Der Wind hielt sich sehr stetig aus Westen, und die Falcas kamen mit ihren Segeln recht gut gegen die nicht unbedeutende Stromung auf.

An diesem Tage gelangte man, nach dem Voruberkommen an mehreren Inseln, auf denen der Wind die Kronen der hohen Baume beugte, gegen Abend nach der nahe einer Biegung des Orinoco gelegenen Insel Bayanon. Bei dem Ueberflusse an Proviant, den man der Freigebigkeit des Herrn Manuel Assomption und seiner Sohne verdankte, war es nicht nothig, jagen zu gehen. Da ferner die Nacht besonders klar und vom Mond hell erleuchtet war, schlugen Parchal und Valdez vor, erst am nachsten Morgen Halt zu machen.

»Wenn der Strom frei von Klippen und Felsen ist, meinte Jacques Helloch dazu, und wenn Sie nicht furchten, gegen einen Kiesel anzusto?en.

- Nein, nein, versicherte der Schiffer Valdez, wir mussen aber die schone Witterung benutzen, um ein Stuck stromaufwarts zu kommen. Es ist selten, da? man sich in dieser Jahreszeit so begunstigt sieht.«

Der Vorschlag war gut, er wurde angenommen, und die Piroguen sandten ihre Haltetaue nicht ans Land.

Die Nacht verstrich ohne Unfall, obgleich der ohnehin nur dreihundertfunfzig Meter breite Strom zuweilen durch eine Kette von Inselchen - vorzuglich bei der Mundung des Rio Guanami, eines Zuflusses am rechten Ufer - noch weiter eingeengt wurde.

Am Morgen befanden sich die »Gallinetta« und die »Moriche« in der Hohe der Insel Tremblador, wo Chaffanjon mit einem intelligenten und dienstwilligen Neger namens Ricardo in Beziehung getreten war. Dieser Neger aber, der damals den Titel eines Commissars des Cunucunuma und des Cassiquiare fuhrte, hatte inzwischen seinen Wohnsitz gewechselt. Nach Aussage des franzosichen Reisenden war es ein sehr strebsamer, streng nuchterner und energischer Mann gewesen, dessen Unternehmungen gewi? gediehen waren und der nun jedenfalls einen andern Rancho im nordlicheren Theile der Savanne eingerichtet hatte.

»Ich bedaure, da? dieser Ricardo nicht mehr hier ist, bemerkte Jacques Helloch. Vielleicht hatten wir von ihm erfahren, ob Alfaniz in der Nachbarschaft des Stromes aufgetaucht sei.«

Dann wendete er sich an den Spanier.

»Haben Sie, Jorres, bei Ihrem Aufenthalte in San-Fernando wohl von den Fluchtlingen von Cayenne reden horen, und von der Indianerbande, die sich ihnen angeschlossen hat?

- Gewi?, Herr Helloch, antwortete der Spanier.

- Hat man ihr Auftreten in den Provinzen des obern Orinoco gemeldet?

- Da? ich nicht wu?te. Man sprach nur von einer Rotte Quivas-Indianer.

- Ganz recht, Jorres, und Alfaniz, ein Strafling ist es, der sich an ihre Spitze gestellt hat.

- Das ist das erste Mal, da? mir dieser Name zu Ohren kommt, erklarte der Spanier. Auf keinen Fall hatten wir aber ein Zusammentreffen mit jenen Quivas zu furchten, denn wie man allgemein behauptete, suchten sie wieder nach Columbia, woraus man sie vertrieben hatte, zu gelangen, und wenn das zutrifft, konnen sie nicht auf dieser Seite des Orinoco sein.«

Es war ja moglich, da? Jorres recht unterrichtet war, als er sagte, da? die Quivas sich mehr nordlich nach

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