Gleich nachdem der Einschnitt erfolgt war, begann der Saft des Baumes an diesem herunter und in ein kleines Gefa? zu laufen, das so angebracht war, da? kein Tropfen verloren ging.

»Und wie lange dauert das Auslaufen? fragte Germain Paterne.

- Gegen sechs bis sieben Stunden,« belehrte ihn Herr Manuel.

Einen Theil des Vormittags durchwanderten Jacques Helloch und seine Gefahrten diese Anpflanzung, wahrend die Gomeros die Baume »ansteckten«, ein ganz treffender Ausdruck, dessen sich der Sergeant Martial bediente. Siebenhundert Baume wurden in dieser Weise einem Aderla? unterzogen, der eine reiche Ernte an Kantschuk versprach.

Nach der Wohnung kam die Gesellschaft erst zur Zeit des Fruhstucks zuruck, dem Alle mit gutem Appetit gro?e Ehre anthaten. Die beiden Sohne Manuels hatten am Morgen in dem benachbarten Walde mit Erfolg gejagt, und das Wildpret, dessen Zubereitung ihre Mutter uberwacht hatte, war wirklich ausgezeichnet. Ausgezeichnet auch die Fische, die zwei Bauern am namlichen Morgen im Orinoco gefangen oder mit Pfeilen geschossen hatten; ausgezeichnet endlich die Fruchte und die Gemuse des Rancho, darunter die Ananas, die dieses Jahr fast uberreichlich gediehen waren.

Der Anfangsarbeit der Kautschukernte beigewohnt und gesehen zu haben, wie die Einschnitte gemacht wurden, das konnte die Wi?begierde Germain Paterne's noch nicht befriedigen, und er bat Herrn Manuel, ihn auch uber das weitere Verfahren aufzuklaren.

»Verweilten Sie noch einige Tage in Danaco, antwortete der Commissar, so wurden Sie zunachst gesehen haben, da? der Gummisaft in den fruhen Morgenstunden nach dem Einschneiden der Rinde nur langsam auslauft. Es vergeht auch eine ganze Woche, ehe die Baume ihren Saft ganz abgegeben haben.

- All dieses Gummi werden Sie also erst in acht Tagen eingebracht haben?

- Nein, Herr Paterne. Heut Abend schon bringt jeder Gomero die Ernte dieses Tages hierher und dann entzundet er sofort ein sehr rauchgebendes Feuer, um den Saft zum Gerinnen zu bringen. Nach dem Ausbreiten der dicken Flussigkeit auf einem Brette setzt man dieses dem dichten Rauch von grunem Holze aus. Dabei bildet sich eine erste, mehr erhartete Schicht, uber die sich nach dem wiederholten Bestreichen des Brettes eine zweite lagert und so weiter. Auf diese Weise stellt man eine Art Laib aus Kautschuk her, der nun zum Versenden fertig ist.

- Und vor dem Eintreffen unsers Landsmanns Truchon, fragte Jacques, verstanden sich die Indianer ja wohl noch gar nicht auf dieses Verfahren?

- Gar nicht oder doch kaum, bestatigte der Commissar. Sie hatten nicht einmal eine Ahnung von dem Werthe dieses Naturerzeugnisses. Niemand konnte auch die Wichtigkeit voraussehen, die es fur Handel und Gewerbe spater gewinnen sollte. Der Franzose Truchon, der sich erst in San-Fernando und spater in la Esmeralda aufhielt, war es, der den Indianern die Weiterbearbeitung des Kautschuksaftes lehrte, die in diesem Theile Amerikas jetzt ihre Hauptthatigkeit bildet.

»Vivat also Herr Truchon und Vivat das Land, dem er einst entspro?!« rief oder sang vielmehr Germain Paterne halblaut vor sich hin.

Darauf trank man voller Begeisterung erst auf die Gesundheit Truchon's und dann auf das gluckliche Gedeihen Frankreichs.

Am Nachmittage und nach mehrstundiger Ruhe ersuchte der Commissar seine Gaste, sich mit ihm nach dem kleinen Hafen hinunter zu begeben, wo an der Ausbesserung der Pirogue gearbeitet wurde. Er wollte sich selbst uberzeugen, da? dabei nichts vernachlassigt wurde.

So wanderten denn Alle durch die Felder des Rancho und lauschten dabei den Worten des Herrn Manuel, der von seiner Domane mit dem berechtigten Stolze des Besitzers sprach.

Als man am Hafen angelangt war, sollte die inzwischen vollig reparierte »Gallinetta« eben wieder neben der »Moriche«, die an ihrem Haltetau leicht schaukelte, ins Wasser gesetzt werden.

Von ihren eignen Leuten und einigen Bauern unterstutzt, hatten Valdez und Parchal die Arbeit sehr gut ausgefuhrt. Der Commissar sprach seine volle Befriedigung daruber aus und erklarte, da? ihm beide Falcas fur die Fortsetzung der Fahrt jetzt in gleich gutem Zustande zu sein schienen.

Die »Gallinetta« brauchte nur noch uber den Strand hin geschleppt zu werden. Wenn sie dann wieder schwamm, konnte das Deckhaus aufgesetzt, der Mast errichtet und endlich die vorher getragene Fracht u. s. w. neu verladen werden. Noch denselben Abend sollten der Sergeant Martial und Jean sie wieder beziehen und die Abreise sollte erfolgen, sobald sich der Horizont mit dem ersten Morgenscheine farbte.

Eben jetzt versank die Sonne hinter einer purpurnen Dunstwand, die das Eintreten von Westwind versprach - ein gunstiger Umstand, der nicht unbenutzt gelassen werden durfte.

Wahrend die Schiffsmannschaften und die andern Hilfskrafte Anstalt trafen, die »Gallinetta« wieder aufs Wasser zu setzen, lustwandelten Herr Manuel Assomption, dessen beide Sohne und die Passagiere der Piroguen am Strande auf und ab.

Unter den Leuten, die bei jener letzten Arbeit mit Hand anlegten, fiel dem Commissar zufallig Jorres auf, der sich von seinen Gefahrten schon dem Aeu?ern nach so merkwurdig unterschied.

»Wer ist der Mann da? fragte er.

- Einer der Leute, die zur »Gallinetta« gehoren, antwortete Jacques Helloch.

- Das ist aber kein Indianer.

- Nein, ein Spanier.

- Wo haben Sie ihn angeworben?

- In San-Fernando.

- Und er verdingt sich berufsma?ig als Flu?schiffer auf dem Orinoco?

- Berufsma?ig wohl nicht; uns fehlte aber gerade ein Mann, und da jener die Absicht hatte, nach Santa- Juana zu gehen, und er sich uns zur Aushilfe anbot, hat ihn der Schiffer Valdez in Dienst genommen.«

Jorres hatte offenbar bemerkt, da? von ihm die Rede war, denn ohne seine Arbeit zu unterbrechen, lauschte er gespannt auf Alles, was hier gesprochen wurde.

Da kam es Jacques Helloch in den Sinn, an den Commissar selbst eine weitere, naheliegende Frage zu stellen.

»Kennen Sie etwa diesen Mann? sagte er.

- Nein, erwiderte Herr Manuel. Ist er schon fruher nach dem obern Orinoco gekommen?

- Ein Bare-Indianer behauptet, ihn in Carida gesehen zu haben, obwohl Jorres versichert, dort noch niemals gewesen zu sein.

- Mir kommt er hier bestimmt das erste Mal vor Augen, fuhr der Commissar fort, und er fiel mir nur auf, weil man ihn unmoglich mit einem Indianer verwechseln kann. Sie sagen, da? er sich nach Santa-Juana begiebt?

- Es schien ihm daran gelegen, in den Dienst der Mission einzutreten, denn er hatte schon sein Noviciat hinter sich, als er als Seemann die Welt zu durchstreifen begann. Seiner Aussage nach kennt er den Pater Esperante, den er schon vor zwolf Jahren in Caracas gesehen haben will, und das mag wohl richtig sein, denn er hat uns von jenem Missionar ganz dasselbe Bild entworfen, wie Sie, Herr Manuel.

- Na, es kommt ja darauf nicht viel an, wenn er nur jetzt seine Stelle ordentlich ausfullt. Freilich soll man hierzulande allen Abenteurern mi?trauen, die irgendwoher kommen und irgendwohin gehen wollen.

- Eine Warnung, die ich mir hinters Ohr schreiben werde, Herr Manuel, versicherte Jacques Helloch. Ich werde den Spanier stets scharf im Auge behalten!«

Es lie? sich zwar nicht sagen, ob Jorres gehort hatte, was hier mit Beziehung auf ihn gesagt worden war; jedenfalls lie? er sich's nicht merken, obwohl seine Augen wiederholt in seltsamer Gluth, die er nicht zu dampfen vermochte, dabei aufflammten. Obgleich dann nicht mehr von ihm die Rede war, als sich der Commissar und die Reisenden der »Gallinetta« naherten, die jetzt neben der »Moriche« vertaut lag, lauschte er doch noch immer moglichst unauffallig auf jedes Wort, das in der kleinen Gruppe fiel.

Das Gesprach drehte sich jetzt um die Nothwendigkeit, die Piroguen tadellos in Stand zu haben, wenn es sich darum handelte, die im obern Theil des Flu?betts oft sehr starke Stromung zu bewaltigen, und Herr Manuel wies auf diese Anforderung mit gro?em Nachdruck hin.

»Sie werden noch auf Raudals sto?en, sagte er, die zwar weniger lang und gefahrlich als die von Apure und Maipure sind, der Schifffahrt aber doch ernstliche Schwierigkeiten bieten. Gelegentlich mussen die Fahrzeuge sogar uber Klippen hinweggeschleppt werden, was sie leicht zur Weiterbenutzung untauglich machen kann, wenn sie nicht ganz solid gebaut sind. Ich sehe, da? bei der des Sergeanten Martial nichts vernachlassigt worden ist,

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