doch ist denn die Ihrige, Herr Helloch, nicht auch grundlich untersucht worden?.
- Ich hoffe es wenigstens, Herr Manuel, denn ich hatte es ausdrucklich empfohlen. Parchal hat sich gewi? uberzeugt, da? der Boden der »Moriche« fest ist. Wir durfen also annehmen, da? die beiden Falcas ohne Beschadigung uber die Raudals hinwegkommen und auch den Chubascos gut widerstehen werden, wenn diese selbst, wie Sie sagen, weiter oben noch ebenso schrecklich auftreten, wie weiter unten.
- Das ist auch richtig, versicherte der Commissar, und wenn die Schiffsmannschaften den Strom nicht genau kennen, werden sie kaum den Gefahren derselben trotzen konnen. Das sind uberdies noch nicht die schlimmsten.
- Welche denn? fragte der Sergeant Martial etwas beunruhigt.
- Nun die, die das Vorkommen von Indianern langs der Ufer mit sich bringt.
- Sie haben dabei doch nicht die Guaharibos im Sinne, Herr Manuel? sagte Jean.
- O nein, liebes Kind, antwortete der Commissar lachelnd, diese Indianer sind ganz harmloser Natur. Ich wei?, da? sie fruher fur gefahrlich galten. Gerade 1879, zur Zeit, wo der Oberst von Kermor also nach den Quellen des Orinoco hinaufgegangen ware, schrieb man ihnen die Zerstorung mehrerer Dorfer und die Ermordung der Bewohner derselben zu.
- Mein Vater hatte sich also gegen Ueberfalle dieser Guaharibos zu vertheidigen gehabt, rief Jean, und konnte ihnen dabei vielleicht gar in die Hande gefallen sein.
- Nein, nein! beeilte sich Jacques Helloch zu versichern. Jedenfalls hat Herr Manuel davon nie etwas gehort.
- Niemals, Herr Helloch, niemals, mein liebes Kind! Ich wiederhole Ihnen ubrigens: Ihr Vater kann gar nicht ein Opfer jener Indianersippen geworden sein, weil diese ihren ubeln Ruf vielleicht gar nicht, seit den letzten funfzehn Jahren aber gewi? nicht verdient haben.
- Haben Sie selbst mit ihnen zu thun gehabt? fragte Germain Paterne.
- Ja freilich, mehr als einmal, und ich habe die Gewi?heit erlangt, da? Herr Chaffanjon nur die Wahrheit gesagt hatte, als er mir bei seiner Ruckkehr jene Indianer als armselige, kleine, schwachliche Burschen schilderte, die sehr furchtsam, scheu und uberhaupt nicht zu furchten waren. Ich ermahne Sie also auch nicht: Achtung vor den Guaharibos! sondern: Achtung vor den Abenteurern aus allen Nationen, die sich in den Savannen umhertreiben! Huten Sie sich vor all solchem, jedes Verbrechens fahigen Raubgesindel, von dem die Regierung unser Land durch Entsendung von Milizen saubern sollte.
- Noch eine Frage, lie? sich Germain Paterne vernehmen. Ist das, was eine Gefahr fur Reisende bildet, nicht auch eine fur die Ranchos und deren Besitzer?
- Gewi?, Herr Paterne, meine Sohne, meine Feldarbeiter und ich selbst, wir bleiben auch stets auf unsrer Hut. Jede Annaherung solcher Banditen an den Rancho wurde so zeitig gemeldet werden, da? sie uns nicht uberrumpeln konnen. Dann empfingen wir sie mit Gewehrfeuer, das ihnen wohl das Wiederkommen verleiden durfte. Von hier, von Danaco, wissen sie ubrigens, da? die Mariquitarer keine Furcht kennen, und sie werden es kaum wagen, uns anzugreifen. Die Reisenden auf dem Strome mussen aber, vorzuglich oberhalb des Cassiquiare, stets strenge Wacht halten, denn die Ufergelande sind dort niemals sicher.
- Uns ist auch schon mitgetheilt worden, bemerkte hierzu Jacques Helloch, da? eine zahlreiche Bande von Quivas jene Gebiete durchstreift.
- Ja, leider! bestatigte der Commissar.
- Man nennt als ihren Anfuhrer sogar einen entsprungenen Strafling.
- Ganz recht, einen hochst gefahrlichen Kerl!
- Da horen wir nun, bemerkte der Sergeant Martial, immer wieder von diesem Strafling reden, der aus dem Bagno von Cayenne entwichen sein soll.
- Aus Cayenne, das stimmt.
- Ist es denn ein Franzose? fragte Jacques Helloch.
- Nein, ein Spanier, der aber in Frankreich verurtheilt worden war, erklarte Herr Manuel.
- Und er hei?t?.
- Alfaniz.
- Alfaniz?. Vielleicht ein angenommener Name? bemerkte Germain Paterne.
- Nein, nein, es scheint sein richtiger Name zu sein.«
Hatte Jacques Helloch in diesem Augenblicke Jorres angesehen, so wurde er jedenfalls erstaunt gewesen sein uber ein Zittern in den Zugen des Mannes, das dieser nicht zu unterdrucken vermochte. Der Spanier ging langsam an der Uferboschung so hin, da? er sich der Gruppe wie zufallig mehr naherte, und, wahrend er verschiedene, auf dem Sande umherliegende Gegenstande auflas, das Gesprach der Herren besser horen konnte.
Jacques Helloch hatte sich aber grade auf einen plotzlichen Aufruf hin umgedreht.
»Alfaniz? hatte der Sergeant Martial, an den Commissar gewendet, gerufen, Sie sagten, Alfaniz?
- Jawohl, Alfaniz.
- O, Sie haben ganz recht. Hier ist von keinem falschen Namen die Rede. es ist der jenes elenden Wichtes.
- Sie kennen diesen Alfaniz? fiel ihm Jacques Helloch, uber diese Erklarung verwundert, lebhaft ins Wort.
- Ob ich ihn kenne! Rede Du, Jean, und erzahle, wie es kam, da? wir von ihm erfuhren. Ich wurde mit meinem schlechten Spanisch nicht weit kommen und Herr Manuel verstande mich am Ende nicht einmal richtig.«
Jean erzahlte nun die Geschichte, die er vom Sergeanten Martial her kannte, eine Geschichte, die der alte Soldat mehrfach vor ihm wiederholt hatte, wenn sie in ihrem Hause in Chantenay von dem Oberst von Kermor sprachen.
Im Jahre 1871, kurz vor dem Ende des unseligen Krieges, wo der Oberst ein Infanterieregiment befehligte, hatte er in einer Diebstahls- und Verrathssache als Zeuge aufzutreten.
Der Dieb war kein andrer als der Spanier Alfaniz gewesen. Der Verrather, der fur den Feind arbeitete, indem er ihm Spionendienste leistete, beging verschiedene Diebstahle im Einverstandnisse mit einem alten Verwaltungssoldaten, der sich der Hinrichtung nur durch einen Selbstmord entzog.
Als Alfaniz seine Schandthaten entdeckt sah, gewann er noch Zeit zu entfliehen, so da? man ihn nicht gleich dingfest machen konnte. Nur durch einen glucklichen Zufall gelang zwei Jahre spater, 1873, seine Verhaftung, die etwa sechs Monate vor dem Verschwinden des Oberst von Kermor erfolgte Vor das Criminalgericht der Untern Loire gebracht und durch die Aussage des Oberst schwer belastet, wurde er hier zu lebenslanglicher Zwangsarbeit verurtheilt. Seit diesem Ausgang der Sache hegte er gegen den Oberst von Kermor den grimmigsten Ha?, einen Ha?, der sich mit den schrecklichsten Drohungen Luft machte in der Erwartung, die Worte einst noch in Thaten ubersetzen zu konnen.
Der Spanier wurde nach dem Bagno von Cayenne gebracht, von wo es ihm nach neunzehn Jahren, 1892, mit zwei seiner Mitgefangenen auszubrechen gluckte. Da er zur Zeit seiner Verurtheilung dreiundzwanzig Jahre alt war, zahlte er jetzt also zweiundvierzig Jahre, und da man ihn als sehr gefahrlichen Verbrecher betrachtete, sendete die franzosische Verwaltung Hascher aus, seine Spur zu verfolgen. Das erwies sich fruchtlos. Alfaniz war es gelungen, uber die Grenzen von Guyana zu fluchten, und in den ausgedehnten, wenig bevolkerten Gebieten, in den ungeheuern Ilanos Venezuelas war gar nicht mehr an die Auffindung seiner Fahrte zu denken.
Die Verwaltung erfuhr uber ihn weiter nichts - und die venezuolanische Polizei glaubte dessen sicher zu sein - als da? er sich an die Spitze einer Quivasbande gestellt habe, die nach ihrer Vertreibung aus Columbia im rechten Ufergebiete des Orinoco hauste. Durch den Tod des Hauptlings Meta Sarrapia's ihres Anfuhrers beraubt, unterwarfen sich die Indianer, die gefurchtetsten aller Eingebornen, willig Alfanizens Befehle, und dieser Rotte von Uebelthatern waren auch die Plunderungen und Metzeleien zuzuschreiben, deren Schauplatz die mittleren Provinzen der Republik seit Jahresfrist gewesen waren.
Das Ungluck wollte es also, da? dieser Alfaniz gerade die Gebiete durchstreifte, in denen Jeanne von Kermor und Sergeant Martial den Oberst von Kermor suchen wollten. Wenn sein Anklager aber ihm in die Hande fiel unterlag es keinem Zweifel, da? der Verbrecher sich ohne alles Mitleid an ihm rachen wurde. Das bildete also fur das junge Madchen zu den vielen andern eine neue Beunruhigung, und die Thranen sturzten ihr aus den Augen bei dem Gedanken, da? der elende, nach Cayenne verbannte Strafling von da hatte entweichen konnen.
Jacques Helloch und Herr Manuel bemuhten sich, ihr beruhigend zuzureden. Wo lag die Wahrscheinlichkeit,