den Ilanos Columbias zu zuruckgezogen hatten. Trotzdem verga?en die Reisenden aber die Empfehlungen des Herrn Manuel Assomption keine Minute und hielten sich immer auf ihrer Hut.
Der Tag ging hin, ohne da? sich ein besondrer Zwischenfall ereignete. Die Piroguen kamen ziemlich schnell vorwarts und gingen von Insel zu Insel, von denen immer die eine gleich auf die andre folgte.
Am Abend legten sie sich an der Spitze der Insel Caricha fest.
Da Windstille eingetreten war erschien es rathsamer. Halt zu machen, als in der Dunkelheit zu den Palancas zu greifen.
Bei einem kurzen Ausflug, den Jacques Helloch und der Sergeant uber das Uferland der Insel unternommen hatten, erlegten sie eines jener Faulthiere, die gern zwischen den Aesten einer Cecropia hocken, deren Blatter ihnen als gewohnliche Nahrung dienen. Darauf nach der Mundung des Rio Caricha zuruckgekehrt, wo ein Paar jener, zur Familie der Chironecten gehorigen, Sarignen auf eigene Rechnung fischten gelang den Jagern noch ein Doppelschu?, der ebenso geschickt als glucklich zu nennen war. Da sich jene Sarignen nur von Fischen nahren, ist ihr Fleisch aber zahe und so thranig, da? selbst die Indianer nichts davon wissen wollen. Sie konnen also keineswegs die Affen ersetzen, die, selbst fur europaische Gaumen, ein wirklich vortreffliches Gericht abgeben.
Dagegen fanden die Chironecten einen freundlichen Empfang bei Germain Paterne, der mit Unterstutzung Parchal's sofort daran ging, sie auszunehmen und zu praparieren, um ihr Fell haltbar zu machen.
Das sich ausschlie?lich von Fruchten nahrende Faulthier wurde gerostet, indem man es in ein mit gluhend hei?en Steinen ausgelegtes Loch steckte, worin es die Nacht uber bleiben sollte. Die Passagiere freuten sich darauf, es zu verspeisen, wenn es am nachsten Tage beim Fruhstucke erschien, und wenn sein Fleisch dann ja etwas zu stark nach Rauch schmeckte, so fanden sich unter den Leuten der Piroguen dafur gewi? immer noch Liebhaber genug. Diese
Indianer waren ja uberhaupt nicht wahlerischer Natur, und als einer von ihnen am namlichen Abende einige Dutzend gro?er, fast einen Fu? langer Regenwurmer mitgebracht hatte, sotten sie diese mit Krautern ab und verzehrten sie mit behaglichem Schmunzeln.
Naturlich wollte Germain Paterne, getreu seinem Grundsatze, Alles womoglich selbst zu prufen, zuerst auch davon kosten. Der Widerwille siegte hier aber doch uber den Wissenstrieb, wenigstens brachte er die »Speise« nur bis an den Rand der Lippen.
»Ich glaubte, Du warest Deiner Wissenschaft inniger ergeben! scherzte Jacques Helloch uber den Widerwillen des Freundes, der mit seinem Naturforscherinstinct ja eigentlich unvereinbar war.
- Ich bitte Dich, Jacques, auch der Opfermuth des Naturforschers hat seine Grenzen! antwortete Germain Paterne, bemuht, nicht merken zu lassen, da? es ihm noch einmalschlimm und ubel wurde.
Am nachsten Tage wurde eiligst aufgebrochen, um einen Morgenwind zu benutzen, der kraftig genug war, die Segel der Falcas zu schwellen. Von jetzt ab sah man auch eine hohe Bergkette die Waldmassen uberragen, die sich am rechten Ufer bis zum Horizont ausdehnten. Es war das Duldogebirge, eines der bedeutendsten dieser Gegenden, das den Reisenden mehrere Tage in Sicht blieb.
Nach vierundzwanzig Stunden einer anstrengenden Fahrt, wahrend der der Wind ofters aussetzte und Regenschauer mit kurzem Aufklaren des Himmels sich ablosten, machten Valdez und Parchal fur die Nacht an der Piedra Pintada Halt.
Dieser »Bemalte Stein« ist nicht mit dem zu verwechseln, den die Reisenden schon bald nach der Abreise von San-Fernando gesehen hatten. Wenn er dieselbe Bezeichnung hat, so ruhrt das daher, da? die Felsen am linken Ufer ahnliche
Spuren von symbolischen Figuren und hieroglyphischen Schriftzeichen aufweisen. In Folge des schon recht niedrigen Wasserstandes waren solche Zeichen auch schon am Fu?e des Gesteins sichtbar, und Germain Paterne konnte sie nach Belieben studieren.
Auch Chaffanjon hatte das gethan; er erwahnt es in seinem Reiseberichte, den die Passagiere unaufhorlich zu Rathe zogen. Hierzu mu? inde? darauf hingewiesen werden, da? ihr Landsmann diesen Theil des Orinoco in der zweiten Halfte des November bereist hatte, wahrend Jacques Helloch und seine Gefahrten schon in der zweiten Halfte des October hier waren. Der Zeitunterschied eines Monats kommt aber durch einen sehr deutlichen Witterungsunterschied in einem Lande zum Ausdruck, wo die trockne Jahreszeit sich sozusagen schroff an die Regenzeit anlehnt.
Der Wasserstand des Flusses war also jetzt noch etwas hoher, als er es nach einigen Wochen sein mu?te, und dieser Umstand sollte die Fahrt der beiden Piroguen begunstigen, denn gerade der Wassermangel wird hier oft zur Ursache der argerlichsten Hindernisse.
Am heutigen Abend rastete die kleine Gesellschaft an der Mundung des Cunucunuma, eines der Hauptzuflusse der rechten Seite. Germain Paterne glaubte nicht fur diesen Nebenflu? Partei ergreifen zu sollen, wie er es fur den Ventuari gethan hatte, und doch ware das hier nicht weniger begrundet gewesen.
»Was nutzte es auch? begnugte er sich zu sagen. Die Herren Felipe und Varinas sind ja nicht zur Stelle und das Gesprach daruber wurde einschlafen.«
Unter andern Verhaltnissen ware Jacques Helloch wohl, mehr eingedenk des erhaltenen Auftrages, dem Beispiele des Landsmanns gefolgt, der ihm auf dem obern Orinoco vorhergegangen war. Vielleicht hatte er mit Parchal und einem seiner Leute den Curiare der »Moriche« bestiegen und gleich Chaffanjon den Lauf des Cunucunuma im mariquitarischen Gebiete funf bis sechs Tage lang naher erforscht; vielleicht ware er schlie?lich auch mit jenem Generalcapitan, dem Schlaukopf Aramare, und seiner Familie, die von dem franzosischen Reisenden aufgesucht und photographiert worden waren, in nahere Beziehung getreten.
Jetzt aber waren die Vorschriften des Ministers des offentlichen Unterrichts einem neuen Ziele, das Jacques Helloch nach Santa-Juana verlockte, geopfert worden. Es drangte ihn, dahin zu kommen, und er hatte sich bittere Vorwurfe gemacht, wenn er die Losung der kindlichen Aufgabe Jeanne's irgendwie verzogert hatte.
Nur zuweilen erinnerte ihn Germain Paterne - nicht um ihm einen Vorwurf zu machen, sondern nur, um das eigene Gewissen etwas zu beruhigen - leichthin an seine, etwas vernachlassigte Aufgabe.
»Ja, ja. es ist schon gut! antwortete dann Jacques Helloch. Was wir auf dem Hinwege versaumten, konnen wir auf dem Ruckwege nachholen.
- Wann denn?
- Nun, Sapperment, wenn wir zuruckkommen. Glaubst Du etwa, wir wurden niemals zuruckkehren?
- Ich?. Ich wei? gar nichts. Wer wei? denn, wohin wir gehen? Wer wei?, was uns da drau?en zusto?t? Angenommen, der Oberst von Kermor wurde uberhaupt nicht gefunden.
- Nun, Germain, dann wird es Zeit sein, an die Ruckfahrt zu denken.
- Mit Fraulein von Kermor?
- Naturlich!
- Nehmen wir aber an, unsre Nachsuchungen gluckten, der Oberst von Kermor wurde aufgefunden und seine Tochter wunschte dann - wie wahrscheinlich - bei ihm zu bleiben, konntest Du Dich dann entschlie?en, umzukehren?
- Umzukehren. wiederholte Jacques Helloch mit einer Betonung, die erkennen lie?, da? ihn solche Fragen in Verlegenheit setzten.
- Allein umzukehren. selbstverstandlich mit mir?
- Gewi?, Germain!
- Na, Jacques, auf dieses »gewi?« mocht' ich nicht so viel bauen.
- Du bist ein kleiner Narr!
- Zugegeben; doch Du. Du bist verliebt, und das ist nur eine andre, nicht weniger unheilbare Narrheit.
- Auch das noch?. Du sprichst da von Dingen.
- Von denen ich kein Jota verstehe. Wei? schon! Doch unter uns, Jacques, wenn ich nichts davon verstehe, so hab' ich doch ein Paar Augen, und ich wei? nicht, warum Du Dich bemuhst, ein Gefuhl zu verheimlichen, das mit Deiner wissenschaftlichen Aufgabe ja nichts gemein hat, und das ich ubrigens ganz naturlich finde.
- Nun ja, alter Freund, gestand Jacques mit einer Stimme, die vor Erregung zitterte, ja, ich liebe dieses junge, so muthige Madchen, und ist es denn etwas Wunderbares, da? die Theilnahme, die sie mir einflo?te, sich entwickelt hat zur. Ja, ich liebe sie, werde sie niemals verlassen! Was daraus werden, wie es enden soll. ich wei? es nicht.
- Gut wird es enden!« antwortete Germain Paterne.
Er glaubte, dieser Versicherung nichts weiter hinzufugen zu sollen, sie brachte ihm aber den warmsten