Handedruck ein, den er von seinem Freunde jemals erhalten hatte.

Es ergiebt sich aus diesen wichtigen Nebendingen, da? es, wenn der Lauf des Cunucunuma jetzt nicht untersucht wurde, recht unsicher war, ob das bei der Ruckkehr der Piroguen nachgeholt wurde. Und doch hatte er es verdient, denn er ist eine bedeutende Wasserader, die eine malerische und reiche Gegend durchzieht. Ihre Mundung hat auch schon eine Breite von zweihundert Metern.

Am nachsten Tage setzten sich die »Gallinetta« und die »Moriche« wieder in Bewegung, und was bei dem Cunucunuma nicht geschehen war, das unterblieb ebenso bei dem Cassiquiare, dessen Mundung noch am Vormittag passiert wurde.

Es handelte sich hier ubrigens um einen der wichtigsten Nebenflusse des gro?en Stromes. Das Wasser, das er diesem durch eine Einbuchtung des Ufers zufuhrt, kommt aus den Abdachungen des Beckens des Amazonenstromes. Das hatte Humboldt erkannt, und schon vor ihm hatte der Naturforscher Solano sich uberzeugt, da? zwischen den beiden Becken erst durch den Rio Negro und weiterhin durch den Cassiquiare eine Verbindung bestand.

Gegen 1725 war der portugiesische Kapitan Moraes, als er den Rio Negro bis unterhalb San-Gabriel, am Einflusse des Guairia, hierauf diesen bis San-Carlos befuhr und von hier aus auf den Cassiquiare uberging, auf dem Orinoco herausgekommen, nachdem er auf diese Weise das venezuelo-brasilianische Gebiet durchschifft hatte.

Entschieden verdiente der Cassiquiare die Untersuchung eines Sachverstandigen, obgleich seine Breite hier kaum vierzig Meter ubersteigt. Die Piroguen setzen jedoch ihren Weg stromaufwarts fort.

In diesem Theile des Stromes ist das rechte Ufer sehr uneben. Ohne von der Duidokette zu sprechen, die sich, von undurchdringlichen Waldern bedeckt, am Horizonte hinzieht, bilden die Guaaco-Cerros eine naturliche Boschung, uber die der Blick weit uber die Ilanos zur Linken schweifen kann, die von dem gewundenen und abwechslungsreichen Cassiquiare durchfurcht werden.

Die Falcas kamen also bei recht ma?igem Winde vorwarts, so da? sie die Stromung bisweilen nur mit Muhe uberwanden. Da machte Jean, kurz vor Mittag, auf eine niedrige, dichte Wolke aufmerksam, die sich uber die Savanne hinzuziehen schien.

Parchal und Valdez betrachteten diese Wolke, deren schwere, dunkle Masse sich nach dem rechten Ufer zu heranwalzte.

Auf dem Vordertheil der »Gallinetta« stehend, blickte auch Jorres nach der namlichen Richtung hinaus und sachte sich die Ursache der Erscheinung zu entrathseln.

»Das ist eine Staubwolke«, sagte Valdez.

Parchal theilte diese Anschauung.

»Wer kann den Staub aber aufwirbeln? fragte der Sergeant Martial.

- Vielleicht eine marschierende Truppe, antwortete Parchal.

- Dann mu?te sie aber zahlreich sein, bemerkte Germain Paterne.

- Freilich, sehr zahlreich!« setzte Valdez hinzu.

Nur noch zweihundert Meter vom Ufer, zog die Wolke jetzt sehr schnell heran. Dann und wann zerri? sie ein wenig, und man sah dann durch solche Spalten scheinbar rothliche Massen sich fortbewegen.

»Sollte das eine Bande Quivas sein? rief Jacques Helloch.

- In diesem Falle, erwiderte Valdez, mu?ten wir die Piroguen aus Vorsicht nach dem linken Ufer hinuberfuhren.

- Aus Vorsicht, ja, stimmte Valdez zu, und ohne einen Augenblick zu zogern!«

Sofort wurde der betreffende Befehl ertheilt. Die Mannschaften zogen die Segel ein, da diese die Falcas auf dem Wege schrag uber den Strom nur gehindert hatten, und auf die Palancas gestemmt, trieben sie die »Gallinetta«, die der »Moriche« vorausfuhr, nach dem linken Ufer.

Jorres war ubrigens, nachdem er die Staubwolke aufmerksam betrachtet hatte, an seinen Platz zuruckgekehrt und hatte ohne ein Zeichen von Unruhe eine Pagaie ergriffen.

Wenn der Spanier aber nicht unruhig war, hatten die Reisenden doch alle Ursache, es zu sein, wenn sie hier von einem Ueberfall durch Alfaniz und seine Indianer bedroht waren. Von diesen Raubgesellen war keine Schonung zu erwarten. Zum Gluck aber mu?ten die Piroguen, da jene keine Mittel hatten, uber den Strom zu setzen, vorlaufig und so lange sie sich am linken Ufer hielten, gegen einen Angriff geschutzt sein.

Hier angelangt, legten sie Valdez und Parchal an Baumstumpfe des steilen Ufers fest, und die Passagiere bereiteten sich, ihre Waffen fertig haltend, fur den schlimmsten Fall auf die Abwehr vor.

Die dreihundert Meter der Breite des Orinoco gingen nicht uber die Schu?weite der Gewehre hinaus.

Man brauchte nicht lange zu warten. Die Staubwolke wirbelte jetzt kaum zwanzig Meter vom Ufer daher. Daraus tonte Geschrei hervor, oder vielmehr ein charakteristisches Brullen, uber das sich niemand tauschen konnte.

»O, da ist nichts zu furchten! rief Valdez. Das ist ja nur eine Herde Rinder!

- Valdez hat Recht, bestatigte Parchal. Aus dem Staube tauchen einige tausend Thiere hervor.

- Und verursachen allen diesen Heidenlarm!« setzte der Sergeant Martial hinzu.

Der betaubende Larm ruhrte in der That von dem Gebrull dieser lebenden Fluthwelle her, die uber die Flachen der Ilanos daherrollte.

Jean, den Jacques Helloch bestimmt hatte, im Deckhause der »Gallinetta« Schutz zu suchen, trat wieder heraus, um den Durchzug einer Viehherde durch den Orinoco mit anzusehen.

Solche Wanderungen von Rindern sind auf dem Gebiete Venezuelas nichts Seltnes. Die Eigenthumer der Thiere mussen wohl oder ubel den Anforderungen der trocknen und der nassen Jahreszeit Rechnung tragen. Wenn es in den hoher gelegenen Landstrecken an Gras zu fehlen beginnt, macht es sich nothig, Weideplatze auf den niedriger gelegenen Ebenen in der Nachbarschaft des Stromes aufzusuchen, wobei mit Vorliebe die Thalgrunde gewahlt werden, die bei Hochwasser Ueberschwemmungen ausgesetzt sind und darauf einen desto uppigeren Pflanzenwuchs zeigen. Graser aller Art bieten den Thieren dann auf der ganzen Ausdehnung der Esteros eine ebenso reichliche wie ausgezeichnete Nahrung.

Die Ilaneros mussen also mit ihrem Thierbestand zeitweilig auswandern, und wo sie auf einen Wasserlauf, einen Flu?, Rio oder Bayou treffen, wird er schwimmend uberschritten.

Jacques Helloch und seine Gefahrten sollten jetzt dem interessanten Schauspiele beiwohnen, ohne von diesem Tausende von Kopfen zahlenden Haufen von Wiederkauern etwas zu furchten zu haben.

Am Ufer angelangt, blieben die Rinder zunachst stehen. Da verdoppelte sich aber der Larm, denn die letzten Reihen drangten die ersten widerstandslos weiter, wahrend diese anfanglich zauderten, in den Strom zu springen.

Sie wurden dazu aber schlie?lich durch den ihnen vorausgehenden Cabestero gezwungen.

Das ist namlich der Schwimmmeister, erklarte Valdez Er wird sein Pferd mitten in den Strom treiben und die Thiere folgen ihm dann nach.«

In der That sturzte sich der Cabestero mit raschem Sprung uber das abfallende Ufer hinunter. Einige Kuhhirten, denen ein Fuhrer vorausging, welcher eine Art wilder Hymnen, ein »Vorwarts!« von seltsamem Rhythmus anstimmte, schwammen voran. Nun sturzte sich auch die Herde in den

Strom, auf dessen Flache man nur noch die Kopfe mit den langen, geschweiften Hornern sah wahrend die machtigen Nasenlocher gerauschvoll schnauften.

Bis zur Mitte des Strombettes vollzog sich der Uebergang ohne Schwierigkeit, trotz der Stromung, und man konnte annehmen, da? er unter der Leitung des Schwimmmeisters und dank der Geschicklichkeit der Fuhrer auch ohne Unfall durchgefuhrt wurde.

Es sollte aber anders kommen.

Plotzlich entstand eine auffallende Bewegung unter den schwimmenden Thieren, als sich noch mehrere Hunderte etwa zwanzig Meter vom Ufer entfernt befanden. Auch laute Ausrufe der Kuhhirten mischten sich unter das Gebrull der Rinder. Es schien, als ob die ganze Masse von Schrecken gepackt ware, dessen Ursache nicht erkenntlich war.

»Die Cariben!. Die Cariben! riefen da die Leute von der »Moriche« und der »Gallinetta«.

- Die Cariben? wiederholte Jacques Helloch.

- Ja, bestatigte Parchal, das verschulden Cariben und Parayos!«

Offenbar war die Herde zwischen eine gro?e Anzahl jener furchtbaren Zitterrochen und elektrischen Aale gerathen, die es in den Wasserlaufen Venezuelas zu Millionen giebt.

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