den Herrn des Hauses.
- Niemals ist ein solcher Name an mein Ohr gedrungen.
- Und Sie waren doch, fragte Germain Paterne, auch schon vor zwolf Jahren in Danaco ansassig?
- Nein, zu jener Zeit wohnten wir noch im Sitio von Guachapana; es ist aber nichts davon zu unsrer Kenntni? gekommen, da? man dort von der Ankunft eines Oberst von Kermor gesprochen hatte.
- Und doch kann man, warf der Sergeant Martial ein, der von diesem Gesprach genug verstand, um sich daran zu betheiligen, zwischen San-Fernando und Santa-Juana keinen andern Weg einschlagen, als den auf dem Orinoco?
- Das ist wenigstens der bequemste und der kurzeste, antwortete Herr Manuel. Der Reisende setzt sich dabei weniger Gefahren aus, als wenn er durch die von Indianern bewohnten
Gebiete im Innern ginge. Hat sich der Oberst von Kermor nach den Quellen des Stromes begeben, so ist er diesen ebenso hinausgefahren, wie Sie es vorhaben.«
Als er sich in dieser Weise au?erte, zeigte Manuel Assomption doch, da? die Sache auch ihm nicht ganz gewi? erschien. Es war ja zu auffallend, da? der Oberst von Kermor, als er sich nach Santa-Juana begab, bei seiner Fahrt auf dem Orinoco von San-Fernando aus gar keine Spuren hinterlassen hatte.
»Haben Sie, Herr Manuel, fragte da Jacques Helloch, die Mission jemals besucht?
- Nein; nach Osten zu bin ich nie uber die Mundung des Cassiquiare hinausgekommen.
- Oder haben Sie gelegentlich von Santa-Juana reden horen?
- Ja, als von einer Niederlassung, die dank der Arbeitsfreudigkeit ihres Chefs recht gut aufbluhen soll.
- Sie kennen den Pater Esperante nicht?
- O doch. ich hab ihn einmal gesehen. vor etwa drei Jahren. Er war in Angelegenheiten der Mission den Flu? heruntergekommen und hat sich damals einen Tag in Danaco aufgehalten.
- Was fur ein Mann ist es, dieser Missionar?« fragte der Sergeant Martial.
Der Commissar entwarf von dem Pater Esperante ein Bild, das ganz den Aussagen des Spaniers Jorres entsprach. Es war also sicher, da? dieser, wie er damals behauptete, den Missionar in Caracas getroffen hatte.
»Und seit seinem Erscheinen in Danaco, fuhr Jean fort, haben Sie mit dem Pater Esperante in keinerlei Verbindung gestanden?
- Nein, niemals, erklarte Herr Manuel. Wiederholt hab' ich dagegen von Indianern, die aus dem Osten kamen, gehort, da? Santa-Juana sich Jahr fur Jahr vergro?ere. Es ist ein lobenswerthes Liebeswerk, dem sich jener Missionar zu Ehren der Menschheit widmet.
- Gewi?, Herr Commissar, lie? sich Jacques Helloch vernehmen, und es ehrt auch das Land, das solche Manner hervorbringt. Ich bin uberzeugt da? wir beim Pater Esperante den besten Empfang finden werden.
- Ganz zweifellos, erwiderte Herr Manuel, er wird Sie aufnehmen, als ob Sie seine Landsleute waren. Derselbe Empfang hatte des Herrn Chaffanjon gewartet, wenn dieser je nach Santa-Juana gekommen ware.
- Und mochte uns dort, setzte Jean hinzu, endlich Nachricht werden, die uns auf die Spuren meines Vaters fuhrte!«
Am Nachmittage mu?ten die Gaste des Commissars dessen Rancho besuchen, seine gut bearbeiteten Felder und wohl unterhaltenen Anpflanzungen besichtigen und seine Walder -worin er gegen die so schadlichen Affen einen unausgesetzten Vernichtungskrieg fuhrte - sowie die von weidenden Herden bevolkerten Wiesengrunde durchstreifen.
Eben jetzt war die Kautschukernte in vollem Gange - dieses Jahr etwas vorzeitig, denn gewohnlich beginnt sie erst im November und dauert dann bis Ende Marz.
»Wenn es fur Sie Interesse hat, meine Herren, sagte daruber Herr Manuel, so zeige ich Ihnen morgen, wie es bei dieser Ernte zugeht.
- Es wird uns ein gro?es Vergnugen bereiten, versicherte Germain Paterne, und ich hoffe, dabei zu lernen.
- Unter der Bedingung, da? Sie sehr fruhzeitig aufstehen, fiel ihm der Commissar ins Wort. Meine Gomeros gehen mit Tagesanbruch an die Arbeit.
- Wir werden sie nicht warten lassen, verlassen Sie sich darauf, erklarte Germain Paterne. Dir pa?t es doch, Jacques?
- Ich werde zur richtigen Zeit bereit sein, versprach Jacques Helloch. Und Sie, lieber Jean?
- Ich werde diese Gelegenheit nicht verfehlen, antwortete Jean, und wenn mein Onkel etwa noch schliefe.
- So wirst Du mich wecken, lieber Neffe, ja ich erwarte bestimmt, da? Du mich dann weckst! fiel der Sergeant Martial ein. Da wir einmal ins Land des Kautschuks gekommen sind, ist es nur recht und billig, auch kennen zu lernen.
- Wie man das Gummi elasticum gewinnt, Sergeant, das Gummi elasticum!« rief Germain Paterne.
Damit ging es endlich nach der Wohnung zuruck, nach einem Spaziergange, der den ganzen Nachmittag gedauert hatte.
Das Abendessen versammelte die Gaste des Commissars wieder an der Tafel. Das Gesprach dabei drehte sich in der Hauptsache um die Reise und deren Zwischenfalle seit der Abfahrt von Caicara, um die Massenwanderung der Schildkroten und das Auftreten des Chubasco, wodurch die Piroguen und das Leben der Passagiere so ernstlich gefahrdet worden waren.
»Diese Chubascos sind in der That entsetzlich, sagte Herr Manuel, und auch der obere Orinoco bleibt davon nicht verschont. Was die Einfalle von Schildkroten angeht, so haben wir solche in unserm Landestheile nicht zu befurchten, denn hier finden sich keine geeigneten Strandflachen zum Ablegen der Eier, und jene Thiere trifft man nur vereinzelt an.
- O, sagen Sie ihnen nichts Schlechtes nach! meldete sich Germain Paterne. Ein richtig zubereiteter Sancocho von Schildkroten ist etwas Ausgezeichnetes. Nur durch diese Thiere und - wer mochte es glauben? - durch die Affen ist einem bei der Fahrt auf Ihrem Strome eine leckere Mahlzeit ermoglicht.
- Das ist ja richtig, stimmte der Commissar zu. Doch um auf die Chubascos zuruckzukommen, so huten Sie sich davor, meine Herren. Sie treten ebenso plotzlich und ebenso heftig oberhalb wie unterhalb San-Fernandos auf, und Herrn Helloch, lieber Herr Jean, sollte besser nicht zum zweitenmale die Gelegenheit, Sie zu retten, geboten werden.
- Ganz recht. ganz recht! rief der Sergeant Martial, der diesen Gesprachsgegenstand nicht sonderlich liebte. Wir werden auf die Chubascos achten, Herr Commissar, wir werden sie schon uberwachen!«
Da schlug Germain Paterne ein andres Thema an und sagte:
»Haben wir denn unsre Reisegefahrten schon so ganzlich vergessen, da? wir Herrn Manuel gegenuber gar nicht von ihnen reden?
- Wahrhaftig, antwortete Jean, den ehrenwerthen Herrn Miguel. und die Herren Felipe und Varinas.
- Wer sind die Herren, die Sie eben nannten? erkundigte sich der Commissar.
- Drei Venezuolaner, mit denen wir die Fahrt von Ciudad-Bolivar nach San-Fernando zusammen gemacht haben.
- Einfache Reisende? fragte Herr Manuel.
- Und auch Gelehrte, erklarte Germain Paterne.
- Und was wissen sie, die gelehrten Herren?
- Sie wurden besser thun, zu fragen, was sie nicht wissen, bemerkte Jacques Helloch.
- Nun, was wissen sie denn nicht?
- Sie wissen nicht, ob der Strom, woran Ihr Rancho liegt, der Orinoco ist.
- Alle Wetter, rief Herr Manuel, sie erkuhnten sich, das zu bezweifeln?
- Der eine, Herr Felipe, behauptet, da? der eigentliche Orinoco dessen Nebenflu?, der Atabapo, sei, und der andre, Herr Varinas, halt den Guaviare fur den richtigen Hauptstrom.
- Das ist ja die reine Frechheit! polterte der Commissar hervor. Sapperment, der Orinoco sollte nicht der Orinoco sein!«
Er war wirklich wuthend, der wurdige Herr Manuel Assomption, und seine Gattin wie seine beiden Sohne theilten seinen Ingrimm. Ihre Eigenliebe war tief verletzt in dem, was ihrem Herzen am nachsten lag, in ihrem Orinoco, d. h. dem »Gro?en Wasser« oder - in der Tamanaquensprache - dem »Konige der Strome«.
Jetzt mu?te nun naher erklart werden, was Herr Miguel und seine beiden Collegen in San-Fernando