Reise bestreiten zu konnen. Er hatte sich auch mit einer gewissen Menge von Tauschgegenstanden versorgt, wie mit Stoffen, Messern, Spiegeln, Glas- und Kunstwaaren, sowie mit andern hubschen Sachen von geringem Werthe, die den Verkehr mit den Indianern der Ilanos erleichtern helfen sollten. Der ganze Vorrath fullte zwei Kisten, die mit dem ubrigen Gepack in der Cabine des Onkels neben der seines Neffen standen.
Sein Buch vor den Augen, verfolgte Jean gewissenhaft die beiden Stromufer, die sich entgegengesetzt der Richtung des »Simon Bolivar« scheinbar dahin bewegten. Sein Landsmann hatte bei jener Fahrt die Reise freilich unter ungunstigeren Umstanden, namlich in einem, oft nur durch Ruder fortbewegten Segelschiffe zurucklegen mussen, wahrend jetzt Dampfboote bis zur Apuremundung verkehren. Von hier aus mu?ten sich der Sergeant Martial und Jean inde? ebenfalls mit derselben unvollkommenen Beforderungsmethode begnugen, da der Strom gar zu viele Hindernisse bietet, die den Reisenden arge Unbequemlichkeiten verursachen.
Noch am fruhen Morgen kam der »Simon Bolivar« in Sicht der Insel Orocopiche voruber, deren Bodenerzeugnisse die Hauptstadt der Provinz reichlich mit dem Nothigsten versehen. Hier engt sich das Bett des Orinoco bis auf neunhundert Meter ein, verbreitert sich aber ein wenig stromaufwarts wieder um das Dreifache. Von dem Oberdeck aus konnte Jean die umgebenden, nur von isolierten Cerros unterbrochenen Ebenen auf weite Strecken hm ubersehen.
Im Laufe des Vormittags vereinigten sich die Passagiere - im Ganzen etwa zwanzig - zum Fruhstuck im Salon, wo Herr Miguel und seine beiden Collegen die ersten waren, die ihre Platze einnahmen. Der Sergeant Martial lie? sich jedoch kaum uberholen; er schleppte dabei auch seinen Neffen mit sich, auf den er in so barschem Tone sprach, da? es Herrn Miguel gar nicht entgehen konnte.
»Ein recht barbei?iger Kerl, dieser Franzose, bemerkte er gegen den neben ihm sitzenden Herrn Varinas.
- O, ein Soldat, das sagt ja Alles!« erwiderte der Vertheidiger des Guaviare.
Das Auftreten des alten Unterofficiers war eben militarisch genug, da? niemand daruber in Zweifel bleiben konnte.
Der Sergeant Martial hatte sich schon vor dem Fruhstuck »die Kehle geputzt«, indem er einen Anisado, einen Branntwein aus Zuckerrohr und mit Anis vermischt, verschluckte. Jean, der solche starke Getranke nicht zu lieben schien, bedurfte keines derartigen Reizmittels, um der Mahlzeit alle Ehre anzuthun. Er hatte neben seinem Onkel am Ende des Salons Platz genommen, und der Gesichtsausdruck des Brummbars war so absto?end, da? niemand versucht wurde, sich an seine Seite zu setzen.
Die Geographen nahmen die Mitte der Tafel ein und fuhrten daran auch das Wort. Da es bekannt war, in welcher Absicht sie diese Reise unternommen hatten, interessierten sich die andern Fahrgaste naturlich fur alles, was die Herren sagten, und selbst der Sergeant Martial schien nichts dagegen zu haben, da? sein Neffe ihren Worten lauschte.
Die Speisekarte enthielt zwar mancherlei Gerichte, doch nur von geringer Gute; auf den Dampfern des Orinoco darf man inde? keine hohen Anspruche machen. Immerhin ware es gewi? wunschenswerth gewesen, wahrend der Fahrt auf dem Oberlaufe des Stromes solche Bistecas zu haben - obgleich diese von einem Kautschukbaume herzuruhren schienen -solche Ragouts, die in safrangelber Sauce schwammen, solche Eier, wenn sie auch so hart waren, da? man sie hatte an den Bratspie? stecken konnen, oder solch aufgewarmtes Geflugel, das nur durch sehr langes Kochen einigerma?en weich geworden war. Von Fruchten gab es unter andern Bananen in Ueberflu?, entweder im Naturzustande oder durch Einlegen in Melissesyrup zu einer Art Consiture verwandelt. Ferner recht gutes Brod, naturlich Maisbrod, selbst Wein, doch leider nur recht theuern und schlechten.
Das war also das Almerzo, das Fruhstuck, das ubrigens recht schnell erledigt wurde.
Am Nachmittag kam der »Simon Bolivar« an der Insel Bernavelle vorbei. Zahlreiche Inseln und Eilande verengten hier das Bett des Orinoco, und das Rad mu?te mit doppelter Kraft arbeiten, um die heftige Stromung zu uberwinden. Der Kapitan erwies sich dabei so geschickt in der Fuhrung des Schiffes, da? er gewi? auch durch diese gefahrlicheren Stellen glucklich hindurch kam.
An der linken Seite zeigte sich das Ufer jetzt von vielen Buchten mit dichtbewaldeten Abhangen zerrissen, vorzuglich jenseits von Almacens, einem kleinen Dorfe mit nur drei?ig Bewohnern, das noch ganz so aussah, wie es Chaffanjon acht Jahre fruher gesehen hatte. Hier und da rauschten kleine Abflusse, wie der Bari, der Lima und andre herab. Ihre Mundungen umrahmten Haine von Coniferen, deren durch einfache Einschnitte gewonnenes Oel einen begehrten Artikel bildet, oder eine Anzahl Mauritiuspalmen. Auf allen Seiten aber tummelten sich ganze Gesellschaften von Affen, deren Fleisch die Bistecas des Fruhstucks, die bei der Mittagstafel wieder erscheinen sollten, bei weitem ubertrifft.
Es sind ubrigens nicht allein Inseln, die die Schifffahrt auf dem Orinoco schwierig gestalten; der Strom ist da und dort auch von gefahrlichen Rissen unterbrochen, die mitten im Fahrwasser steil emporstarren. Dem »Simon Bolivar« gluckte es jedoch, jeden Zusammensto? zu vermeiden, und gegen Abend legte er nach einer Fahrt von funfundzwanzig bis drei?ig Lieues bei dem Dorfe Moitaco an.
Hier sollte bis zum nachsten Morgen Halt gemacht werden, da es nicht rathsam schien, in der Nacht, die bei einer dichten Wolkendecke und dem Fehlen des Mondes sehr finster werden mu?te, weiter zu fahren.
Um nenn Uhr glaubte der Sergeant Martial die Zeit zum Niederlegen gekommen, und Jean versuchte es gar nicht, dem Wunsche seines Onkels entgegenzutreten.
Beide zogen sich also nach ihren, im zweiten Stockwerke des Aufbaues gelegenen Cabinen zuruck. Diese enthielten jede eine sehr einfache Lagerstatte mit einer leichten Decke und eine jener Matten, die man hier Esteras nennt - ubrigens genug Bettzeug fur die warme Tropengegend.
Der junge Mann betrat seine Cabine, legte die Kleider ab und begab sich zu Bett, worauf der Sergeant Martial noch den »Toldorahmen«, ein mit Musselin bespanntes Gestell, in Ordnung brachte, das man wegen der blutdurstigen Insecten des Orinoco hier gar nicht entbehren kann. Er wollte keinem einzigen dieser verwunschten Muskitos gestatten, die Haut seines Neffen zu belastigen. Mit seiner mochte das so hingehen, denn sie war so dick und lederartig, da? Insecten ihr nicht viel anhaben konnten, und wenn sie es doch versucht hatten, wurde er sich ihrer schon zu erwehren wissen.
Auf diese Weise geschutzt, schlummerte Jean ruhig bis zum fruhen Morgen, trotz der Myriaden von Blutsaugern, die seinen Toldo umschwarmten.
In den ersten Morgenstunden setzte sich der »Simon Bolivar«, dessen Kesselfeuer man auch in der Nacht unterhalten hatte, wieder in Bewegung, nachdem die Manschaft das in den benachbarten Waldern gefallte Holz herangeschafft und auf dem Vorderdeck aufgeschichtet hatte.
Der Landungsplatz des Dampfers befand sich in einer der beiden Buchten zur Rechten und zur Linken von Moitaco. Sobald er aus dieser Bucht hinaus war, verschwand auch schon die Gruppe hubscher Hauschen - fruher ein wichtiger Mittelpunkt der spanischen Mission - hinter einer Biegung des Flusses. In diesem Dorfe hatte Chaffanjon vergeblich nach dem Grabe eines der Begleiter des Doctor Crevaux, des Francis Burban - einem Grabe, das auf dem bescheidnen Friedhof von Moitaco nicht mehr nachzuweisen war - gesucht.
Im Laufe des Tages passierte der Dampfer den Weiler Santa-Cruz, ein Hauschen von zwanzig Hutten am Stromufer, ferner die Insel Guanares, den ehemaligen Sitz der Missionare, fast genau an der Stelle, wo der Bogen des Flusses sich nach Suden zu wendet, um dann nach Westen zu weiter zu gehen, und endlich die Insel Muerto.
Hierbei mu?ten verschiedene Raudals - so nennt man die durch die Verengerung des Flu?bettes erzeugten Stromschnellen - uberwunden werden. Was aber den Leuten auf den durch Ruder oder Segel fortbewegten Fahrzeugen viel Anstrengung kostet, das kostete auf dem »Simon Bolivar« nur eine Vermehrung des Brennmaterials unter den Kesselrosten. Die Sicherheitsventile bliesen Dampf ab, wurden deshalb aber nicht besonders belastet. Das gro?e Rad peitschte das Wasser heftiger mit seinen breiten Schaufeln. Unter solchen Verhaltnissen konnten drei oder vier dieser Raudals ohne gro?ere Verzogerung durchschifft werden sogar der des »Hollenrachens«, auf den Jean stromaufwarts von der Insel Matapalo hinwies.
»Sapperment, meinte der Sergeant Martial, das Buch dieses Franzosen scheint ja alles genau anzugeben, was wir bei der Fahrt des »Simon Bolivar« zu sehen bekommen!
- Ganz genau, lieber Onkel. Nun legen wir binnen vierundzwanzig Stunden dieselbe Strecke zuruck, fur die unser Landsmann damals drei bis vier Tage brauchte.
Wenn wir freilich den Dampfer erst gegen ein Fahrzeug des mittleren Orinoco vertauscht haben, wird es mit uns ebenso langsam weiter gehen, wie mit ihm. Doch das thut nichts; uns liegt ja nur daran, nach San Fernando zu kommen, wo ich genauere Auskunft zu erhalten hoffe.
- Gewi?; es ist doch gar nicht moglich, da? mein Oberst da hindurch gekommen ware, ohne irgend welche