Magister hat sich erboten, die Pergamente von Sainte-Mere zu sichten und zu ordnen, zum Wohle der Monche.« »Hat er das?« sagte Sir Daniel nachdenklich. »Ich frage mich, warum.« »Ich hatte nicht die Zeit, ihn zu fragen, bevor Lord Olivers Manner den Klosterfrieden storten.«

»Nun, der Magister wird ja bald hier sein«, sagte Sir Daniel. »Und dann wird Lord Oliver selbst ihm diese Fragen stellen...« Er runzelte die Stirn, ganz offensichtlich bereitete dieser Gedanke ihm Unbehagen.

Der alte Mann drehte sich abrupt zu einem Jungen von neun oder zehn

Jahren um, der hinter ihm stand. »Bring Squire Christopher in meine

Gemacher, damit er sich baden und saubern kann.«

Claire warf dem alten Mann einen scharfen Blick zu. »Onkel,

durchkreuzt meine Plane nicht.«

»Habe ich das je getan?«

»Ich wei?, da? Ihr es versucht habt.«

»Mein liebes Kind«, sagte er, »meine einzige Sorge gilt Eurer Sicherheit — und Eurer Ehre.«

»Und meine Ehre, Onkel, ist noch nicht verpfandet.« Damit stellte sie sich kuhn vor Chris, legte ihm den Arm um den Hals und sah ihm in die Augen. »Ich zahle jede Minute, die Ihr nicht bei mir seid, und ich werde Euch vermissen von ganzem Herzen«, sagte sie sanft und mit zartlichem Blick. »Kehrt bald zu mir zuruck.«

Sie streifte mit ihren Lippen seinen Mund und loste sich dann widerstrebend von ihm, wobei sie die Finger kurz an seinem Hals verweilen lie?. Benommen starrte Chris ihr in die Augen, sah, wie wunderschon —

Sir Daniel rausperte sich und wandte sich dem Jungen zu. »Sei Squire Christopher zu Diensten und hilf ihm bei seinem Bad.« Der Junge verbeugte sich vor Chris. Jeder im Zimmer schwieg, und das war offensichtlich ein Wink, da? er gehen sollte. Er nickte und sagte: »Ich danke Euch.« Verwunderte Blicke kamen diesmal keine; anscheinend hatten sie verstanden, was er gesagt hatte. Sir Daniel gewahrte ihm ein frostiges Nicken, und Chris verlie? das Zimmer.

Die Pferde polterten uber die Zugbrucke. Der Professor starrte geradeaus und ignorierte die Soldaten seiner Eskorte. Die Wachen am Burgtor hoben kaum den Kopf, als die Gruppe in die Burg einritt. Dann war der Professor nicht mehr zu sehen.

Kate, die neben der Zugbrucke stand, fragte: »Was machen wir jetzt? Sollen wir ihm folgen?«

Marek antwortete nicht. Kate drehte sich zu ihm um und sah, da? er gebannt zwei Ritter auf Pferden anstarrte, die auf der Wiese vor der Burg mit Breitschwertern kampften. Es schien eine Demonstration oder ein Ubungskampf zu sein, denn die Ritter waren umringt von einem Kreis junger Manner in Livree - einige in leuchtendem Grun, die anderen in Gelb und Gold, offensichtlich die Wappenfarben der beiden Ritter. Auch hatte sich eine gro?e Menge Zuschauer versammelt, die lachten und den Rittern Beleidigungen oder Aufmunterungen zuriefen. Die Pferde bewegten sich in so engen Kreisen, da? sie sich fast beruhrten und ihre gepanzerten Reiter immer wieder von Angesicht zu Angesicht aufeinandertrafen. Wieder und wieder krachten die Schwerter in der Morgenluft aufeinander. Marek sah ihnen reglos zu.

Sie tippte ihm auf die Schulter. »Hor mal, Andre, der Professor-«

»Gleich.«

»Aber —«

»Gleich.«

Zum ersten Mal empfand Marek eine gewisse Unsicherheit. Bis jetzt hatte er in dieser Welt nichts Unerwartetes gesehen, alles hatte seinem Bild dieser Zeit entsprochen. Das Kloster war genau so, wie er es erwartet hatte. Die Bauern auf dem Feld waren genau so, wie er sie erwartet hatte. Die Turniervorbereitungen waren genau so, wie er sie erwartet hatte. Und als er die Stadt von Castelgard betrat, fand er sie genau so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Kate war entsetzt gewesen uber den Fleischer auf dem Kopfsteinpflaster und uber den Gestank aus den Fassern der Gerber, doch Marek nicht. Es war alles genau so, wie er es sich seit Jahren vorgestellt hatte.

Aber das nicht, dachte er, wahrend er den Rittern beim Kampfen zusah. Es ging so schnell. Die Ritter bewegten ihre Schwerter so rasch und so unablassig, und sie versuchten im Ab- wie im Aufschwung zu treffen, so da? das Ganze eher aussah wie ein Degenduell als wie ein Schwertkampf. Beinahe im Sekundenabstand krachten die Schwerter aufeinander. Und es gab kein Zogern und keine Pause. Marek hatte sich immer vorgestellt, da? diese Kampfe wie in Zeitlupe abliefen: Manner in hemmenden Rustungen schwangen Schwerter, die so schwer waren, da? jeder Hieb eine Anstrengung bedeutete und seine Wucht den Schlagenden fast von den Beinen ri?, so da? er vor dem nachsten innehalten mu?te. Er hatte Berichte daruber gelesen, wie erschopft die Manner nach einer Schlacht gewesen waren, und er hatte das auf langanhaltende, aber langsame Kampfe in schwerem, behinderndem Stahl zuruckgefuhrt.

Diese Krieger waren gro? und kraftig in jeder Hinsicht. Ihre Pferde waren riesig, und sie selbst schienen uber einen Meter achtzig gro? und extrem stark zu sein.

Marek hatte sich nie tauschen lassen von der geringen Gro?e der Rustungen in Museen — er wu?te, da? jede Rustung, die ihren Weg in ein Museum fand, eine zeremonielle gewesen war und nie bei etwas Gefahrlicherem als einer mittelalterlichen Parade getragen worden war. Marek vermutete au?erdem, auch wenn er es nicht beweisen konnte, da? ein Gro?teil der Rustungen, die die Zeit uberdauert hatten — meist reich geschmuckt, ziseliert und getrieben -, reine Ausstellungsstucke gewesen waren, die der Handwerker in zwei Dritteln der Originalgro?e hergestellt hatte, um seine Fingerfertigkeit und die Feinheit seiner Entwurfe zu demonstrieren.

Wirkliche Kampfrustungen hatten die Jahrhunderte nicht uber-dauert. Und er hatte genugend Quellen studiert, um zu wissen, da? die beruhmtesten Krieger des Mittelalters immer kraftige Manner gewesen waren - gro?, muskulos und ungewohnlich stark. Sie stammten aus dem Adel; sie waren besser genahrt und deshalb kraftig. Er hatte gelesen, wie sie trainierten und Spa? daran fanden, ihre Krafte den Damen zu demonstrieren.

Und doch hatte er nicht im entferntesten etwas dergleichen erwartet: Diese Manner kampften wild, schnell und ununterbrochen, und es sah aus, als konnten sie den ganzen Tag so weitermachen. Keiner lie? das geringste Anzeichen von Erschopfung erkennen; sie schienen die Anstrengung eher zu genie?en.

Wahrend Marek ihre Aggressivitat und Schnelligkeit beobachtete, erkannte er, da? er, wenn es an ihm ware, genauso kampfen wurde: schnell und mit genugend Ausdauer und Kraftreserven, um den Gegner zu ermuden. Da? er sich einen langsameren Kampfstil vorgestellt hatte, war nichts als das Resultat des Vorurteils, die Manner der Vergangenheit waren schwacher oder langsamer oder weniger einfallsreich gewesen als er, ein moderner Mann. Marek wu?te, da? diese Anma?ung der Uberlegenheit des zeitgenossischen Menschen ein Problem war, dem sich jeder Historiker stellen mu?te. Er hatte nur nicht gedacht, da? auch er dieser Anma?ung schuldig sei.

Doch offensichtlich war er es.

Er brauchte eine Weile, bis er im Larm der Menge erkannte, da? die Kampfenden in einer so erstklassigen korperlichen Verfassung waren, da? sie noch Atem zum Schreien ubrig hatten, denn zwischen den Hieben riefen sie einander Beleidigungen und spottische Bemerkungen zu.

Und dann sah er, da? es keine stumpfen Schwerter waren, sondern richtige Kampfschwerter mit rasiermesserscharfen Schneiden. Dennoch war es offensichtlich, da? sie einander nichts tun wollten. Dies war nur eine amusante Aufwarmubung fur das bevorstehende Turnier. Eine solch frohliche, beilaufige Herangehensweise an todliche Gefahren war beinahe genauso beangstigend wie das Tempo und die Heftigkeit ihres Kampfes.

Das Duell dauerte noch zehn Minuten, bis ein machtiger Hieb einen Ritter aus dem Sattel warf. Er sturzte zu Boden, stand aber sofort lachend und so behende wieder auf, als wurde er keine Rustung tragen. Geld wechselte den Besitzer. Vereinzelt waren Rufe zu horen: »Noch einmal! Noch einmal!« Zwischen den Knappen brach eine Rauferei aus. Die beiden Ritter gingen Arm in Arm zum Gasthof. Marek horte Kate sagen. »Andre...« Langsam drehte er sich ihr zu. »Andre, ist alles in Ordnung?«

»Alles bestens«, sagte er. »Aber ich mu? noch viel lernen.«

Sie uberquerten die Zugbrucke und naherten sich den Wachen. Er spurte, wie Kate neben ihm sich verkrampfte. »Was sollen wir tun?

Was sollen wir sagen?«

»Keine Angst. Ich spreche Provenzalisch.«

Doch dann kam es auf der Wiese vor dem Burggraben zu einem neuen Duell, und die Wachen sahen zu. Sie ignorierten Marek und Kate vollig, als die beiden unter dem steinernen Bogen hindurchgingen und den Burghof

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