ich Euch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und bitte Euch um Euer Schweigen.« »Ihr habt es«, sagte Marek, »denn Eure Angelegenheiten gehen uns nichts an.«
»Und Ihr habt dafur mein Schweigen«, erwiderte sie. »Denn es ist offensichtlich, da? der Abt Euer Hiersein vor Arnaut de Cervole verheimlichen will. Habe ich Euer Wort?«
»Furwahr, Mylady, Ihr habt es.«
»Ja, Mylady«, sagte Chris.
»Ja, Mylady«, sagte Kate.
Als Claire Kates Stimme horte, runzelte sie die Stirn und ging dann zu ihr. »Sprecht Ihr wahr?«
»Ja, Mylady«, sagte Kate noch einmal.
Claire strich mit der Hand uber Kates Brust und spurte ihren Busen unter dem straffen Brusttuch. »Ihr habt Euch die Haare abgeschnitten, Maid«, sagte sie. »Wi?t ihr, da? eine Frau, die sich als Mann verkleidet, mit dem Tode bestraft werden kann?« Sie sah Chris an, als sie dies sagte.
»Wir wissen es«, sagte Marek.
»Ihr mu?t Eurem Magister sehr ergeben sein, wenn Ihr Euer Geschlecht aufgebt.«
»Das bin ich, Mylady.«
»Dann bete ich fur Euch, da? Ihr es uberlebt.«
Die Tur offnete sich, und die Krote winkte ihnen. »Wurdige Herren, kommt. Mylady, bitte bleibt, der Abt wird Euch schon bald zu Gefallen sein. Aber Ihr wurdigen Herren, bitte kommt mit mir.« Drau?en im Hof beugte sich Chris zu Marek und flusterte: »Andre, diese Frau ist das reinste Gift.«
Marek lachelte. »Ich gebe zu, da? sie ein gewisses Feuer hat...« »Andre, ich sag's dir. Du kannst ihr kein Wort glauben.« »Ach wirklich? Ich finde, sie war erstaunlich aufrichtig«, sagte Marek. »Sie sucht Schutz. Und sie tut gut daran.« Chris starrte ihn an. »Schutz?«
»Ja. Sie sucht einen Beschutzer«, erwiderte Marek nachdenklich. »Einen Beschutzer? Von was redest du? Wir haben nur noch -wie viele Stunden sind es noch?«
Marek sah auf seinen Timer am Armband. »Elf Stunden und zehn Minuten.«
»Und was soll das dann mit dem Beschutzer?«
»Ach, das war nur so ein Gedanke«, sagte Marek. Er legte Chris den
Arm um die Schulter. »Ist nicht wichtig.«
Sie sa?en zusammen mit vielen Monchen an einem langen Tisch in einem gro?en Saal, eine Schussel mit dampfender Suppe vor sich und in der Mitte des Tisches gro?e Vorlegeplatten, auf denen sich Gemuse, Rindfleisch und gebratene Kapaune turmten. Niemand ruhrte auch nur einen Muskel, alle hatten die Kopfe zum Gebet gesenkt, und die Monche sangen:
Kate warf immer wieder verstohlene Blicke auf die Speisen. Die
Kapaune dampften! Sie sahen fett aus, gelber Bratensaft troff auf die
Platten. Dann merkte sie, da? die Monche neben ihr ziemlich verwirrt
uber ihr Schweigen waren. Anscheinend sollte sie dieses Gebet kennen.
Marek neben ihr sang laut:
Sie verstand kein Latein, und sie konnte nicht mitsingen, deshalb schwieg sie bis zum »Amen«.
Die Monche hoben alle den Kopf und nickten ihr zu. Sie hatte diesen Augenblick gefurchtet und machte sich auf das Schlimmste gefa?t. Jetzt wurden sie wohl mit ihr reden, und sie wurde nicht antworten konnen. Was sollte sie tun?
Sie sah Marek an, der vollig entspannt wirkte. Warum auch nicht, er beherrschte ja die Sprache.
Ein Monch reichte ihr schweigend eine Platte mit Rindfleisch. Tatsachlich herrschte Stille im ganzen Saal. Das Essen wurde wortlos weitergereicht, es war nichts zu horen au?er dem leisen Klappern von Tellern und Messern. Sie a?en schweigend!
Sie nahm die Platte, nickte und nahm sich eine gro?e Portion, dann noch eine, bis sie Mareks mi?billigenden Blick bemerkte. Sie gab ihm die Platte.
In einer Ecke des Saals fing ein Monch an, einen lateinischen Text zu lesen, und die Worte klangen wie eine Melodie in ihren Ohren, wahrend sie hungrig a?. Sie war am Verhungern. Sie konnte sich nicht erinnern, je mit mehr Genu? gegessen zu haben. Sie schaute kurz zu Marek, der mit einem stillen Lacheln auf dem Gesicht a?. Sie wandte sich ihrer Suppe zu, die kostlich schmeckte, und dann sah sie wieder Marek an.
Er lachelte nicht mehr.
Marek hatte die ganze Zeit die Eingange im Auge behalten. Es gab drei in diesem gro?en Saal, einen rechts von ihm, einen links und einen direkt vor ihm in der Mitte der Langswand.
Kurz zuvor hatte er gesehen, wie sich eine Gruppe Soldaten am rechten Eingang versammelte. Sie spahten herein, als waren sie neugierig auf das Essen, aber sie blieben drau?en.
Jetzt sah er eine zweite Gruppe Soldaten im mittleren Eingang stehen. Kate sah ihn an, und er beugte sich dicht zu ihr und flusterte ihr ins Ohr: »Linker Eingang.« Die Monche um sie herum warfen ihnen mi?billigende Blicke zu. Kate sah Marek an und nickte knapp zum Zeichen, da? sie verstanden hatte.
Wohin fuhrte diese linke Tur? Dort waren keine Soldaten zu sehen, und der Raum dahinter war dunkel. Wohin er auch fuhrte, sie wurden es riskieren mussen. Er suchte Chris' Blick und bedeutete ihm mit einem unauffalligen Heben des Daumens: Zeit zu gehen. Chris nickte fast unmerklich. Marek schob eben seine Suppe weg und wollte aufstehen, als ein Monch in wei?er Kutte zu ihm kam, sich uber ihn beugte und flusterte: »Der Abt wird Euch jetzt empfangen.«
Der Abt von Sainte-Mere war ein vitaler Mann Anfang Drei?ig, mit dem Korper eines Athleten und dem scharfen Auge eines Handlers. Seine schwarze Robe war mit eleganten Stickereien verziert, seine schwere Halskette bestand aus purem Gold, und die Hand, die er ihnen zum Ku? hinstreckte, trug Juwelen an vier Fingern. Er empfing sie in einem sonnigen Hof und ging dann neben Marek her, wahrend Chris und Kate folgten. Die grun- schwarzen Soldaten waren uberall. Der Abt war frohlich und freundlich, aber er hatte die Angewohnheit, unvermittelt das Thema zu wechseln, als wollte er seinen Zuhorer uberrumpeln. »Mir tun diese Soldaten von Herzen leid«, sagte der Abt, »aber ich furchte, wir haben Eindringlinge in unserem Kloster — Olivers Manner —, und bis wir sie gefunden haben, mussen wir vorsichtig sein. Und Mylord Arnaut hat uns gnadigerweise seinen Schutz angeboten. Habt Ihr gut gegessen?«
»Dank der Gnade Gottes und Eurer eigenen, sehr gut, Hochwurdiger Abt.«
Der Abt lachelte freundlich. »Ich mag Schmeicheleien nicht«, sagte er.
»Und unser Orden verbietet sie.«
»Ich werde es mir zu Herzen nehmen«, sagte Marek.
Der Abt musterte die Soldaten und seufzte. »So viele Soldaten ruinieren die Jagd.«
»Was fur eine Jagd denn?«
»Die Jagd eben, die Jagd«, sagte er ungeduldig. »Gestern morgen gingen wir jagen und kehrten mit leeren Handen zuruck, nicht einmal einen Rehbock konnten wir vorweisen. Und Cervoles Manner waren noch gar nicht angekommen. Jetzt sind sie hier — zweitausend in allem. Was sie an Wild nicht erlegen, verscheuchen sie. Es wird Monate dauern, bis die Walder sich wieder beruhigt haben. Was gibt es Neues von Magister Edwardus? Sagt es mir, denn ich bedarf dieser Nachrichten sehr.«
Marek runzelte die Stirn. Der Abt schien wirklich sehr gespannt und neugierig. Aber er schien eine spezifische Information zu erwarten.
»Hochwurdiger Abt, er ist in La Roque.« »Oh? Bei Sir Oliver?« »Ja, Hochwurdiger Abt.«
»Hochst unglucklich. Habt Ihr von ihm eine Nachricht fur mich?« Offensichtlich hatte er Mareks verwirrten Blick gesehen. »Nein?« »Hochwurdiger Abt, Edwardus hat mir keine Nachricht fur Euch anvertraut.«
»Vielleicht verschlusselt? Irgendeine beilaufige oder unverstandliche Formulierung?«
»Es tut mir leid«, antwortete Marek.
»Nicht so leid wie mir. Und jetzt ist er in La Roque?«
»Das ist er, Hochwurdiger Abt.«
»Furwahr, das gefallt mir nicht«, sagte der Abt. »Denn La Roque ist uneinnehmbar.«
»Doch falls es einen Geheimgang ins Innere gibt...«, sagte Marek. »Ach, der Gang, der Gang«, wiederholte