der Abt mit einer unwirschen Handbewegung. »Der ist noch mein Ruin. Ich hore von nichts anderem mehr. Jedermann mochte diesen Geheimgang kennen - und Arnaut noch mehr als alle anderen. Der Magister half mir, indem er Marcellus' alte Dokumente durchsuchte. Seid Ihr sicher, da? er Euch nichts gesagt hat?«
»Er sagte, wir sollten Bruder Marcel aufsuchen.« Der Abt schnaubte.
Uberall auf dem Hof schrien Manner und deuteten nach oben. Marek sagte: »Hochwurdiger Abt -«
Der Abt spuckte Blut und brach in Mareks Armen zusammen. Marek lie? ihn sanft zu Boden gleiten. Er spurte den Pfeil im Rucken des Abts, bevor er ihn sah. Weitere Pfeile surrten herab und bohrten sich neben ihm ins Gras.
Marek hob den Kopf und sah im Glockenturm der Kirche mehrere kastanienbraune Gestalten, die in schneller Folge ihre Pfeile abschossen. Ein Pfeil ri? Marek die Kappe vom Kopf, ein zweiter durchlocherte den Armel seines Hemds. Ein dritter bohrte sich tief in die Schulter des Abts.
Der nachste Pfeil traf Marek am Oberschenkel. Er spurte einen heftigen, brennenden Schmerz, der sein Bein entlangzuckte, er taumelte und fiel auf den Rucken. Vergeblich versuchte er aufzustehen, er war zu benommen, sein Gleichgewichtssinn hatte ihn verlassen. Er fiel wieder auf den Rucken, wahrend um ihn herum Pfeile zu Boden surrten. Chris und Kate rannten durch den Pfeilhagel zur anderen Seite des Hofes, um dort Schutz zu suchen. Plotzlich schrie Kate auf, taumelte und sturzte zu Boden, einen Pfeil im Rucken. Dann rappelte sie sich wieder hoch, und Chris sah, da? der Pfeil ihr unter der Achsel in den Armel gefahren war, sie aber nicht getroffen hatte. Ein Pfeil streifte sein Bein und ri? ihm den Stoff auf. Und dann erreichten sie den Kreuzgang und warfen sich keuchend hinter eine der Saulen. Pfeile prallten von den Wanden, den Saulen und Bogen um sie herum ab. Chris fragte: »Bist du okay?«
Sie nickte schwer atmend. »Wo ist Marek?«
Chris stand auf und spahte vorsichtig hinter der Saule hervor. »O nein!« rief er. Und rannte den Gang hinunter.
Marek stand taumelnd auf und sah, da? der Abt noch am Leben war. »Verzeiht mir«, sagte er, als er sich den Abt auf die Schultern hob und ihn in eine geschutzte Ecke trug. Die Soldaten auf dem Hof schossen nun ihrerseits Pfeilgarben in den Glockenturm hinauf. Der Beschu? von oben wurde schwacher.
Marek brachte den Abt hinter die Saulenbogen des Kreuzgangs und legte ihn seitlich auf den Boden. Der Abt zog sich den Pfeil aus der Schulter und warf ihn beiseite. Er keuchte vor Anstrengung. »Mein Rucken ... mein Rucken ...«
Marek drehte ihn behutsam um. Der Schaft in seinem Rucken vibrierte mit jedem Herzschlag. »Hochwurden, wollt Ihr, da? ich ihn herausziehe?«
»Nein.« Der Abt schlang verzweifelt einen Arm um Mareks Hals und zog ihn zu sich. »Noch nicht... Ein Priester... Ein Priester...« Er verdrehte die Augen. Ein Priester kam auf sie zugelaufen. »Hier kommt er schon, hochwurdiger Abt.«
Der Abt schien erleichtert uber die Nachricht, klammerte sich aber noch immer mit starkem Griff an Marek. »Der Schlussel zu La Roque...«
»Ja, Hochwurden?« »... Zimmer...«
Marek wartete. »Was fur ein Zimmer, Hochwurden? Was fur ein Zimmer?«
»Arnaut...«, sagte der Abt und schuttelte den Kopf, wie um ihn wieder klar zu bekommen. »Arnaut wird wutend sein... Zimmer ...« Sein Griff erschlaffte. Marek zog ihm den Pfeil aus dem Rucken und legte den Sterbenden behutsam zu Boden. »Jedesmal, wenn er... machte... niemand gesagt... und so... Arnaut.« Er schlo? die Augen. Der Monch schob sich zwischen sie, sprach einige schnelle lateinische Worte, zog dem Abt die Schuhe aus und stellte eine Flasche Ol auf den Boden. Er begann, ihm die Sterbesakramente zu verabreichen. Marek lehnte sich an eine der Saulen und zog sich den Pfeil aus dem Oberschenkel. Er hatte ihn nur leicht getroffen und steckte nicht so tief, wie er gedacht hatte. Gerade zwei Zentimeter des
Schafts waren blutig. Er warf den Pfeil zu Boden, als Chris und Kate zu ihm kamen.
Sie sahen sein Bein und dann den Pfeil an. Marek blutete. Kate hob ihr Wams und schnitt mit ihrem Dolch einen Streifen von ihrem Unterhemd ab. Das wickelte sie Marek als provisorischen Verband um den Oberschenkel.
»So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte Marek.
»Dann wird dir die Binde auch nicht schaden«, erwiderte sie. »Kannst du gehen?«
»Naturlich kann ich gehen«, antwortete Marek. »Du bist bla?.«
»Mir geht's gut«, sagte er, loste sich von der Saule und schaute auf den Hof hinaus.
Vier Soldaten lagen auf der mit Pfeilen gespickten Erde. Die anderen Soldaten waren verschwunden; keiner scho? mehr zum Glockenturm hinauf, denn aus einem der hohen Fenster drang Rauch. Auch auf der anderen Seite des Hofes sahen sie Rauch, der dick und schwarz aus dem Refektorium quoll. Das ganze Kloster fing an zu brennen. »Wir mussen diesen Schlussel finden«, sagte Marek. »Aber er ist in Marcels Zimmer.«
»Ich bin mir da nicht so sicher.« Marek war wieder eingefallen, da? eins der letzten Dinge, die Elsie, die Graphologin, ihm auf der Ausgrabungsstatte gesagt hatte, etwas mit einem Schlussel zu tun gehabt hatte. Und mit einem Wort, das ihr Kopfzerbrechen bereitete. An die Einzelheiten konnte er sich nicht mehr erinnern - er hatte sich zu der Zeit Sorgen um den Professor gemacht -, aber er wu?te noch genau, da? Elsie sich eins der Pergamente aus dem Stapel, den sie im Kloster gefunden hatten, angesehen hatte. Dem Stapel, in dem sie die Nachricht des Professors gefunden hatten.
Und Marek wu?te, wo diese Dokumente zu finden waren. Sie eilten den Gang entlang zur Kirche. Einige der Buntglasfenster waren zerbrochen, Rauch quoll hervor. Drinnen horten sie Manner rufen, und einen Augenblick spater sturzte ein Trupp Soldaten durchs Tor. Marek drehte sich auf dem Absatz um und fuhrte sie den Weg zuruck, den sie gekommen waren.
»Was tun wir jetzt?« fragte Chris. »Die Tur suchen.« »Was fur eine Tur?«
Marek bog links in einen Saulengang ein und dann noch einmal links,
durch eine sehr schmale Offnung, die sie in einen engen Raum fuhrte,
eine Art Lagerraum. Er wurde von einer Fackel erhellt. Im Boden befand sich eine Falltur, Marek ri? sie auf, und sie sahen Stufen, die in die Dunkelheit fuhrten. Er schnappte sich eine Fackel, und sie stiegen die Stufen hinunter. Chris ging als letzter und schlo? die Falltur hinter sich wieder. Dann stieg er in eine feuchte, dunkle Kammer hinunter.
Die Fackel flackerte in der kuhlen Luft. In ihrem unsteten Licht sahen sie riesige Fasser, fast zwei Meter im Durchmesser, die an der Wand aufgereiht standen. Sie waren in einem Weinkeller.
»Wie ihr euch vorstellen konnt, werden die Soldaten diesen Keller ziemlich bald gefunden haben«, sagte Marek. Er fuhrte sie schnell und ohne Zogern durch mehrere Gewolbe mit Fassern.
Kate, die hinter ihm ging, fragte: »Wei?t du, wohin du gehst?«
»Du nicht?« erwiderte er.
Aber sie wu?te es nicht, und so folgten sie und Chris ihm dicht auf den Fersen, um im beruhigenden Lichtkreis der Fackel zu bleiben. Sie kamen zu einer Gruft, in der, in schmalen, langen Vertiefungen in der Wand, unter verfaulenden Leichentuchern Verstorbene ruhten. Hier und dort waren Schadel zu sehen, an denen noch Haarreste hingen, manchmal sahen sie Fu?e, aus denen die Knochen herausragten. Ratten quiekten leise in der Dunkelheit. Kate schuttelte sich.
Marek ging weiter, bis er unvermittelt in einer fast leeren Kammer stehenblieb.
»Warum bleibst du stehen?« fragte Kate. »Wei?t du das nicht?« entgegnete Marek.
Sie sah sich um und erkannte dann, da? sie sich genau in dem Gewolbe befand, in das sie vor einigen Tagen gekrochen war. Auf einer Seite stand der Sarkophag des Ritters, jetzt allerdings mit dem Deckel obendrauf.