irgendwo an ihrem Kopf kommen. Ihre Stirn brannte. Sie beruhrte sie mit der flachen Hand. Danach war die Handflache hellrot vor Blut.

Noch immer auf dem Rucken trieb sie weiter flu?abwarts. Der Schmerz war so stark, da? sie sich nicht traute, sich umzudrehen und ans Ufer zu schwimmen. Vorerst trieb sie nur. Ob die Soldaten sie schon entdeckt hatten?

Geschrei vom Ufer beantwortete ihr Frage. Man hatte sie entdeckt. Chris spahte genau in dem Augenblick uber die Busche, als Kate auf dem Rucken vorbeitrieb. Sie war verletzt, die ganze linke Seite ihres Gesichts war blutverschmiert, offensichtlich von einer Kopfwunde. Und sie bewegte sich kaum. Vielleicht war sie gelahmt.

Einen Augenblick lang kreuzten sich ihre Blicke, und sie lachelte schwach. Er wu?te, wenn er sich jetzt zeigte, wurde er gefangengenommen, aber er zogerte nicht. Jetzt, da Marek nicht mehr war, hatte er nichts mehr zu verlieren, da konnten sie genausogut bis zum Ende zusammenbleiben. Er platschte ins Wasser und watete zu ihr hinaus.

Erst jetzt erkannte er seinen Fehler.

Er war in Reichweite der Bogenschutzen, die noch auf dem ubriggebliebenen Bruckenturm standen und jetzt auf ihn schossen. Ein Hagel von Pfeilen prasselte um ihn herum ins Wasser. Im selben Moment trieb ein Ritter in voller Rustung sein Pferd von Arnauts Seite her ins Wasser. Der Ritter hatte sein Visier heruntergeklappt, und Chris konnte sein Gesicht nicht sehen, aber offensichtlich furchtete er nichts, denn er ritt so, da? er mit seinem Korper und seinem Pferd den Bogenschutzen die Schu?bahn verstellte. Das Pferd sank immer tiefer, je naher sie kamen, und schwamm schlie?lich; der Ritter war bis zur Taille im Wasser, als er Kate wie einen nassen Sack auf seinen Sattel hievte, dann Chris am Arm packte, »Allons« rief und zum Ufer zuruckkehrte.

Kate glitt vom Sattel zu Boden. Der Ritter bellte einen Befehl, und ein Mann mit einer Fahne mit diagonalen roten und wei?en Streifen kam herbeigelaufen. Er untersuchte Kates Kopfverletzung, reinigte sie, stillte die Blutung und verband sie mit Leinenstreifen.

Unterdessen stieg der Ritter ab, schnurte seinen Helm auf und nahm ihn ab. Er war ein gro?er, kraftiger Mann, au?ergewohnlich gutaussehend und schneidig, mit dunklen, welligen Haaren, einem vollen, sinnlichen Mund und einem Funkeln in den Augen, das seine Belustigung uber die Torheiten dieser Welt auszudrucken schien. Seine Haut war dunkel, er wirkte irgendwie spanisch.

Als Kate verbunden war, lachelte der Ritter und zeigte perfekte wei?e Zahne. »Wenn Ihr mir die gro?e Ehre erweisen wollt, mich zu begleiten.«

Er fuhrte sie zuruck zum Kloster und seiner Kirche. An der Seitentur der Kirche standen eine Gruppe Soldaten und ein Reiter, der das grunschwarze Banner des Arnaut de Cervole trug.

Als sie auf die Kirche zugingen, verbeugten sich die Soldaten vor dem

Ritter und sagten: »Mylord ... Mylord.«

Chris, der hinter Kate ging, stie? sie an. »Das ist er.«

»Wer?«

»Arnaut.«

»Dieser Ritter? Willst du mich auf den Arm nehmen?«

»Schau nur, wie die Soldaten sich verhalten.«

»Arnaut hat uns das Leben gerettet«, sagte Kate.

Chris war sich der Ironie des Ganzen durchaus bewu?t. In modernen historischen Darstellungen uber diese Zeit erschien Sir Oliver beinahe als Soldatenheiliger, wahrend Cervole als schwarze Gestalt beschrieben wurde, als »einer der gro?ten Bosewichter seiner Zeit«,

wie ein Historiker es nannte. Doch anscheinend war das genaue

Gegenteil der Fall. Oliver war ein verachtenswerter Schurke, und

Cervole das Musterbeispiel eines Ritters — dem sie nun ihr Leben verdankten.

Kate fragte: »Was ist mit Andre?« Chris schuttelte den Kopf. »Bist du sicher?«

»Ich glaube schon. Ich glaube, ich habe ihn im Flu? treiben sehen.« Kate sagte nichts.

Vor der Kirche von Sainte-Mere standen lange Schlangen von Mannern mit auf den Rucken gefesselten Handen, die offensichtlich in das Gotteshaus gebracht werden sollten. Es waren vorwiegend Soldaten Olivers in Kastanienbraun und Grau und ein paar Bauern in derber Tracht. Chris schatzte, da? es etwa vierzig bis funfzig an der Zahl waren. Die Manner starrten sie murrisch an, als sie vorbeigingen. Einige waren verletzt, und alle wirkten sehr erschopft. Ein Mann, ein Soldat in Kastanienbraun, sagte sarkastisch zu einem anderen: »Dort geht der Bastard von Narbonne. Er tut die Arbeit, die sogar Arnaut zu schmutzig ist.«

Chris versuchte noch, diese Bemerkung zu verstehen, als der gutaussehende Ritter wutend herumwirbelte. »Was sagst du?« rief er, packte den Mann bei den Haaren, ri? ihm den Kopf hoch und schlitzte ihm mit seinem Dolch die Kehle auf. Blut spritzte dem

Mann uber die Brust, doch er blieb aufrecht stehen und gab nur ein rochelndes Gerausch von sich.

»Das war deine letzte Beleidigung«, sagte der Ritter. Er stand da, lachelte den Mann an, sah zu, wie sein Blut aus ihm herausflo? und grinste, als die Augen des Mannes sich vor Entsetzen weiteten. Doch noch immer stand er. Fur Chris schien es ewig zu dauern, doch es waren nur drei?ig oder vierzig Sekunden. Der gutaussehende Ritter sah einfach nur schweigend zu, ohne sich zu ruhren. Nicht eine Sekunde schwand das Lacheln aus seinem Gesicht.

Schlie?lich fiel der Mann auf die Knie, mit gesenktem Kopf, als wurde er beten. Der Ritter schob dem Mann seelenruhig den Fu? unter das Kinn und trat zu. Der Mann kippte nach hinten. Sein To-desrocheln dauerte noch etwa eine Minute. Schlie?lich starb er. Der Ritter buckte sich, wischte seinen Dolch am Beinling des Toten ab und seinen blutigen Schuh an dessen Wams. Dann nickte er Chris und Kate zu.

Gemeinsam mit ihm betraten sie die Kirche von Sainte-Mere. Dichter Rauch hing im Innenraum. Der Boden war nur eine weite, leere Flache, Banke oder Stuhlreihen wurde es erst in zweihundert Jahren geben. Sie standen im hinteren Teil der Kirche, zusammen mit dem gutaussehenden Ritter, dem es nichts auszumachen schien zu warten. Auf einer Seite sahen sie mehrere Soldaten, die flusternd die Kopfe zusammensteckten.

Ein einzelner Ritter in voller Rustung kniete betend in der Mitte der Kirche.

Chris wandte sich wieder den anderen Rittern zu. Sie schienen sich mitten in einem hitzigen Disput zu befinden, ihr Flustern klang sehr erregt. Aber er konnte sich nicht vorstellen, worum es ging. Wahrend sie warteten, spurte Chris, da? ihm etwas auf die Schulter tropfte. Als er den Kopf hob, sah er direkt uber sich einen Mann an einem Strick baumeln. Er drehte sich langsam um die eigene Achse, Urin lief ihm am Bein herab. Chris ging ein paar Schritte von der Wand weg und sah ein halbes Dutzend Leichen, die, mit auf den Rucken gefesselten Handen, an Stricken von der Empore hingen. Drei von ihnen trugen den rotbraunen Uberwurf Olivers, zwei trugen Bauernkleidung und der letzte die wei?e

Kutte eines Monchs. Zwei Manner sa?en auf dem Boden der Empore und sahen stumm und anscheinend ihrem Schicksal ergeben zu, wie weitere Stricke an den Balustern befestigt wurden.

Nun bekreuzigte sich der Betende und stand auf. Der gutaussehende

Ritter sagte: »Mylord Arnaut, hier sind die Gehilfen.«

»Ah? Was sagt Ihr da? Gehilfen?«

Der Ritter drehte sich um. Arnaut de Cervole war etwa funf-unddrei?ig Jahre alt und drahtig, er hatte ein schmales, unangenehmes, verschlagenes Gesicht. Au?erdem hatte er einen Tick: Seine Nase zuckte dauernd, was ihn aussehen lie? wie eine schnuppernde Ratte. Seine Rustung war blutbespritzt. Er sah sie mit gelangweiltem, tragem Blick an. »Ihr sagt, sie sind Gehilfen, Raimondo?« »Ja, Mylord. Die Gehilfen von Magister Edwardus.« »Aha.« Arnaut ging um sie herum. »Warum sind sie na??« »Wir haben sie aus dem Flu? gezogen, Mylord«, antwortete Raimondo. »Sie waren in der Muhle und konnten im letzten Augenblick entkommen.«

»Tatsachlich?« Arnaut war nun nicht mehr gelangweilt. Seine Augen blitzten interessiert. »Ich bitte Euch, sagt mir, wie habt Ihr die Muhle zerstort?«

Chris rausperte sich und sagte: »Mylord, das haben wir nicht.«

»Was?« Arnaut runzelte die Stirn. Dann sah er die anderen Ritter an.

»Was fur eine Sprache ist das? Er ist nicht zu verstehen.«

»Mylord, es sind Iren, oder vielleicht Hebriden.«

»Oh? Dann sind sie keine Englander. Das spricht zu ihren Gunsten.« Er umkreiste sie, starrte ihnen dann ins Gesicht. »Versteht Ihr mich?«

Chris sagte: »Ja, Mylord.« Das schien angekommen zu sein.

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