»Seid Ihr Englander?«

»Nein, Mylord.«

»Furwahr, Ihr seht auch nicht so aus. Ihr seht zu sanft und unkriegerisch aus.« Er musterte Kate. »Seine Haut ist so frisch wie die eines jungen Madchens. Und der da...« Er druckte Chris' Bizeps. »Er ist ein Schreiber oder ein Gelehrter. Und auf keinen Fall Englander.« Arnaut schuttelte den Kopf, seine Nase zuckte. »Denn die Englander sind Wilde«, sagte er so laut, da? seine Stimme in der verraucherten Kirche widerhallte. »Stimmt Ihr mir zu?«

»Das tun wir, Mylord«, erwiderte Chris.

»Die Englander kennen nichts anderes als endlose Unzufriedenheit und unaufhorlichen Streit. Immer ermorden sie ihre eigenen Konige; das ist ihr wilder Brauch. Unsere normannischen Bruder haben sie unterworfen und versucht, ihnen etwas Zivilisation beizubringen, aber das ist ihnen naturlich nicht gelungen. Das sachsische Blut ist Barbarenblut. Ihre gro?te Freude ist Zerstorung, Tod und Marter. Und da es ihnen nicht genugt, da? sie sich auf ihrer elenden Insel gegenseitig bekampfen, fuhren sie ihre Armeen hierher, in dieses friedvolle und bluhende Land, und bringen Elend und Verwustung uber ein einfaches Volk. Stimmt Ihr mir zu?« Kate nickte und verbeugte sich leicht.

»Das solltet Ihr auch«, sagte Arnaut. »Ihre Grausamkeit ist unerreicht. Ihr kennt ihren alten Konig? Den zweiten Edward? Ihr wi?t, wie sie ihn ermordeten, mit einem rotgluhenden Schureisen? Und das einem Konig! Kein Wunder, da? sie unser Land noch barbarischer behandeln.« Er ging auf und ab. Und wandte sich dann wieder ihnen zu. »Und der Mann, der als nachstes die Macht ubernahm, Hugh Despenser. Nach englischem Brauch ging es auch ihm bald ans Leben. Und wi?t ihr, wie? Er wurde auf einem offentlichen Platz an eine Leiter gebunden, seine Mannlichkeit wurde ihm abgeschnitten und vor seinen Augen verbrannt. Und das, bevor man ihn kopfte! Charmant nicht?« Wieder sah er sie Zustimmung heischend an. Und wieder nickten sie. »Und nun der neue Konig, Edward III., er hat seine Lektion aus dem Schicksal seiner Vorganger gelernt — da? er namlich bestandig Krieg fuhren mu?, wenn er nicht seinen eigenen Untertanen zum Opfer fallen will. Deshalb bringen er und sein feiger Sohn, der Prinz von Wales, ihre Barbarei nach Frankreich, ein Land, das Krieg und Grausamkeit nicht kannte, bis sie mit ihren chevauchees auf unsere Scholle kamen, unser Volk ermordeten, unsere Frauen schandeten, unsere Tiere abschlachteten, unsere Ernten vernichteten, unsere Stadte zerstorten und unserem Handel ein Ende machten. Und wozu? Nur damit blutrunstige englische Seelen in fremden Landen beschaftigt sind. Damit sie die Reichtumer eines ehrbareren Landes stehlen konnen. Damit jede englische Lady ihren Gasten auf franzosischen Tellern auftragen kann. Damit sie behaupten konnen, ehrbare Ritter zu sein, wo sie nichts Heldenhafteres tun, als Kinder zu metzeln.«

Arnaut unterbrach seine Tirade und sah mit ruhelosem, argwohnischem

Blick zwischen ihren Gesichtern hin und her. »Und deshalb«, fuhr er dann fort, »kann ich nicht verstehen, warum Ihr Euch auf die Seite des englischen Schweins Oliver geschlagen habt.«

Chris entgegnete schnell: »Das ist nicht wahr, Mylord.«

»Meine Geduld ist zu Ende. Gesteht: Ihr helft Oliver, denn Euer

Magister steht in seinen Diensten.«

»Nein, Mylord. Der Magister wird gegen seinen Willen festgehalten.«

»Gegen ... seinen ...« Arnaut warf verargert die Hande in die Hohe.

»Wer kann mir sagen, was dieser triefende Halunke sagt?«

Der gutaussehende Ritter trat zu ihnen. »Mein Englisch ist gut«, sagte er. Und dann zu Chris: »Spek ayain.« Sagt es noch einmal.

Chris uberlegte kurz und hub dann an: »Magister Edwardus...«

»Ja...«

»... ist ein Gefangener.«

»Gefa...?« Der gutaussehende Ritter runzelte verwirrt die Stirn. »Geffang... ?«

Chris hatte den Eindruck, da? das Englisch des Ritters nicht so gut war, wie er glaubte. Er beschlo?, noch einmal sein Latein hervorzukramen, so schlecht und archaisch es auch sein mochte. »Est in carcerc — captus — lieri captus est de coenobio sanctae Marine.« Er hoffte, da? dies bedeutete: Er wurde gestern morgen aus Sainte-Mere verschleppt. Der Ritter hob die Augenbrauen. »Invite?« Gegen seinen Willen? »Fuhrwahr, Mylord.«

Der Ritter sagte zu Arnaut: »Sie sagen, Magister Edwardus wurde gestern gegen seinen Willen aus dem Kloster verschleppt und ist jetzt Olivers Gefangener.«

Arnaut drehte sich schnell um und sah ihnen eindringlich in die

Augen. Mit leiser, drohender Stimme sagte er: »Sed vos non capti estis. Nonne?« Ihr wurdet nicht gefangengenommen? Chris zogerte wieder. »Ah, wir... « »Qui?«

»Nein, nein, Mylord«, sagte Chris hastig. »Ah, nein. Wir konnten fliehen. Ah, ef-effugi-i-ismus. Effugimus.« War dies das richtige Wort? Er schwitzte vor Aufregung.

Anscheinend war es gut genug, denn der gutaussehende Ritter nickte.

»Sie sagten, sie konnten fliehen.«

»Sie konnten fliehen? Von wo?« blaffte Arnaut.

Chris: »Ex Castelgardheri...«

»Ihr seid gestern aus Castelgard geflohen?«

»Etiam, mi domine.« Ja, Mylord.

Arnaut starrte ihn an und sagte lange Zeit gar nichts. Oben auf der Empore bekamen die Manner die Stricke um den Hals gelegt und wurden uber die Brustung gesto?en. Doch der Sturz brach ihnen nicht das Genick, und so hingen sie da und zuckten und rochelten, wahrend das Leben in ihnen qualend langsam erlosch.

Arnaut schaute zu den Gehenkten hoch, als argerte es ihn, von ihrem Todesrocheln gestort zu werden. »Ein paar Stricke sind noch ubrig«, sagte er und sah wieder Kate und Chris an. »Ich werde Euch die Wahrheit schon entrei?en.« »Ich spreche wahr, Mylord«, sagte Chris.

Arnaut drehte sich auf dem Absatz um. »Habt ihr mit Bruder Marcel gesprochen, bevor er starb?«

»Marcel?« Chris gab sich Muhe, verwirrt zu wirken. »Marcel, Mylord?«

»Ja, ja. Marcel. Cognivistine fratrem Mamllum?« Kennt Ihr Bruder Marcel?

»Nein, Mylord.«

»Transitum ad Roccam cognitum habcsne?« Bei diesem Satz brauchte Chris nicht auf die Ubersetzung zu warten: Den Geheimgang nach La Roque, kennt Ihr ihn?

»Der Gang... transitum...« Chris zuckte noch einmal die Achseln, als wisse er nicht, was Arnaut meinte. »Den Gang?... Nach La Roque? Nein, Mylord.«

Arnaut machte ein unglaubiges Gesicht. »Mir scheint, Ihr wi?t uberhaupt nichts.« Er starrte sie an, und seine Nase zuckte, so da? es aussah, als wurde er sie beschnuppern. »Ich glaube Euch nicht. Ihr seid Lugner.« Er wandte sich an den gutaussehenden Ritter. »Hangt einen, damit der andere redet.« »Welchen, Mylord?«

»Ihn«, antwortete Arnaut und zeigte auf Chris. Dann sah er Kate an, kniff sie in die Wange und streichelte sie. »Denn dieser schone Knabe ruhrt mein Herz. Ich werde ihn heute abend in meinem Zelt empfangen. Und ich mochte nicht, da? ihm zuvor etwas geschieht.« »Sehr wohl, Mylord.« Der gutaussehende Ritter bellte einen Befehl, und auf der Empore wurde noch ein Seil an einen Baluster geknupft. Manner packten Chris und fesselten ihm schnell die Hande auf den Rucken.

O Gott, dachte Chris, die tun es wirklich. Er sah Kate an, deren Augen starr waren vor Entsetzen. Die Manner machten sich daran, Chris davonzuzerren.

»Mylord«, kam plotzlich eine Stimme von der anderen Seite der Kirche. »Wenn es Euch beliebt.« Der Knauel der wartenden Soldaten offnete sich, und Lady Claire trat hervor.

»Mylord«, sagte Claire sanft, »ich bitte Euch, ein Wort im Vertrauen.« »Hm? Naturlich, wie Ihr wollt.« Arnaut ging zu ihr, und sie flusterte ihm ins Ohr. Er schwieg, zuckte die Achseln. Sie flusterte noch einmal, eindringlicher diesmal.

Kurz daraufsagte er: »Hm? Was soll das nutzen?« Wieder flusterte sie. Chris verstand nichts davon. Arnaut sagte: »Mylady, ich habe mich bereits entschieden.« Sie flusterte noch einmal.

Schlie?lich kam Arnaut kopfschuttelnd zu ihnen zuruck. »Die Lady hat mich um sicheres Geleit nach Bordeaux gebeten. Sie behauptet, sie kenne Euch, und da? Ihr aufrichtige Manner seid.« Er hielt inne. »Und ich solle Euch freilassen.«

Nun sagte Claire: »Nur wenn es Euch beliebt, Mylord. Denn es ist wohlbekannt, da? die Englander nicht

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